Deus Ex: Human Revolution
Träumen Transhumanisten von kybernetischen Schafen?
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Cyperpunk - oder von mir aus auch Cyber-Renaissance - ist als Thema durch.
Diese Aussage mag zum Einstieg eines Tests, dessen Spiel am Ende mit einer sehr guten Note nach Hause gehen wird, seltsam erscheinen, aber es ist genau die inhaltliche Erkenntnis, die man für das Genre ziehen kann. Die Geschichten sind erzählt, hier kommt nicht mehr viel Neues. Nicht ohne Grund haben sich ihre Pioniere wie Gibson, Sterling, Williams oder Stephenson inzwischen aus den dystopischen Häuserschluchten der Sprawls der späten 80er herausbegeben, um in gewandelten Szenarien über den stillen Niedergang der Menschheit zu grübeln. Nach Blade Runner folgten aus Hollywood nur noch ein paar Exoten, die neue Hauptstoßrichtung moderner Science-Fiction funktioniert inzwischen anders, seien es Matrix oder Inception.
Einige der Thematiken, insbesondere die Fragestellung des auf philosophischer Ebene real diskutierten Transhumanismus, sind nach wie vor aktuell und präsent. Aber das klassische Setting der außer städtebaulicher Kontrolle geratenen Slums, kontrolliert von den Resten der Staats-Systeme, in Wahrheit aber gelenkt vom wankelmütigen Willen konkurrierender Riesenkonzerne, hatte seinen Moment - und Deus Ex: Human Revolution hat dem nicht viel hinzuzufügen. Im Gegenteil, es erzählt mit den bekannten Bausteinen besagter Konzerne, moralisch interessierter KIs und menschlicher Hybris die Vorgeschichte zu besagtem, literarisch überholtem Szenario.
Es gelingt Human Revolution immer noch, mit diesen Mitteln eine interessante Geschichte zu erzählen, aber sie unterscheidet sich halt nicht groß von ihren Vorbildern und kommt dem ersten Teil der Deus-Ex-Reihe sogar stellenweise so nahe, dass man ein angedachtes Remake vermuten könnte. Ein Teil dieser Erkenntnis über den Ausklang des Genres mag daher kommen, dass ich mich damit seit fast 20 Jahren beschäftige. Wer noch nie vom Cyberpunk hörte, jetzt vielleicht erst 18, 19 oder 20 wird, als mich das Thema der modernen Weltverschwörungen gerade als Rollenspieler so richtig begeistern konnte, für den wird Human Revolution ein Genuss sein. Sie werden all das lieben, die Verschwörung, die überzogene Größe dieser Vision einer Zukunft, die wir in den 90ern zu den Akten legten, ihre stereotypen Figuren. Es zeichnet eine düstere Welt, die nach einer Vision sucht und sich im Umbruch befindet, dabei das Prinzip Hoffnung aber noch nicht aufgab. Und am Ende wird ein Mann über die Zukunft entscheiden.
Das ist rein vom Erzählerischen her immer noch großartiges Material und Human Revolution nutzt es so gut, wie man es überhaupt nur erwarten kann. Zumindest fast. Bis zum Schluss. Hier teilt es eine Unsitte, die in dem Genre der Science-Fiction selbst häufig genug vorkommt. Am Ende ist das große Ganze so wichtig, dass der Abschied von den plötzlich klein wirkenden Figuren vergessen wird. Der große Umbruch wird zelebriert und während der Feierlichkeiten verlor man die Charaktere aus den Augen. Auch den eigenen Brennpunkt, nämlich die Grundfrage, was es heißt, menschlich zu sein und wie weit dies durch die Möglichkeit physischer und mentaler Veränderungen über Hard(Cyber)ware betroffen ist, wird ein wenig zu knapp gestreift, um zum Ende hin seine ganze erzählerische Kraft entfalten zu können. Trotzdem, insgesamt eine solide, mit den Mitteln des Genres sehr kompetent umgesetzte Geschichte.
Das, womit Human Revolution jedoch wirklich glänzt, ist die Spielwelt selbst. Sie hätte größer sein können, dazu später noch mehr, aber das, was da ist, wurde mit einer Liebe zu Details umgesetzt, die einen tief ergriffen immer wieder innehalten lässt. Vom Kleinen bis zum Großen wurde hier nichts vergessen. Ein ganz leicht futuristischer Stift, nicht weit hergeholte Möbel, Autos, die an aktuelle Zukunftskonzepte erinnern, eine Zigarettenschachtel. All das verleiht dem Anblick dieser Welt eine Glaubwürdigkeit, die man so nur selten in Spielen findet und die meist eher guten Hollywood-Sets vorbehalten bleibt.
Die Architektur orientiert sich an dem, was jetzt ist und denkt es weiter. Daraus ergeben sich die Städte von Detroit und Shanghai mit einer eigentümlichen Mischung aus alt und neu, die man so aus Blade Runner kannte, der hier ziemlich offensichtlich bei vielem immer noch nach fast 30 Jahren Pate stand. Die Straßenschluchten mit kleinen Shops, über denen riesige Werbetafeln leuchten, regennasses Pflaster im Neonlicht, das alte Shanghai, dazu über all dem der thronende Koloss der sterilen Konzern-Arkologie. Eine sonnendurchflutete, hochmoderne Bürowelt im schroffen Kontrast zu der Dunkelheit der Straßen.
Das Leben in diesen Straßen könnte gerade zu Beginn dichter sein. Dann würde der Kontrast zu den späteren Ereignissen in der Handlung und den Veränderungen spürbarer sein. Das ist aber auch schon der Hauptkritikpunkt an der visuell brillanten Umsetzung der Spielwelt. Die Straßenschluchten mit all ihrem Kitsch, ihren real wirkenden Werbungen, Nachrichten und Mode-Verfehlungen zeichnen genau das Bild, dass man in einem Cyberpunk-Spiel sehen möchte. Eine bessere Umsetzung dessen gab es so noch nicht. Ein Gesamturteil über die Grafik von einem technischen Standpunkt aus ist das allerdings nicht. Texturen hätten feiner gezeichnet sein können, Details noch besser herausgearbeitet. Aber mit Momenten wie dem Blick über die Weite des Sprawls herab vom Olymp des Konzerns überspielt Human Evolution solche Kleinigkeiten elegant.