Splatoon - Erste Gedanken zur Farbverteilung
Ein Shooter, der gar keiner ist - und wie ihn nur Nintendo machen konnte.
Splatoon will in erster Linie Online gespielt werden. Und weil das im Vorfeld der Veröffentlichung noch nicht ganz rund lief, heben wir uns unser abschließendes Urteil für die Woche nach dem Verkaufsstart auf. Hier lest ihr die ersten Eindrücke nach rund acht Stunden Online-Mehrspieler. Vorneweg kann ich bereits sagen, dass es durchaus überraschte, schon so früh vor der Veröffentlichung genügend Mitspieler zu finden. Zugegeben, ich spielte fast immer mit denselben Leuten, musste immer wieder lange Wartezeiten aussitzen. Aber immerhin spielte ich überhaupt. Das ist in diesem Segment alles andere als selbstverständlich.
Man merkt direkt, Nintendo ist ein neuer Player in diesem Genre, hält sich nicht an übliche, eingeschliffene Standards. Gleichzeitig ist auch die geringe Erfahrung in Sachen Onlinespiele nicht zu übersehen. Optionen zur Spielerstellung gibt es vermutlich nur, wenn man mit und gegen Freunde antritt, und hat man derer keine sieben, kommt auch kein Spiel zustande und man muss sich ins Matchmaking stürzen, bei dem man keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten hat, was Kartenauswahl, Matchlänge und so weiter angeht.
Auch hier gilt: Kommen keine acht Spieler zusammen, wird das Matchmaking abgebrochen, sobald der (lange) Countdown-Timer ausläuft. Warum kann man eine Partie nicht auch zu sechst angehen? Das weiß wohl nur Nintendo. Weiterhin ist zu kritisieren, dass die Spielvermittlung hier und da die Erfahrungslevel der Spieler nicht immer fair ausbalancierte. Vier Spieler der Stufen fünf und sechs standen einmal einer Mannschaft mit gleich zwei Spielern gegenüber, die sich Level 20 näherten - dem höchsten, den ich bisher sah. Um fair zu sein, das kann sich mit erhöhten Spielerzahlen dann auch schnell ändern. Abwarten.
Ebenso unbegreiflich sind die fehlenden Informationen während man auf den Start des Spiels wartet. Warum sehe ich nicht, welche Waffen meine Mitspieler mit in die Arenen bringen? Angesichts der doch sehr spezialisierten Farbkleckser würde ich die Möglichkeit zur Koordination mit meinen Mitspielern doch sehr begrüßen. Automatik-Ballerer, gezieltes Spritzgewehr mit großer Reichweite und Aufladefunktion oder gigantischer Farbroller begünstigen nämlich jeweils unterschiedliche Rollen und Spielstile. Dummerweise kann man sein Loadout so oder so nicht editieren, während man darauf wartet, dass die Vermittlung das Teilnehmerfeld komplettiert (ebenso wenig ist es vorgesehen, dass man das Matchmaking auf Knopfdruck verlassen kann). Stattdessen spielt man ein Minispiel auf dem unteren Gamepad-Bildschirm. Das ist zwar nett und charmant, verliert während der langen Wartezeiten schon bald an Zugkraft. Es ist einfach schade, dass man eine komplett funktionierende Runde verlassen muss, wenn man etwa vom Farbroller auf die Bazoooka umsteigen möchte.
Ach so, der Sechs-Tonnen-Elefant, der da in der Spiellobby steht? Das ist der Verzicht auf einen Sprach- oder wenigstens Text-Chat in Splatoon. Es geht auch ohne, denn die Koordination kommt durch die Mini-Karte und die verschiedenen Waffen ins Spiel, deren unterschiedliche Einsatzbereiche sich für bestimmte Aufgaben fast von selbst aufdrängen. Doch Nintendos neue Marke spielt sich deutlich anders als alle anderen Spiele, in denen man mit einer Art Waffe auf andere Spieler anlegt. Insofern wäre irgendeine Form der Kommunikation der Spieler untereinander sehr wünschenswert gewesen, damit Veteranen Neueinsteiger ein wenig unter ihre Fittiche nehmen können. Gibt es nicht, wofür man in erster Linie Nintendos familienfreundlichen Ansatz verantwortlich machen darf, der nicht vorsieht, dass sich die Spieler neben Farbbomben auch wüste Beschimpfungen an den Kopf werfen.
Das klingt jetzt nach einer wahren Polonaise an Online-No-Gos, doch bis auf den fehlenden Chat können sich viele dieser Dinge durch spätere Updates noch ändern. Ist man erst einmal im Spiel, ist diese Sorte Früh-2000er Netzplanlosigkeit schnell wieder vergessen. Denn der zentrale Turf-War-Modus, in dem beide Teams möglichst viel Boden der aktuell spielbaren vier Maps in ihrer jeweiligen Farbe kolorieren müssen, ist ein echter Paradigmenwechsel zum üblichen Shooter-Tagwerk. Tatsächlich werden sich Fans kerniger Ballerspiele sehr umstellen müssen, wenn die Spritzpistolen plötzlich nur noch fünf bis zehn Meter weit schießen und Feinde blitzschnell als Oktopus in einer Pfütze ihrer eigenen Farbe verschwinden und den Rückzug antreten. Gleichermaßen ist das Trefferfeedback kaum zu spüren, immerhin treibt man hier kein Projektil in den Leib seines Gegners, man saut ihn nur in Grellblau, -grün, -orange oder -lila ein.
Das resultiert in einem Kampfverlauf, bei dem die Spieler genau überlegen sollten, ob sie nun ihren Gegnern in deren Territorium nachstellen, das eigene vor ihnen absichern, bereits verlorene Flächen zurückerobern oder noch gar nicht gefärbte vereinnahmen sollen. Den Spielverlauf im Blick zu haben und blitzschnell die Entscheidung zu treffen, wann verteidigt, wann angegriffen und wann den Mitspielern assistiert wird, ist der Schlüssel zum Sieg und sorgt bei Runden von nur drei Minuten immer und immer wieder für eine atemlose Dynamik.
Gerade der Wechsel zwischen humanoider und Tintenfischform ist ein kleiner Geniestreich. Zu Fuß läuft es sich recht träge, die gegnerische Farbe ist wahres Gift und selbst die eigene bremst einen deutlich, steht man schon knietief im Pigment-Morast. Als Kopffüßler dagegen mit einem Affenzahn durch die knalligen Pfützen zu schlingern, auf Wunsch sogar die Wände hoch, und sich so einem feindlichen Kreuzfeuer zu entziehen und den Gegnern dann noch "tödlich" in die Seite zu fallen, das ist eine Taktik, die es so nur hier gibt und für einige spektakulär spannende Nahkämpfe sorgt. Ganz zu schweigen davon, dass diese Art der Fortbewegung eine einzige, durch und durch nintendohafte Freude ist.
Zugegeben, ein bisschen arrangieren muss man sich schon damit, dass die künstlerische Gestaltung nicht ganz dem hohen Standard des japanischen Traditionsunternehmens entspricht. Es ist alles eine Idee zu knallig, zu aufgeregt und stellenweise einfach zu sehr den Neunzigern verhaftet, als dass die Inklings und ihre Tintenfisch-Alter-Egos jemals den ikonenhaften Charakter eines Kirby, Link oder gar Mario erreichen würden. Aber es fühlt sich nach Nintendo an, erfreut schon in den kleinen Interaktionen mit seinem schieren Enthusiasmus. Jetzt muss ich mich nur noch an die Sticks des Tablet-Controllers gewöhnen, die genaues Zielen nicht eben einfach machen. Nintendo scheint das zu wissen und aktiviert standardmäßig das Zielen per Tablet-Schwenk, was nach einiger Eingewöhnungszeit ganz gut funktioniert. Farbroller und Automatik-Farbpuste bereiten mir schon jetzt nur noch wenige Probleme. Zum abschließenden Test werde ich euch wissen lassen, auf welche Kontrollmethode ich mich schließlich eingeschlossen habe.
Ebenfalls wird dann zu klären sein, ob Splatoon auch abseits des unterhaltsamen, aber bis dato prinzipiell gleichförmigen Turf-War-Online-Modus auf bisher fünf Maps etwas zu bieten hat. Bis hierhin zeigt sich der Einzelspielermodus als netter Plattformer mit interessanten Bosskämpfen, während uns die Ranked Battles, in denen auch der Zonenkontrollmodus "Splat Zones" wartet, noch verschlossen. Alleine vor dem Monitor geht die geballte Energie des Vier-gegen-Vier aber generell und bislang etwas verloren. Wir sehen nach der Veröffentlichung, ob sich die Anschaffung der Kleckserei auch dann lohnt, wenn man nicht vorhat, sich online Farbschmeißereien mit Freunden und Fremden zu liefern. Für den Moment jedoch spricht trotz der ungelenken Online-Integration alles für ein durchweg eigenständiges und frisches Partyspiel, das besonders für Zwangsneurotiker Himmel und Hölle zugleich werden könnte.