Apex Legends ist kein Titanfall 3 - und wickelt trotzdem in 30 Sekunden um den Finger
"Slip slidin' away" statt Wandsprünge und Titanen.
Haltet mich! Es ist weiter kein Titanfall 3 in Sicht! Die Gerüchte, dem sei doch so, bezogen sich offenkundig auf einen anderen Titel und der ist nun plötzlich direkt erhältlich. Ohne Titans, ohne Wandsprünge, ohne Kampagne. Dafür immerhin im selben Universum. Aber Free-to-play? Battle Royale? Musste das sein?
Man kann es niemandem verdenken, der Apex Legends mit einer vergleichbaren Haltung begegnet. Zu gut war Titanfall 2 vor allem in seinem Story-Modus. Und zu haarig aktuell die Konkurrenzsituation in diesem Genre, als dass man das Last-Man-Standing Spin-off eines landläufig geliebten Flops nicht als Sargnagel für alles Kommende sähe, was mit dieser Marke zu tun hat. Und doch wird hier in nur wenigen Augenblicken klar, dass Respawn immer noch weiß, wie man Spieler mit wahnsinnig fließender Spielerbewegung und gutem Gunplay auf seine Seite zieht.
Nachdem ich direkt ins Training startete - und dass Respawn genau solche Modi irre gut beherrscht, weiß man seit dem Hinderniskurs aus Titanfall 2, mit dem man gut und gerne genau so viel Zeit verbringen konnte, wie mit der Kampagne -, brauchte das Spiel nicht ganz eine halbe Minute, bis ich wusste: Das hier will ich länger spielen. Nach einem Sprint aus einer länglichen Höhle dem gleißenden Licht eines aus gigantischen Saurierknochen bestehenden Tals entgegen, stehe ich vor einem Abhang - und rutsche ihn nach einem schnellen Antritt und Drücken der Ducken-Taste bis zum Fuß des Berges hinunter. Was für ein Rausch.
Ich bin wohl nicht der einzige, der Schlittermechanismen liebt. In jedem Mario ist es das erste, was ich versuche, sobald der Boden auch nur ein bisschen Schieflage hat. Wann immer man in Journey Gelegenheit bekam, eine Düne runterzuschlittern, ging mir das Herz auf. Und überhaupt ... sollte diese Liste sehr viel länger sein, doch aus irgendeinem Grund setzen viel zu wenige Games auf gepflegte Rutschpartien.
Nicht so Apex Legends, das einem quasi förmlich aufdrängt, seine vorteilhafte erhöhte Position zugunsten eines schnellen Flankiermanövers mit wunden Pobacken als Fortbewegungsmittel aufzugeben. Immer und immer wieder suche und finde ich Schrägen und Abhänge, um mit irrsinniger Geschwindigkeit an Orte zu gelangen, an denen mich der Feind nicht erwartet. Ebenfalls nett sind die Aufzüge ins Nichts, an denen ihr euch mit einem Karabiner einhakt, um dann in nicht ganz 5 Sekunden über Hundert Meter in die Höhe geschossen zu werden. Da habt ihr nicht nur eine tolle Aussicht über die taktische Situation, es springt auch euer Jetpack wieder an und trägt euch so dem, wie von Battle Royale gewohnt, periodisch schrumpfenden Zielbereich näher.
Die schiere Freude am Rennen, Springen, Schlittern, Ballern wirkt entwaffnend und steigert die Bereitschaft, sich in die Aspekte einzufuchsen, die nicht ganz so selbstverständlich von der Hand gehen. Und damit sind vornehmlich die verschiedenen Charakterklassen gemeint. Zwar bestimmt eure Loot-Freudigkeit eure Ausrüstung und Feuerkraft, aber im Vergleich zum ähnlich temporeichen und Gadget-verliebten Blackout-Modus von Call of Duty hat hier jede der acht Legends eine eigene passive sowie eine taktische und ein ultimative Spezialfähigkeit.
Ich habe bisher nur die Heilerin Lifeline und den Scout Pathfinder spielen können. Aber beide sind schon so nett, dass ich nicht genau weiß, wen ich als erstes mainen soll. Sie platziert heilende Drohnen in der Landschaft, an die sich alle Spieler in zwei bis drei Armlängen Entfernungen wie an einen lebensrettenden Tropf hängen, wiederbelebt mit ihrem Passive ein Viertel schneller als andere Charaktere und ruft als Ultimate, sobald der aufgeladen ist, ein effektvoll aus dem Orbit herbeifliegendes Care Paket herbei, das hochwertige Verteidigungsausrüstung beinhaltet. Ihr robotischer Pfadfinder-Kollege bringt ab Werk einen der besten Grappling Hook des Business mit und spannt als Ultimate ein rettendes Seil für alle zwischen zwei Punkten seiner Wahl (hier haben wir sie wieder, die legendäre Freude an der Bewegung).
Den kräftigen Gibraltar hingegen kenne ich nur vom Zusammenspiel mit anderen. Er ist eher der Heavy der Gruppe und erzeugt als Passive einen kleinen Schild auf dem Lauf seines Gewehrs, sobald er zum Zielen anlegt, lässt als Tactical einen Bubble Shield fallen, der ihn und seine Teamkameraden schützt und ordnet als mit seinem Ultimate ein Bombardement eines Punktes auf der Karte an. So geht das für jeden der acht Charaktere weiter und ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen. Es ist gewissermaßen ein Best-of cooler Shooter-Fähigkeiten und ihr Einsatz an sich verbreitet schon einiges an Heiterkeit.
Nach kurzer Einarbeitung ist man auf jeden Fall schon gut mit seinem Charakter vertraut. Durcheinander kam ich in brenzligen Situationen eher mit den verschiedenen Munitionstypen der vielen Waffen - dass einige Bekannte aus Titanfall 2 dabei sind, half aber durchaus in dieser Kennenlernphase. Das Inventar gleicht dem von Blackout im Allgemeinen durchaus, Verbrauchsgegenstände und Booster wandern in einen Rucksack und aufgehobene Aufsätze direkt auf die Waffe, es sei denn dort steckt schon etwas. Kreismenüs für Granaten und Heilung regeln den Rest und das intuitive Ping-System ermöglicht auch wortlose Kommunikation, wenn man selbst eher von der scheuen Sorte ist.
Der einzige Haken bisher: Die bis zu 60 Spieler sind immer im Dreier-Squad unterwegs. Für Solisten ist dieses Spiel offenkundig nicht gemacht, was die Skills der Charaktere ja auch unterstreichen. Aber Apex Legends ist immerhin gut darin, Berührungsängste abzubauen. Nicht nur das eloquente Pingen tut seinen Teil dazu, das Spiel schweißt auch vom ersten Moment an dadurch zusammen, dass standardmäßig allein der Gruppenanführer den Truppenabwurf über der Karte steuert. In einer einheitlichen Jetpack-Formation schießt man dann auf das Ziel zu - zu dem jeder per Ping seinen Senf abgeben darf - und wird so gewissermaßen von Beginn an zusammen in diesen Schlamassel geworfen. Ich habe erst fünf Partien gespielt, aber selten so einen Zusammenhalt mit zufälligen Mitspielern gespürt.
Wie gut Apex Legends tatsächlich ist - und "gut" meint in diesem Fall "langlebig", denn flinken Zwischendurchspaß macht es ja jetzt schon - das muss ein ausdauernderer Testlauf zeigen. Für den Moment fühlt es sich aber fantastisch an und macht genügend anders - die Möglichkeit, einen gestorbenen Mitspieler risikoreich, aber taktisch wertvoll an einer Dropship-Station neu spawnen zu lassen, hatte ich dabei noch nicht einmal erwähnt -, dass ich nicht übel Lust hätte, für ein paar der durchweg rein kosmetischen Mikrotransaktionen ein paar Euro springen zu lassen. Nicht, dass das nötig gewesen wäre: Schon nach fünf Matches habe ich bereits eine Menge rar deklarierte Skins für Waffen und Figuren beisammen, nur durch Spielerfolge. Es sei gesagt, dass zwei der acht Charaktere etwas Spielwährung-Grind oder eben eine Mikrotransaktion voraussetzen, aber alles in allem sieht es nach einem fairen Modell aus, das sich vor allem nicht in den Vordergrund drängt.
Was ich euch aber vor allem sagen will: Apex Legends ist vielleicht nicht Titanfall 3 und wird es niemals werden. Das sollte euch aber nicht davon abhalten, diesem packenden, schnellen und jetzt schon ausgereiften Battle Royale eine faire Chance zu geben. Wenn ihr nur ein bisschen so tickt wie ich, dauert es auch nur 30 Sekunden.
Entwickler/Publisher: Respawn Entertainment / EA - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: erhältlich über Origin - Angespielt auf Plattform: PC