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Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes - Test

Präzedenzfall für Bezahl-Demos oder lohnenswerter Ausblick auf Phantom Pain?

Weit mehr als nur ein Teaser, weit weniger als ein ganzes Spiel. Der Auftakt gibt Fans viel Diskussionsstoff und ist so unumgänglich.

Sieben Jahre sind in der Videospielwelt eine Ewigkeit. Schon deshalb ist es mehr als nur verständlich, wenn Konami der Gefolgschaft seines Action-Adventure-Flaggschiffs lieber früher als später neues Futter präsentieren will. Die Aufsplittung des fünften Metal Gear Solid in Hauptspiel und einen separat veröffentlichten Prolog zum Budgetpreis ist trotzdem ein Einfall, wie er einem nur bei dieser Marke kommen kann. Ein neues MGS verkörpert wie wenige andere Spiele diesen verwegenen Ereignischarakter und wenn man es einem Titel durchgehen lässt, dann diesem. Trotzdem wirft Ground Zeroes genau so viele Fragen auf, wie es beantwortet, und ließ mich letzten Endes ein wenig unbefriedigt zurück.

Der Preis von knapp 30 Euro für die Next-Gen-Version ist dabei an und für sich nicht das Problem. Den rechtfertigt das Spiel mit seinen fünf Missionen, reichlich Find- und Freischaltbarem sowie elegant motivierender Leaderboard-Integration durchaus. Zumindest wenn man die Sorte Spieler ist, die sich darauf freut, in den neuen Gameplay-Systemen zu versinken und jeden Stein einzeln umzudrehen. Diese Reihe hatte schon immer ein besonderes Talent dafür, einen hohen Detailgrad und exotische Interaktionseinfälle in ihre Umgebungen zu integrieren und Ground Zeroes ist da keine Ausnahme. Ohne groß darüber nachzudenken, lassen sich gut acht Stunden hierin zu verbringen, auch wenn nur eine der Missionen relevant für die Geschichte ist, die uns später dieses Jahr erwartet.

Das Warten hat ein Ende

Interessant dürfte dieser Vorgeschmack auf Big Boss' nächsten Feldzug daher vor allem für diejenigen sein, die sich fragen, wie sich Snake eine Generation nach dem letzten nummerierten Auftritt an die Neuzeit angepasst hat. Hier leistet Ground Zeroes aufschlussreiche Aufklärungsarbeit mit einem guten Vorgeschmack darauf, was noch kommen mag. Auf einer recht großen Map, die ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager und einen schmalen Streifen angrenzender Küste umfasst, sollt ihr in der zentralen Mission Chico und Paz aus Peace Walker befreien. Wie ihr das macht, bleibt zu einem gewissen Grad euch überlassen, was gut zum Open-World-Versprechen passt, dem Kojima Productions zur Veröffentlichung von The Phantom Pain in Form einer gewaltigen offenen Welt Taten folgen lassen will.

Bösewicht Skull Face hat haargenau einen Auftritt - ganz am Anfang.

Der Weg durch das von Wachtürmen gesäumte und großzügig bemannte Camp obliegt folglich eurer Wahl. Wählt eure eigene Route, späht das Lager vorsichtig aus - oder geht mit regelmäßig und schnell verglühenden Schalldämpfern aufs Ganze, ohne großartig Rücksicht auf Verluste zu nehmen. Patrouillierende Jeeps lassen sich mit Sprengsätzen in Trojanische Pferde verwandeln, auf Ladeflächen fahrender Laster juckelt ihr unentdeckt durch das Lager. Abgesehen von der Tatsache, dass viele der Gebäudecontainer und Zelte leider nicht betretbar sind, sondern eher als Gegnernester dienen, aus denen reichlich Soldaten schlüpfen, wenn ihr den Alarm auslöst, eine wundervoll offene und verspielte Arena für Snakes Schleichrepertoire.

Direkt fällt auf, dass sowohl Soliton-Radar als auch Codec-Gespräche Schnee von gestern sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass ihr auf eine Kartenansicht oder ausführliche Funkgespräche verzichten müsstet. Letztere bindet das Spiel in die bislang recht sparsam eingesetzten Filmsequenzen ein. Und mit der L1-Taste habt ihr jederzeit die Möglichkeit, euren Einsatzleiter Kaz Miller zu dem aktuell unterm Fadenkreuz markierten Objekt zu befragen. Der Gute hat zu erstaunlich vielen Dingen eine Antwort parat, was all denjenigen, die befürchteten, die ausladenden Funksprüche zu vermissen, ein angemessener Trost sein sollte. Es ist einfach schön ins Spielgeschehen integriert und ein echter Schritt nach vorne vom damaligen Stop-and-talk, das so viele Spielabschnitte lange unterbrach.

Alte, neue Technik

Das Radar mit den bekannten Sichtkegeln von damals wich indessen einer Art PDA, dessen Benutzung per Optionstaste die Zeit etwas verlangsamt. Hier lasst ihr euch eine Kartenansicht einblenden und setzt eigene Marker, wenn gewisse Kartendetails eure Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Markieren der Gegner wird euch nun nicht mehr abgenommen. Es lohnt sich folglich, sich bäuchlings auf einen Hügel zu legen und per Fernglas den Abschnitt vor sich auszukundschaften. So markiert ihr einzelne Feinde, die anschließend auch durch Umgebungsobjekte noch leicht hindurchscheinen. Es entsteht nicht mehr der Eindruck, einfach nur umherstreifenden Automaten mit 60-Grad-Blickwinkel aus dem Weg zu gehen. Fühlt sich einfach flexibler an.

"Überhaupt ist es eine große Freude, dass Kojima Productions weiterhin der Möglichkeit die Treue hält, überraschten Gegnern mit gezückter Waffe ein "Hände hoch!" von hinten um die Ohren zu hauen."

Nach der ersten Mission zeigt das Hauptmenü '9 Prozent komplett'.

Ebenso Geschichte: Das Camo-System, das im dritten Teil in nervige Menüarbeit und Prozentpunkteauswertung ausartete und im vierten Teil durch eine schlankere, ansprechendere Variante ersetzt wurde. Jetzt geht es klassischer und irgendwie auch logischer zu, wenn ihr in Schatten und Gräsern in Deckung geht und mit vor Anspannung weißen Fingerknöcheln regungslos darauf wartet, dass eine Wache an euch vorbeizieht. Die unterbrechen ihren eingeschlagenen Weg oft genug, was viele unvorhergesehene, spannende Situationen erzeugt. Wenn es dann auf Reaktionen ankommt, ist das überarbeitete Nahkampfsystem eine große Hilfe, bei dem Schläge, Würfe oder Haltegriffe - mit anschließender optionaler Befragung - fließend und einfach ineinander übergehen.

Überhaupt ist es eine große Freude, dass Kojima Productions weiterhin der Möglichkeit die Treue hält, überraschten Gegnern mit gezückter Waffe ein "Hände hoch!" von hinten um die Ohren zu hauen. Die Momente, in denen man überlegt, ob der Übertölpelte wirklich seine Waffe fallen lässt oder doch den Helden spielt, während sich im Hintergrund schon die nächste Wache gefährlich nähert, sind einige der stärksten im Spiel. Es deutlich befriedigender, einen feindlichen Posten auf diese elegante Art aus dem Spiel zu nehmen, anstatt einfach nur mit der (Betäubungs-)Waffe zum Kopfschuss anzusetzen, wie es in weniger verspielten Titeln gang und gäbe ist.

Und sonst so?

Nach der nicht allzu langen Kampagnenmission stehen vier weitere Nebenaufträge im selben Areal an, die diesmal unterschiedliche Tageszeiten und Wetterbedingungen demonstrieren. Zwei bestimmte Soldaten sollt ihr ausschalten, ein anderes Mal Kontakt mit einem als Wache verkleideten Doppelagenten aufnehmen, den ihr erst identifizieren müsst. Gerade letzterer Einsatz überraschte doch sehr: Nachdem mir mein Kontakt erzählte, er habe die gewünschten Informationen auf einem Tonband in einer anderen Anlage versteckt, machte ich mich auf den Weg. Während ich mich unterwegs an eine enge Passage heranpirschte, stellte ich eine Patrouille gewaltlos. Nur aus Jux begann ich ein Verhör, denn oft verraten Wachen mit einer Pistole unter der Nase sehr nützliche Infos. Auf mein "Spuck's aus" stellte sich jedoch heraus, dass dieser spezielle Kamerad das von mir gesuchte Tonband schon vor mir gefunden hatte. Darauf war ich nicht vorbereitet, aber trotzdem nicht weniger dankbar, denn ich hatte somit meine Mission deutlich schneller beendet.

"Abgesehen von den insgesamt fünf Missionen freuen sich Fans der Reihe über diverse Sammelgegenstände wie etwa XOF-Aufnäher und Audiokassetten."

Werdet ihr entdeckt, schaltet ihr auf rechtzeitigen Tastendruck hin in eine Zeitlupe, die euch die Chance gibt, euren Gegner auszuschalten.

Das und einige andere kleinere Wahnsinnigkeiten, die sich aus dem Sandbox-artigen Aufbau und den vielen ineinandergreifenden Mechanismen ergeben - in einer Attentatsmission rammte ich mein in einem Fahrzeug fliehendes Ziel an einer Kreuzung mit meinem Wagen in die Seite und erledigte so den Job - spricht dafür, dass MGS noch immer viel davon hält, seinem Gast eine flexible Spielwiese zu kredenzen. Angesichts des doch etwas zu oft militaristisch-bierernsten und bislang ganz und gar nicht verrückt-übernatürlichen Tons, der Ground Zeroes sonst ausmacht, ein vielversprechendes Zeichen. Ich hätte wirklich gerne einen Metal Gear oder sonst einen abgefahrenen Apparat aus Yoji Shinkawas überkandidelter Kriegsfabrik gesehen, stattdessen sieht es bis hierhin nach typischer Kriegsspielware aus.

Abgesehen von den insgesamt fünf Missionen freuen sich Fans der Reihe über diverse Sammelgegenstände wie etwa XOF-Aufnäher und Audiokassetten. Am coolsten aber ist mit Abstand die Leaderboard-Integration. Die vergleicht etwa weiteste Kopftreffer mit verschiedenen Waffen oder auf zwei Autorädern zurückgelegte Distanzen online mit Freunden und Fremden. Ich kann mir gut vorstellen, dass im fertigen Spiel ganze Wettbewerbe ausgetragen werden und Leute Szenarien herausarbeiten, die etwaige Rekordversuche begünstigen. Ein Spiel im Spiel, das der neuen Generation gut zu Gesicht steht.

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Spielerische Fragezeichen ergeben sich angesichts des arg schwimmenden Fahrverhaltens der Jeeps und Laster, über das selbst ein Grand Theft Auto 4 nur lachen könnte. Es ist, als hätte Kojima Productions die Stoßdämpfer mit der Brustphysik von Dead or Alive Beachvolleyball ausgestattet. Zugegeben, ich würde in der weiten Wüste von Phantom Pain ohnehin ein Pferd bevorzugen. Angesichts der Distanzen und der großen Rolle, die fahrbare Untersätze im Allgemeinen spielen werden, ist ein derart unausgegorenes und benutzerfeindliches Fahrgefühl doch sehr verwunderlich. Wer im Team hat das getestet und sich gesagt, "Ja, das fühlt sich gut an, kann so bleiben"?! Dazu sieht das Spiel zwar schon detailreich aus und läuft vor allem sehr flüssig über den Schirm, doch das erkauft sich die Fox-Engine mit Felsen, Sträuchern und anderen Details, die sich etwas zu spät und damit sehr auffällig aus dem Nichts ins Bild schälen. Wie soll das bei dem weiten Horizont des Hauptspiels und bei hohem Tempo in Autos oder im Sattel eines Gauls erst werden?

"Über allen Unklarheiten und unbestreitbar vorhandenen Qualitäten thront aber vor allem die Frage nach dem Warum."

Kiefer Sutherland macht seinen Job sehr gut, alle anderen hinken ein bisschen hinterher.

Über allen Unklarheiten und unbestreitbar vorhandenen Qualitäten thront aber vor allem die Frage nach dem Warum. Klar, kann man genügend Spielstunden in diese glorifizierte Demo stecken, dass es einem um das Geld nicht allzu schade ist. Auf narrativer Ebene könnte man Ground Zeroes aber in Hundert Worten abhaken und müsste dabei nur Randdetails ausblenden. Schon vor dem Spiel kannte man die Ausgangssituation für The Phantom Pain, dafür haben die ersten Trailer und Teaser gesorgt. Ground Zeroes plappert dies lediglich noch einmal nach und malt ein paar Details spielerisch aus. Man hat nicht das Gefühl, etwas von echter Konsequenz zu erfahren, wird emotional nicht wirklich mitgerissen und ist hinterher nur wenig schlauer als zuvor. Wer MGS wegen seiner Geschichte spielt, kommt nicht umhin, unbefriedigt aus diesem Erlebnis hervorzugehen.

Zudem hatte ich auch mit der Inszenierung stellenweise meine Probleme. In einer Szene hören wir durch die Ohren eines Charakters, sehen durch die Augen eines anderen, bisher unidentifizierten, während über diese getrennte Tonspur und Perspektive ein verschwurbelter, militaristischer Dialog zweier Figuren ertönt, die ebenfalls noch nicht vorgestellt wurden. Es ist keine gute Regie, wenn Meister Kojima komplex und kompliziert für dasselbe Wort hält. Ähnliches gilt für einige unfreiwillig komische Situationen, etwa wenn Snake nach dem Tod von namenloser Soldat 47 auf einmal einen wutentbrannten Schrei ausstößt oder - ich mach's ohne Spoiler - etwas genüsslich aus einem... hm... Ort... sagen wir mal "herausgepult" wird, was dort nie im Leben hineingepasst hätte.

Ground Zeroes ist nicht einfach zu empfehlen. Spielerisch sind es zwei Abende Missionsspielerei und ein paar sehr motivierende Stunden Highscore-Jagd. Ich bereue keine Sekunde, war mit großer Neugierde, Spannung und Interesse dabei und freue mich jetzt umso mehr auf das fertige Spiel. Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass es als Teil von The Phantom Pain besser aufgehoben gewesen wäre. Unterm Strich ist die Auskopplung dieses Prologs eine etwas anmaßende Kapriole, auf die man auch hätte verzichten können. In denjenigen, die sich nach einem Wiedersehen mit Snake verzehren, wird sie wohl dennoch dankbare Abnehmer finden.

7 / 10

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