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Yoshi's Woolly World - Test

Geschaffen aus Wolle und zu viel Alternativen

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Für Kinder und Sucher: Schwächen im Leveldesign werden gekonnt mit Woll-Look und cleveren Extra-Verstecken kaschiert.

Selten hatte ich ein so kompliziert einzuschätzendes Spiel vor mir wie Yoshi's Woolly World. Ich nehme hier als Maßstab die anderen Nintendo-Jump-and-Runs, zurück bis in die 8-Bit-Zeit, denn das sind die Spiele, die ich als Kind gespielt habe, und es ist deutlich, dass sich hier etwas an der Philosophie verändert hat. Die Wahrnehmung damals war, dass eh alle Spiele Kindersache sind, und damit war Mario automatisch ein „Kinder"-Spiel. Spielt mal heute SMB 3 oder Super Mario World. Ab Welt 4 spätestens geht der Schwierigkeitsgrad deutlich nach oben. Das Level-Design vollführt wahre Kunststücke, es gleichzeitig schwer, aber immer fair zu halten. Frustrierend? Ja, stellenweise auf jeden Fall. Herausfordernd im besten Sinn? Absolut. Dadurch motivierend, es doch zu schaffen? Immer wieder und über Wochen hinweg.

Farben und 'Material' springen geradezu aus dem Bildschirm heraus und man will anfassen und fühlen.

Dieser Ansatz hat sich bei Mario nie wirklich geändert. Die Spiele sind wirklich für alle Altersklassen erprobt und kaum ein Kind hat je ein Mario zur Seite gelegt, weil es ihm zu schwer war. Im Gegenteil: Achtjährige haben mir stolz gezeigt, dass sie die 120 Sterne bei Mario 64 geholt haben, etwas, das ich selbst nie geschafft habe. Nun, das ist alles ein paar Jahre her und die Welt hat sich geändert. Achtjährige haben heute schon fast in der Regel eigene Tablets, Zugang zu zig TV-Kanälen, DVDs und anderen Entertainment-Dingen, von ganz normalen Spielsachen mal ganz zu schweigen. Die Aufmerksamkeitsspanne des individuellen Kindes hat sich vielleicht nicht geändert, die Notwendigkeit, sich mit etwas auseinanderzusetzen, schlicht weil nichts anderes, qualitativ Gleichwertiges verfügbar war, dagegen drastisch. Wenn etwas zu schwer ist, dann muss ein Kind sich nicht reinknien, es wird zu einem anderen Spiel oder gleich einer anderen Entertainment-Form wechseln. Ihr könnt ja mal die Probe machen, wenn ihr mutige und leicht verantwortungslose Eltern seid: Nehmt euren Kids alles weg bis auf Dark Souls. Nach einigen Tagen habt ihr plötzlich Profis. Jede Nacht von Albträumen geplagte Profis, aber Profis. Wie gesagt, die Bereitschaft, sich mit etwas zu beschäftigen, hängt auch von der Verfügbarkeit von Alternativen ab und demnach gibt es eigentlich nur insoweit einen kindgerechten Schwierigkeitsgrad, als dass dieser die Schwelle des Scheiterns niedrig genug ansetzt, um diesen Wechsel zu verhindern, und nicht, dass es einfacher ist, weil das Kind dazu nicht in der Lage wäre.

Was uns zurück zu Yoshi's Woolly World bringt. Das Spiel ist für jeden Videospieler - egal welchen Alters -, der eine Herausforderung in seinen Spielen schätzt, viel zu leicht. Wenn euch Sammeldinge und Bonus-Stages egal sind, dann wandert ihr hier ungehindert in acht Stunden von links nach rechts durch alle Welten. Schuld daran ist Yoshi. Sein Gimmick ist, dass er Wollknäuels frisst und damit Gegner über den ganzen Screen hinweg zielsicher abschießt. Noch dazu hat er einen Schwebesprung, bei dem er mit den Füßen in der Luft rudert und so noch ein paar Sekunden Air-Time gewinnt, um die nächste Plattform auf jeden Fall zu erreichen. Nehmt jetzt noch Level dazu, die zu 90 Prozent sehr großzügig angelegt sein, was die erforderliche Präzision angeht, und ihr habt das einfachste Jump-and-Run, das Nintendo je veröffentlichte. Für Hüpfveteranen auf der Suche nach der Herausforderung ist das nichts.

Trickshot mit Wolle.

Jetzt kommt aber der Kniff, der beweist, dass Nintendo sehr genau weiß, was sie da tun. Die Level mögen einfach zu lösen sein, es gibt aber jede Menge Zeugs zu finden, zu sammeln und freizuschalten. Wenn man erst mal bei etwas ist, das prinzipiell Spaß macht und einem keine Hürden aufbaut, erkundet man es gerne weiter oder so die Überlegung dahinter. Und hier liegt die Herausforderung von Woolly World, zumindest in einem relativen Sinne. Am wichtigsten sind Blumen, die Bonus-Stages freischalten. Darüber hinaus gibt es aber auch noch zwei andere Sorten an Collectables, die dann aber wirklich mehr dem Erkundungsdrang als dem Freischaltimpuls dienen.

Jetzt zeigt sich auch, dass der Anfangsverdacht, nämlich dass Big N bei diesem Spiel vorübergehend mal vergaß, wie man einen Level designt, zum Glück unbegründet ist. Die Verstecke des ganzen Krams sind teilweise banal, teilweise brillant, es lädt einen immer ein, etwas mehr vom Level zu erforschen und zu entdecken, zu sehen, wie groß diese teilweise sind und welche wundervollen Nischen sie für den bereithalten, der sie finden möchte. Hier zeigt sich mitunter die ganze Klasse des Könnens im Stage-Design, wenn ihr eine halbe Stunde nach dieser verdammten letzten Blume sucht und dafür auch schon mal todesverachtend herumhopst, euch denkt, wie man das hätte erraten sollen, und dann die subtilen Hinweise im Nachhinein erkennt. Noch dazu gibt es immer wieder mal die eine oder andere Stage, die echte Mario-Klasse zeigt und in der dann auch ein Saurier zumindest alle Stunde mal beweisen muss, dass er eine präzise Landung hinlegen kann, wenn er muss.

Wenigstens kann man Yoshis im Spiel sammeln. Die Amibos sind eh schon wieder alle ausverkauft.

Was Woolly World aber wirklich auszeichnet und was ihm einen besonderen Platz im Herzen aller einräumt, bei denen dieses metaphorische Organ noch nicht völlig versteinert ist, das ist sein Look. OH MEIN GOTT! IST DAS SÜÜÜÜÜÜÜß!!! Das in Kirby's Epic Yarn begonnene wollige Äußere wurde hier absolut perfektioniert. Das Spiel ist nicht programmiert, das wurde gestrickt! Und nicht nur das, es holt aus der Idee auch noch eine Menge heraus, indem mal die Welt aufgerebbelt wird, um Wege und Abkürzungen freizulegen, mal kommen die kleinen Shy Guys mit Strickhaken, um dem Saurier an die Essenz zu gehen, mal zupft ihr im Gegenzug an der Wolle des Feindes herum, wenn ihr sie nicht gerade mit Knäulen unter Beschuss nehmt. Auch das Ausfüllen von „Strickmustern", indem ihr sie mit immer reichlich verfügbaren Wollknäuels beschießt, sieht nicht nur drollig aus und zaubert immer wieder auf dem Screen, es hat auch spielerische Anreize. Wollt ihr nämlich alles finden, werdet ihr das ziemlich häufig tun. Immer wieder finden sich solche Gimmicks und der Hund, auf dem ihr gelegentlich reitet, der mit seiner Wollzunge herumhechelt, ist ab sofort der neue König des Knuddels.

Yoshi's Woolly World ist nicht nur süß, es ist ein kleines, kunstvolles Meisterwerk, so plastisch springen „Material" und Farben aus dem Bildschirm. Manche Dinge kann Nintendo einfach wie kein anderer und so niedlich Little Big Planet auch ist, das hier ist noch mal eine andere Liga von knuffelig. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Selbst in einer Videospielwelt, die langsam den Grautönen entsagt, ist das immer noch seine eigene Klasse. Das Kunststück zu vollbringen, sich bei so einem Design immer auf der richtigen Seite vom Kitsch zu halten, sodass man es einfach nur drücken möchte, das kann man einfach nur bewundern.

Bei Levelthemen bleibt es, nun, nennen wir es mal 'Nintendo-klassisch'. Feuer, Eis, Wüste und so weiter...

So, was soll man am Ende also davon halten? Nun, erst einmal, dass das nicht das Spiel ist, das ihr braucht, wenn es die nächste große Herausforderung im Hüpfen sein soll, vor allem wenn ihr keine Lust habt, Level abzugrasen. Erfahrene Marionisten werden hier etwas gelangweilt durchpowern, selbst wenn nicht einmal sie sich dem Reiz der Wolle entziehen können. Und eigentlich will ich auch nicht belohnen, dass das Spiel genau das Richtige in der heutigen Realität des Entertainment-Angebots tut. Es baut keine Hürden auf, sondern überlässt es dem Spieler, diese mit den etwas komplizierter versteckten Extras auszuloten. Das ist für mich einfach nicht das Gleiche, aber es ist sicher immer noch weit besser, wenn die Kleinen sich von der Magie eines solchen immer noch durchweg kompetenten Hüpfers einfangen lassen und nicht nach zehn Minuten zu Candy Crush oder Temple Run wechseln. Wenn das der Preis ist, der dafür gezahlt werden muss, dann sei es so. Also: Für die Kleinen und alle, die bereit sind, sich den spielerischen Anspruch bei den Sammelsachen abzuholen, ist das nicht nur eines der derzeit Besten: Yoshi's Woolly World ist ganz klar das Niedlichste, was es unter der Sonne anzuschmachten gibt.

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