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Arkadiums Plotecher: Diskussionen über das Ende von Mass Effect 3 gut für die Industrie

Ein wichtiger Schritt für das Medium auf dem Weg, endlich erwachsen zu werden.

Game Designer Matt Plotecher vom Social- und Casual-Game Entwicklerstudio Arkadium glaubt, dass die Diskussionen rund um das Ende von Mass Effect 3 gut für die Industrie und für das Medium Spiele sind.

Das zeige sich zum Beispiel dadurch, dass im Netz etwa hauptsächlich über das Ende gesprochen wird, während die Gameplay-Mechaniken in den rund 30 Spielstunden zuvor kaum thematisiert werden. Seiner Ansicht nach repräsentiert das einen wichtigen Schritt in der Betrachtungsweise von Videospielen, wie er auf GamesIndustry schreibt.

"Mass Effect 3 hat mit einem Problem zu kämpfen, mit dem auch andere Medien wie Bücher, Filme oder Fernsehserien lange zu kämpfen hatten: Was sollte man tun, wenn das Ende beim Publikum keinen Anklang findet? Viele würden den Machern das Recht einräumen, die Story so zu beenden, wie sie es für passend halten, aber viele der Macher haben auch ihre Ansichten zu dem von ihnen geschaffenen Ende geändert. Und das ist auch der wichtigste Punkt in Bezug auf diese ganze Geschichte. Der am häufigsten geäußerte Kritikpunkt ist: 'Meine Entscheidungen spielten keine Rolle.'"

"Das ist wiederum ein Kritikpunkt, der für Spiele und besonders Videospiele einzigartig ist", so Plotecher. "Die Spieler haben in den vergangenen fünf Jahren mehr als 100 Stunden damit verbracht, die Geschichte ihres Commander Shepard zu formen. Der Commander ist vielleicht männlich oder weiblich, hetero- oder homosexuell, Paragon oder Renegade. Man hat vielleicht eine gesamte Spezies ausgelöscht, einen Kriminellen zu einem anderen Menschen gemacht oder sich in einer der Bars in der Galaxie die Kante gegeben. Dann wurden all diese unterschiedlichen Dinge von einer Endsequenz weggespült, bei der der Hauptunterschied die Farbe war - und dadurch fühlte sich ein Großteil der Fans ein wenig betrogen."

Genau das ist aber auch eine der Stärken von Mass Effect - die Story, die Entscheidungen. Spieler bauen eine sehr viel engere Bindung zu dieser Spielwelt auf, was aber im Gegenzug auch bedeutet, dass es die Fanbasis besonders trifft, wenn ein Story-Element - in dem Fall eben das Ende - nicht so ausfällt wie erwartet oder erhofft.

"In Bezug darauf, wie die Gesellschaft Videospiele betrachtet, höre ich oftmals, dass die Mainstream-Zielgruppe sie nicht als künstlerische Ausdrucksform ernst nehmen kann oder will. In dem Zusammenhang habe ich oftmals eine Frage gehört, die das so ziemlich genau trifft: 'Wo ist die Videospiel-Version von Citizen Kane?' Wo ist das Beispiel dieses Mediums dafür, das die Ansicht der Öffentlichkeit verändern wird? Spiele wie Ico und Shadow of the Colossus haben meiner Ansicht nach bereits Standards für die Bindung eines Spielers zu einem Spiel gesetzt, aber sie waren nicht kommerziell erfolgreich und erreichten deshalb nicht so viel Aufmerksamkeit, um mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Videospiele einfach aus hirnlosem Button-Mashing bestehen oder interaktive Demos für Physik-Engines sind."

"Die aktuellen Diskussionen rund um das Ende von Mass Effect 3 und dessen mangelnde Anerkennung der Entscheidungen des Spielers in der Trilogie spiegeln jedoch einen höheren Standard wider, mit dem die Spieler Videospiele betrachten", schreibt Plotecher weiter. "Im Gegensatz zu den meisten Büchern, Filmen oder anderen Formen der Unterhaltung sind Spiele von Natur aus so gestaltet, dass sie dem Spieler Wahlmöglichkeiten bieten - und die Mass-Effect-Reihe baute genau darauf so sehr auf wie kein anderes Spiel bisher."

"Der Erfolg bei Kritikern und Fans (und umsatztechnisch) zeigt, dass Videospiele bereits einen Punkt erreicht haben, an dem man unterhaltsame und robuste Spiele haben kann, die einen aber gleichzeitig auch zum Nachdenken anregen und bei denen die Interaktivität ein wesentlicher Bestandteil der emotionalen Bindung ist. Sobald der Großteil der Spieler anfängt, in dieser Art und Weise über Videospiele nachzudenken, wird die Öffentlichkeit vermutlich nicht lange danach folgen."

"Ich will nicht sagen, dass Videospiele als Medium dazu bereit sind, von der Öffentlichkeit schon als Kunstform betrachtet zu werden. Das ist etwas, was man nicht völlig mit Bestimmtheit sagen kann, bis die Geschichtsbücher geschrieben werden. Diese ganze Unruhe im Hinblick auf Mass Effect 3 könnte aber sehr wohl ein Wendepunkt sein, wenn es um das Erwachsenwerden von Videospielen geht."

"Es ist eine Sache, über Videospiele als zulässige Kunstform zu sprechen, wie das bei anderen Medien der Fall ist. Aber wenn es die gleichen Diskussionen gibt, die auch diese anderen Medienformen über künstlerische Integrität, die Hybris der Autoren und Erwartungen der Fans haben, dann sollten wir aufhören, darüber zu sprechen und es ihnen vielmehr zeigen", so Plotecher abschließend.

Nach der Veröffentlichung von Mass Effect 3 zeigten sich viele Fans vom Ende enttäuscht und starteten unter anderem Kampagnen auf Twitter oder Facebook und sammelten sogar Spendengelder für einen wohltätigen Zweck, um BioWare davon zu überzeugen, ein neues Ende für Mass Effect 3 zu machen.

Vor kurzem kündigte man dann einen Extended Cut für Mass Effect 3, mit dem man allerdings kein neues Ende offeriert oder das vorhandene verändern will, sondern stattdessen weitere Zwischensequenzen und ähnliches in Aussicht stellt, damit die Fans mehr Abschluss bekommen und ein persönlicheres Ende erleben.

Mass Effect 3 - Launch-Trailer

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Benjamin Jakobs Avatar
Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
In diesem artikel

Mass Effect 3

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

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