Bound by Flame - Test
Nein, es ist wirklich kein Witcher 2. Aber das ist sein kleinstes Problem.
So nah und doch so fern... Eigentlich hat Bound by Flame ja fast alles, was es braucht, um ein kleiner Bruder von Witcher 2 zu sein. Sicher, die Gebiete sind nicht so groß, die Nebenaufgaben nicht so zahlreich, die große Geschichte ist sehr viel einfacher gestrickt und auch sonst alles etwas gestauchter. Aber das allein muss noch keinen schlechten Rollenspielabend bedeuten. Schließlich gehört es zu diesem Genreleben ja auch mal dazu, einfach nur einem Frostdämon eins überzubraten. Nicht kompliziert, aber mit ein paar kleinen, heldenhaften Stolpersteinen garniert schon völlig OK.
Vor allem, wenn man einen Trupp nicht unsympathischer und vor allem recht unterschiedlicher NPC-Begleiter dabei hat. Leider kann man praktisch immer nur einen an der Seite haben, schließlich soll den Monstern ja auch eine Chance bleiben. Da an einer oder zwei Stellen gezeigt wird, dass es eben auch zu dritt gehen kann, fühlt es sich immer erzwungen an. So müsst ihr euch halt etwas entnervt entscheiden, ob ihr lieber die Heilerin, den Bogenschützen, einen Krieger oder den Kampfmagier dabei habt. Am Ende werdet ihr sie in euren Gedanken und Planungen auf ihre Klasse reduzieren, aber man muss es dem Entwickler anrechnen, dass die Namen zumindest nach einem Weilchen vertraut wirken. Das liegt an den kleinen Dialogen, die zwar mitunter etwas erzwungen "erwachsen" - pubertär ist wahrscheinlich das bessere Wort - und schizophren ablaufen. Dass jemandes Vater gerade getötet wurde, merkt man nur an jeder zweiten Zeile der folgenden Minuten, dazwischen ist es ein normaler Plauderton.
Das sind eben die Hürden, die man als übersichtlich großes Team in Kauf nimmt, wenn man sich an ein verzweigtes Rollenspiel wagt, das euch auch mal vor Entscheidungen mit Konsequenzen stellen möchte. Oder dies zumindest andeutet, denn eigentlich ändert sich nie wirklich etwas. Gleich eine der ersten Entscheidungen ist ein schönes Beispiel dafür. Beide Antworten führen zum exakt gleichen Ergebnis. Das fällt natürlich nicht beim ersten Spielen auf, es sei natürlich, die PS4 stürzt genau danach ab und man wiederholt das Ganze mit der anderen Antwort. So entsteht ein unschöner Einblick, wie begrenzt es hinter den Kulissen von Bound by Flame zugeht. Andere Stellen entscheiden, welchen NPC ihr alternativ an eurer Seite habt, wie euer Weg in ein paar Details verläuft und wen ihr hier oder da bekämpft. Es gibt Variation, aber erwartet keine Welten.
Bleiben wir für den Moment noch bei den Dingen, bei denen das Spiel auf der richtigen Spur ist. Das Interface ist aufgeräumt und komfortabel, was den Zugang zu den nicht gerade ausufernden Crafting-Gelegenheiten für neue Pfeile oder Heil- und Manatränke deutlich leichter macht. Da das Spiel bis auf zwei eher bescheidene Dörfer und eine Handvoll Händler keine Infrastruktur auf seinem sehr linearen Weg kennt und Letztere obendrein gierig sind, ist das lebenswichtig. Auf diesem Weg lassen sich auch die gefundenen Waffen mit besseren Fertigkeiten versehen, wobei hier wieder ein unschöner Einblick in die Kleingeistigkeit des Spiels entsteht. Statt wirklich etwas Relevantes zu bewirken, geht es im besten Fall um plus zehn Prozent Magieresistenz oder ähnliche weltbildverschiebende Kracher. Ein Rollenspiel, das nicht ein einziges Mal vermittelt, jetzt endlich wirklich mal etwas Cooles und Mächtiges gefunden zu haben, das einen zumindest für ein Weilchen Spaß haben lässt, macht etwas Grundlegendes falsch.
Der wohl größte Moment kommt nach der ersten Stunde, als der nur sehr bescheiden konfigurierbare Held von einem Dämon beseelt wird. Er gibt ihm Feuermagie, was gegen Eiskreaturen natürlich klasse ist, aber will euch auch seinen Willen aufzwingen. Die Idee ist, dass der Held im Konflikt zwischen der Verlockung der Macht des Dämonen und seiner eigenen Menschlichkeit hin- und hergerissen ist. Praktisch bedeutet es gar nichts. Der Dämon im Kopf ist ein sehr selten mal einen Kommentar einwerfender NPC, dem ihr einfach den Mittelfinger zeigen könnt, ohne echte Konsequenzen fürchten zu müssen. Die richtige Übersetzung für das Schlagwort "zwischen korrumpierender Macht und der Seele entscheiden" muss eigentlich "zwischen dem meist etwas kürzerem Weg und der netteren, aber auch nicht komplizierten Lösung wählen" heißen. Klingt doch gleich weit weniger sexy und dramatisch.
Vor allem aber leidet das Spiel in seinem eh schon kurzen Ablauf - je nach Spielweise und Komplettierungswunsch 7 bis 10 Stunden - und seiner Dramaturgie unter einem Phänomen, das kleine wie große Genrevertreter strafen zu scheint. Schon Witcher 2 litt unter seinem unterentwickelten dritten Akt, das weit kleinere Demonicon wirkte zum Schluss auch sehr leer. Bound by Flame wechselt sein Tempo von einem recht freien Waldgebiet mit einem Dorf als Hub und vielen kleine Questen über eine noch ganz nette Rückeroberung einer leider komplett zerstörten Stadt hin zu einem extrem langweiligen Minilabyrinth ohne jegliches Merkmal, an dem Auge oder Hirn kurz haften bleiben würden. Es ist ein billiger Spießrutenlauf von stärker werdenden Feinden. Eine reine Fleißaufgabe, bei der die Handlung eine lange Pause einlegt und euch stattdessen ordentlich Kilometer machen lässt.
Das wäre gar nicht so schlimm, wenn der Kampf Spaß machte. Leider ist das der Punkt, der dem Spiel da Genick bricht, und das tut mir wirklich leid. Ich will, dass das, was man sich hier ausdachte, funktioniert. Im ersten Moment erinnert das Action-System an Dark Souls. Stupides Draufhacken wird bestraft, geschicktes Kontern, Ausweichen und Ausnutzen von Schwächen belohnt. Wenn es doch nur funktionierte. Gegen einen oder gerade noch zwei Feinde klappt es halbwegs, aber gut fühlt es sich auch da nie an. Ihr habt eine Kriegerhaltung, in der ihr mit einem dicken Schwert blockt, die Deckung aufbrecht oder kontert. Sie ist sehr statisch und gegen einzelne Feinde durchaus effektiv. Gegen mehrere jedoch geht es gar nicht, da sie euch einfach umkreisen und nach Strich und Faden vermöbeln. Kein Problem, dafür ist ja die Ranger-Haltung da, in der ihr mit zwei Langdolchen schnell ausweichen und euch sowieso mehr bewegen sollt.
Ein paar satte Probleme jedoch verhindern, dass dieses Wechselspiel so richtig funktioniert. Die Feinde greifen sehr schnell an und haben fast immer Rückendeckung von Fernkämpfern. Selbst der kurze Wechsel zwischen Krieger und Ranger bedeutet schon, den einen oder anderen Treffer kassieren zu müssen. Als Ranger könnt ihr nicht seitlich ausweichen, nur nach hinten und oft genug damit in die Reichweite des nächsten Gegners, der sich sehr über den Anblick eures ungeschützten Rückens freut. Die generischen Angriffe sind auch nicht zimperlich: Steckt ihr eine Handvoll guter Treffer ein, war es das. Wenn das in einer Ecke passiert, was bei den engen Räumlichkeiten keine Seltenheit ist, bleibt nicht mal Zeit für einen Heiltrank, ihr werdet einfach zu Boden gemobbt. Überhaupt, der Mob. Bei einem Gegner vor euch könnt ihr lesen, wann ihr ausweichen und kontern müsst. Stehen drei vor euch, bilden sie einen undurchsichtigen Pulk, der jedes Manöver auf pures Glück reduziert. Da sie auch nicht wieder ausschwärmen, sondern gemeinerweise auch in der Regel aufeinander hocken bleiben, enden viele Kämpfe in Chaos und Frust. Ich habe ehrlich keine Ahnung, wie man das auf den hohen Schwierigkeitsgraden vernünftig spielen soll, selbst „Mittel" halte ich teilweise schon für schlicht unfair aus genau diesen Gründen. Schnell schwankt das wohl wichtigste Spielelement, mit dem ihr einen guten Teil von Bound by Flame verbringt, ausschließlich zwischen Langeweile und Frust hin und her.
Die KI-Gefährten - oder vielmehr der eine, den man zu einem Zeitpunkt immer dabei hat - sind kaum zu mehr in der Lage, als einen Gegner zu beschäftigen, indem sie sich von ihm verdreschen lassen. Alles andere sind lediglich gelegentliche Zufallstreffer und eine kleine Erleichterung. Zugegeben, mehr hätte ich vom Start weg auch nie erwartet, aber eine KI, die gezielt in der Lage ist, einem den Rücken freizuhalten, hätte viel wettmachen können.
Technisch solltet ihr keine Wunder erhoffen, aber ehrlich gesagt wurde es am Ende mehr, als ich erwartet hatte. Es sieht nicht wirklich toll aus, die Charaktermodelle sind eher Last-Gen, die Landschaften kämpfen ständig mit zu viel Lichteffekten oder zu wenigen Details, aber es hat seinen durchgehenden Stil, und er passt zu dem generischen Fantasy der Handlung. Das ist in meinen Augen nichts unbedingt Schlechtes, aber das macht es nicht zu dem Spiel, mit dem ihr die Power der PS4 vorführt oder zeigt, was für eine tolle Grafikkarte im Gehäuse steckt. Vor allem an denen Stellen des letzten Kapitels, an denen die Performance in die Knie geht und der Kampf in eine gar nicht so unpraktische Zeitlupe.
Bound by Flame hatte das Zeug, Sympathien zu gewinnen, und in den ersten Stunden dachte ich auch noch weit besser über das Spiel. Die Figuren waren trotz teilweise eher neben der Spur laufender Dialoge nett genug, die Handlung ließ sich harmlos vertraut an und alles lief auf ein paar solide Action-RPG-Abende hinaus. Mit der wachsenden Zahl der Feinde und den immer deutlicher werdenden massiven Defiziten im Kampfsystem, dem daraus resultierenden Frust und der Enttäuschung, den immer uninteressanteren Umgebungen und der ab einem gewissen Punkt einschlafenden Handlung jedoch blieb nur etwas übrig, das ich nun noch unter Umständen als tolerabel bezeichnen würde, wenn gerade sonst nichts im Haus ist. Ich hasse diese "Kann man spielen, tut nur ein bisschen weh"-Games. Sie sind gerade noch gut genug, um zu erkennen, was sie hätten werden können; man klammert sich an das, was da ist, und redet es sich für ein Weilchen schöner, als es ist. Aber das ist Stochern im Nebel auf der Suche nach etwas, das es hier nicht zu finden gibt.