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140 - Test

Prätentiöser Indie-Dreck. Selbsthass. Notwendigkeit als Grenze. 140. Whatever.

Ich hasse diese prätentiöse Indiescheiße. So sage ich häufig genug, wie jeder Teilnehmer unserer Redaktionsrunden bestätigen kann. Dieses 'Artsy-um-des-artsy-Willen' in der Welt der Indies, wo 8-Bit zur Kunst gesoffen wird, weil Bier billiger als eine vernünftige Engine ist. Wo immer der gleiche Fieps-Sound mit diesem treibenden 80s-Beat in das Ohr geht, wo Spielbarkeit ganz groß geschrieben wird, wo Challenge wichtiger ist als Tutorial, wo … Hm, ich mag die Dinger wohl doch, aber ich hasse sie, weil sie hip sind und ich Hipster-tum hasse. Aber Hipster zu hassen, ist hip, eo ipso bin ich wohl auch hip … Fuck, ich bin Trevor.

Solche Selbstrealisation braucht den ultimativen Katalysator und in dem Falle kann ich mir beim besten Willen keinen besseren vorstellen als 140. Fragt mich nicht, wofür die Zahl steht. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich gibt es eine Erklärung und ich müsste nur Google bemühen, aber eigentlich geht es mir voll am Sonstigen vorbei. Ich nehme lieber das Mysterium, als den Blödsinn oder alternativ die Banalität, die sich dazu jemand ausdachte. Dieses Spiel ist eh ein Mysterium in sich, wenn es mit seiner alles bestimmenden Präzision dem Gameplay seinen Beat aufzwingt, euch nach einer über 30 Jahre alten Synthie-Pfeife tanzen lässt und eigentlich so nicht existieren sollte. Nur, dass es nicht anders geht, weil 1981 zu solchem Sound nicht in der Lage war. Zu anderem und ich frage mich, ob der Purismus dieser Zeit, die Störgeräusche der semi-digitalen Welt nicht noch besser gepasst hätten. Sie wären kompromissloser gewesen. Aber von Verweichlichung will ich bei 140 nicht sprechen. Letztlich ist es egal. Die Musik ist eine Krücke, um Aktion mit einem Metronom zu versehen. Wer visuelle Muster lesen kann und ein Zeitgefühl hat, braucht sie eh nicht.

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Es ist pur. Es ist rein. Es ist nicht schön. Oder hässlich. Es ist irgendetwas jenseits von den üblichen Maßstäben der aktuellen Videospiel-Welt. Selbst der Indie-Welt, obwohl es dort zumindest nicht ganz allein unterwegs ist. Am Ende ist es jedoch seine Demut gebietende Schlichtheit, die sich gebräuchlicher Klassifizierungen entzieht, die fasziniert. Es ist das absolute Minimum. Es gibt lediglich zwei Effekte, die selbst auch nur Minimum sind. Insgesamt jedoch ist das Ganze so rein entworfen, dass es ohne Abstriche auf Atari 2600 hätte laufen können, ohne groß an Spaß einzubüßen. Wir sprechen derzeit bei Indies häufig von Spielen, die auf einem einfachen Konzept basieren und dieses eine, meist eigentlich simple und dünne Konzept so gut umsetzen, das sie daraus mehr als genug Spaß ziehen können. 140 ist das Alpha und Omega dessen.

Um diesen angemessen bedeutungsschwangeren Schwall mal kurz zu unterbrechen, der all den Bullshit mitschwingen lassen soll, auf den 140 verzichte, weil es auf alles verzichtet: Worum geht es eigentlich? 140 ist ein Jump-and-Run. Oder besser: Es ist das Proto-Jump-and-Run. Ihr steuert einen schwarzen Klotz, der in Bewegung zu einem Punkt mutiert (Warum? Ist doch logisch: Habt ihr schon mal nen hüpfenden Klotz gesehen. Klar, oder?). Damit hüpft ihr, bis ihr einen kleinen Kuller findet. Der folgt euch dann. Kommt ihr an das Portal, öffnet der Kuller dieses, die Welt verändert leicht den Beat und es geht weiter. Der Klotz kann wirklich nur springen. Das auch absolut präzise definiert. Er kann auf seinem letzten Pixel auf einer Kante stehen, weil er ein Klotz ist. Das ist auch nötig, um die teilweise pervers schweren Puzzles aus Denken und Bewegung zu bewältigen. Ein wichtiger Faktor dabei ist der leicht modernisierte 8-Bit-Beat, der den bewegenden und verschwindenden Plattformen genau sagt, wann sie umzuschalten haben. Ihr richtet euch nach dem Beat, ihr beobachtet, wippt mit dem Finger auf dem Key mit und springt dann, wenn ihr den Rhythmus fühlt. Selbst komplexe Sprungfolgen lassen sich so zu der Musik im Geiste durchspielen und mit einem zumindest minimal existenten Taktgefühl umsetzen. Jump-and-Runs haben nichts mit Reflexen oder Glück zu tun. Zumindest ist es nicht ihre grundlegende DNA. Sie sind mathematisch präzise, kalt, unvergebend, aber fair bis zum allerletzten Millisekundenbruchteil, in der eine Bewegung erfolgen muss. Erfolgt die Eingabe in diesem Augenblick, wird es funktionieren. Wenn nicht, dann eben nicht. Toleranz ist in diesem Genre eine Erfindung von Nintendo. Kein Wunder, dass sie damit als Erste wirklich viel Geld verdienten.

:)

Ich schätze 140 für diese Reinheit. Es ist die wissenschaftliche Definition eines Jump-and-Runs. Es ist kalt, brutal, elegant und auf eine wissenschaftliche Art schön. Damit ist es einer mathematischen Formel zwar näher als einem üblichen Spiel, aber viele Dinge in der Welt lassen sich auf Formeln und Regeln herunterbrechen. Tut man dies lang genug, kommt man zu der Essenz der Dinge. Glaubt zumindest der rationale Geist. 140 ist die Essenz des durch die Marios und Sonics dieser Welt verwässerte Hüpf-Genre. Es kennt keine Figur, keine Story, keine Welt. Es kennt nur Bewegung, Aktion, Erfolg und Scheitern. Es ist macht aus der Reduktion keine Kunst, sondern eine Wissenschaft, die zu Zeiten des Ataris aus der Notwendigkeit heraus gelernt werden musste und es ist gut, an sie erinnert zu werden. Herauszufiltrieren, was wirklich nötig ist, um sehr viel Spaß mit einem Spiel zu haben. Wenn es man es so herunterbricht, wie 140 das tut, dann ist das erstaunlich wenig.

9 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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140

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