Aragami - Test
Wie ein Spiel mir das Schleichen Schmackhaft machte.
Ich freue mich immer, wenn mich Spiele überraschen. Aragami ist so eines. Ich hatte nie zuvor davon gehört, aber seit ich zu spielen begann, zieht es mich immer mehr in seinen Bann. Und das, obwohl es ein Schleichspiel ist - das ist nämlich eigentlich nicht gerade mein Lieblingsgenre. Ich mag es nicht, zu viel Fortschritt zu verlieren, weil ich durch irgendein Ungeschick entdeckt worden bin. Zumindest habe ich gerne Alternativen zum Schleichen. Sehr gern habe ich deshalb beispielsweise Dishonored gespielt. Erstens konnte ich jederzeit frei speichern, zweitens hatte ich im Fall einer Entdeckung durch einen Gegner immer noch die Möglichkeit, ihm kurzerhand ins Gesicht zu schießen. Ich hatte Angst vor Aragami, weil man hier all das nicht kann. Wer entdeckt wird, ist so gut wie tot. Fertig. Neustart am letzten Checkpoint. Und trotzdem überzeuget Aragami auch mich.
Das liegt unter anderem am Szenario. Aragami ist nach seinem Protagonisten benannt, einem Rachegeist aus der fernöstlichen Welt, der seine Lebenskraft aus den Schatten bezieht und sie in grellem Licht schnell verliert. Diese Prämisse sorgt dafür, dass ihr euch zwangsläufig von Schatten zu Schatten fortbewegen müsst. Das geht nicht nur zu Fuß, sondern auch mit einer Art Teleportfunktion, die aber wiederum nur im Schatten funktioniert. Zu Beginn meiner Zeit mit Aragami habe ich noch versucht, jeden Gegner möglichst lautlos aus dem Dunkel heraus um die Ecke zu bringen. Das hat funktioniert, aber irgendwann bin ich dann eben meistens doch entdeckt worden. Wenn das passiert, schlagen die Gegner Alarm und beginnen, Lichtblitze auf die Spielfigur zu schießen, die meist nach wenigen Sekunden treffen und zum sofortigen Tod führen. Viel angenehmer, weniger nervenaufreibend und noch dazu schöner anzusehen ist es in Aragami, Gegner einfach zu umgehen. Sich in den Schatten hinter sie zu teleportieren, wenn sie sich gerade umdrehen, oder einfach auf den japanisch anmutenden Torbogen über ihnen zu springen.
Wichtig ist dabei nur: Immer im Halbdunkel bleiben. Das Licht meiden wie der Teufel das Weihwasser. Nur dann hat Aragami die nötige Lebensenergie um den Schattensprung auch durchführen zu können, im Licht geht gar nichts. Das ist der Grund, weshalb er mit einer zweiten Fähigkeit temporär Schatten entstehen lassen kann. Der verschwindet zwar schnell wieder, reicht aber für einen schnellen Teleport. Wer beide Fähigkeiten gut miteinander kombiniert, kann sich durch die einzelnen Spielabschnitte teleportieren wie ein junger Gott. Um nicht anmaßend zu wirken: Ich kann das nicht, aber dennoch sind mir ab und an Erfolgserlebnisse gelungen, bei denen ich mich durch Massen von Gegnern gebeamt habe. Das hat sich ungeheuer befriedigend angefühlt und gleichzeitig dafür gesorgt, dass mich die etwas weit auseinanderliegenden Checkpoints plötzlich gar nicht mehr so sehr gestört haben. Wer geschickt teleportiert, kommt nämlich viel schneller von A nach B und plötzlich fühlen sich die Speicherpunkte gar nicht mehr so weit entfernt an.
Zugegeben: Herausragend abwechslungsreich haben die Entwickler von Lince Works die Level-Architektur nicht gestaltet und auch die wenigen Gegnertypen unterscheiden sich kaum. Meist kommt es zudem lediglich darauf an, von einem Punkt zum anderen zu kommen, bisweilen müsst ihr zuvor noch eine Lichtbarriere deaktivieren oder danach den gleichen Weg wieder zurückgehen. Aragami ist zu großem Teil, was der Spieler draus macht. Wer es darauf anlegt, kann sich von Schatten zu Schatten springend bis zur Endsequenz klicken - von den wenigen Bosskämpfen abgesehen.
Wer gerne mehr von Aragami und seiner Welt inhalieren möchte, schaut sich in der Spielwelt noch ein bisschen um und findet dort Schriftrollen, durch die sich neue Fähigkeiten freischalten lassen, offensive wie defensive. Hier eine Falle, die Gegner anlockt und blendet, da ein Wurfgeschoss, mit dem sich Feinde aus der Ferne ausschalten lassen. Auch die Teleportfunktion lässt sich weiter ausbauen - beispielsweise so, dass Aragami jeden Gegner sofort tötet, wenn er sich an eine Kante unter ihm teleportiert. Dabei kommt das Spiel übrigens komplett ohne Bildschirmanzeigen aus. Alle Informationen lassen sich ganz wunderbar an Aragamis leuchtendem Umhang ablesen - wie viel Energie ihm noch für Schattensprünge zur Verfügung steht und wie oft er seine Spezialfähigkeiten noch einsetzen kann beispielsweise.
Ein wenig fühlt sich Aragami an wie ein Musikinstrument. Man muss eben lernen, darauf zu spielen. Wer's nicht kann, klimpert und zupft herum - er bringt ein bis zwei Gegner via Stealth-Kill um die Ecke und wird dann erwischt. Wer aber ein bisschen geübt hat, wirkt virtuos und spielt auch komplizierte Stücke ohne Probleme. Leichtfüßig springt man durch die Schatten, lässt hier und da mal einen Gegner verschwinden, weil's gar nicht anders geht, steht am Ende nach wenigen Minuten vor dem Level-Ausgang, ohne auch nur ein einziges Mal den Alarm ausgelöst zu haben und sieht dabei auch noch gut aus. Eben diese Leichtfüßigkeit macht für mich letztlich die Essenz von Aragami aus. Sie ist der Grund, warum ich das Spiel mag, obwohl es ein reinrassiges Schleichspiel ist. Es ist nicht stressig, sondern entspannend, es verleitet nicht zu unüberlegtem Handeln, sondern belohnt und fördert Umsichtigkeit. So sehr, dass es gar nicht stört, wenn eine Aktion doch einmal schiefgeht und der letzte Checkpoint neu geladen wird. Nette Dreingabe: Die Kampagne funktioniert via Online-Multiplayer auch kooperativ mit einem anderen Rachegott.
Ja, dieses Erlebnis ist nicht ohne Makel - Aragamis Fähigkeiten könnten noch ein wenig vielfältiger sein, die Gegner unterschiedlicher und vor allem schlauer. Allzu oft verhalten sie sich wie die Lemminge und laufen stumpf ihre vorgegebenen Pfade ab, ein einfaches Bimmeln mit einer Glocke bringt sie aus dem Konzept. Wer möchte, kann diese tumben Fleischsäcke so reihenweise niedermachen. Nur: Zumindest bei meinem Spielerlebnis standen sie ohnehin nie im Zentrum des Geschehens - sie waren eben die, denen man besser sowieso nicht zu nahe kommt. Mehr schon haben mich da zu Beginn ein paar Bugs gestört, die mich teilweise durchaus das Leben gekostet haben. Hier haben die Entwickler aber inzwischen mittels Patch nachgebessert.
Am Ende hat mich Aragami überzeugt. Es hat mich einem Genre nahegebracht, das ich bisher zwar mit Ehrfurcht, aber doch auch mit einer gewissen Ablehnung aus der Ferne beobachtet hatte. Eben weil es mir keine alternativen Wege offenließ, weil ich mich nicht durch das Spiel speichern und sterben konnte und weil ich meinen Gegnern nicht ins Gesicht schießen durfte. Hinterlassen hat es das Gefühl, dass es stattdessen sehr schön sein kann, einfach mal in den Schatten zu bleiben und niemanden zu aufzuschrecken.
Entwickler/Publisher: Lince Works/Maximum Games- Erscheint für: PlayStation 4, PC, (Xbox One geplant) - Preis: ca. 20 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PlayStation 4 - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein