WWE 2K16 - Test
Wieder obenauf.
Die WWE steckt gerade schlimm in der Einschaltquotenkrise und im letzten Jahr hätte man "Krise" durchaus auch über das Videospiel-Äquivalent sagen können. Es war eines dieser typischen Brückenspiele, wenn eine jährlich erscheinende Serie zum Sprung auf eine neue Generation ansetzt: Geradezu mickrig klein, stellenweise ein bisschen hässlich und insgesamt einfach nicht der Rede wert, ging es sang und klanglos berechtigterweise in der Herbstschwemme unter.
Ich muss zugeben, ich liebte Ende der Neunziger die sehr technischen und Grapple-freudigen Wrestlingspiele von THQ und AKI und konnte mich mit Yukes Output nie so ganz anfreunden. Demzufolge hat es dieses Jahr eine ganze Weile gedauert, bis der Groschen fiel, ich mich von den warmen Erinnerungen an WWF No Mercy trennte und WWE 2K16 als das akzeptierte, was es ist: Sicher nicht die Krone der Kampfspielkunst, aber doch ein gelungenes Abbild des "Sports Entertainment"-Zirkus, in dem für den Moment weit mehr Leben steckt als in der realen WWE.
Im Ring fühlt sich das Spiel deutlich besser an als im letzten Jahr, weil vor allem die Bewegungen und deren Übergänge zum Glück deutlich fließender sind. Schläge und Tritte sehen deutlich mehr nach Kontakt aus als noch zuvor und die virtuellen Superstars verkaufen die Treffer auch ganz ausgezeichnet. Würfe und Würgegriffe sind optisch gut umgesetzt und allgemein geht das Ringgeschehen gut, eingängig und nicht zu kompliziert von der Hand. Ich persönlich hätte allerdings auf die Quick-Time-Events in einigen der Showcase-Matches gut verzichten können und allgemein scheint es nicht unbedingt elegant, dass sich Yukes in einigen Bereichen auf derartige Minispiel-artige Systeme stützen muss.
Dann wiederum, es funktioniert! Und eine bessere Idee, Aufgabegriffe umzusetzen, als das Minispiel, bei dem man den Cursor des Gegners um einen Kreis herum nachjagen muss, ist auch dem brillanten UFC Undisputed 3 seinerzeit nicht eingefallen. Allerdings funktioniert es in WWE 2K16 nicht ganz so gut, weil es sich deutlich träger steuert. Bis jemandem eine sinnigere Lösung einfällt, ist diese hier aber so gut wie jede andere (auch wenn in Sachen Steuerung gerne noch per Patch nachgebessert werden darf). Das Kick-out-Game, um aus einem Pin zu entkommen, indem man zum rechten Zeitpunkt die Kreuz-Taste drückt, ist ebenfalls eine passable Lösung.
Das Chain-Wrestling-System basiert einmal mehr auf dem Schere-Stein-Papier Prinzip und auch hier würde ich mir wünschen, dass die Beobachtung des Gegners eine größere Rolle beim Ringen um Dominanz gespielt hätte, als diese eingeölte und enthaarte Version von Schnick-Schnack-Schnuck. Doch auch hier fällt mir nicht ein, wie man es so umsetzen könnte, dass die breite Masse ein solches System liest, versteht und dann auch noch Lust hat, sich darin einzuarbeiten. Am Ende haben wir es hier mit einem Showkampf-Spiel zu tun und da spricht eben auch einiges für Zugänglichkeit.
Immerhin: Der Fluss der Matches fühlt sich gut und richtig an und die neue Beschränkung der Reversals, hat großen Anteil daran. Die Konter-Fenster sind zahlreich und recht großzügig abgesteckt und dann abzuwägen, welchen Schlag man besser einsteckt, um sich seinen letzten Reversal vielleicht für einen vernichtenden Wurf aufzuheben, ist durchaus spannend - und dann sehr belohnend, wenn der Poker aufgeht. Insgesamt lässt sich sagen: Viertelstündige oder zwanzigminütige Vernichtungsschlachten mit echtem Main-Event-Charakter sind ebenso problemlos möglich wie schnelle Überraschungssiege, weshalb man Yukes im Bezug auf die Vereinfachungen nicht allzu trivial umzusetzender Systeme am Ende vermutlich doch Recht geben muss. Das hier ist vollkommen und im besten Sinne zweckdienliches Wrestling, das genau das macht, was es muss.
Solche Aussagen mögen Glanz vermissen lassen, aber den bringen die über 130 Wrestler und Diven wagenweise mit. Wo das Geschehen im Ring durchaus Geschmackssache ist, lässt sich das Spiel in Sachen Umfang absolut nichts zu Schulden kommen. Hier ist für jeden etwas dabei, wobei das Herzstück des Spiels der deutlich aufgebohrte MyCareer-Modus ist. Mithilfe eines durchaus mächtigen Editors - was die Community schon jetzt so zusammenbastelt, ist erstaunlich - gestaltet ihr einen eigenen Wrestler und lasst ihn durch die Ränge der NXT-Liga bis in die WWE aufsteigen. Hier kommt deutlich mehr Charakter zum Tragen als noch letztes Jahr, wenn ihr in Interviews nach Kämpfen eurem Muskelmann eine Persönlichkeit von Heel bis Baby Face gebt und mit euren Antworten eure Beziehungen zu anderen Wrestlern definiert. Im Grunde verläuft der Modus genau so, wie man das von den ausgezeichneten Karrierebeiträgen 2Ks im Bereich Basketball erwartet, nur eben in Spandex und glitzernden Knieschonern. Es macht eine Menge Spaß, sich nach oben zu kämpfen und seine eigene Geschichte zu schreiben.
Leider verzichtet 2K ein weiteres Mal nicht darauf, euch grinden zu lassen, bis euer Wrestler etwas taugt, und bietet euch mit dem "MyPlayer Kickstart" für 9,99 Euro natürlich eine nicht so "mikro" Transaktion an, dessen Werte direkt auf 90 Punkte zu heben. Ganz abgesehen davon, wie man nun zu derartiger Monetarisierung steht: Wenn man gerade zu Beginn wiederholt auf die Mütze bekommt, fällt es ein bisschen schwer, all das Gerede vom zukünftigen Superstar zu glauben, das um einen herum abgelassen wird. In Wirklichkeit ist man eine Weile nur Fallobst. Ich bin mittlerweile auch ohne Mikrotransaktionen ganz passabel und hänge auch an meiner Kreation, weil eben viel Arbeit drin steckt. Mir wäre es aber trotzdem lieber, es fühlte sich nicht so nach Arbeit an. Wird Zeit, dass 2K - auch in NBA 2K - einen Weg findet, die Progression noch etwas fairer zu gestalten.
Der Showcase-Modus zeichnet unterdessen die WWE-Karriere von Steve Austin recht unterhaltsam nach und integriert auch Archivmaterial gekonnt. Es macht Spaß, diese klassischen Matches zu rekonstruieren, auch wenn es mich jedes Mal schüttelte, wenn das "F" aus "WWF" in älteren Archivfilmen einfach stummgeschaltet wurde, um der zwischenzeitlichen Namensänderung Rechnung zu tragen. Vermutlich eine Rechtesache, komisch war es aber trotzdem. Insgesamt aber doch ein netter Fokus auf einen der unterhaltsamsten Wrestler der späteren Riege, der sich sehr wohl zu spielen lohnt.
Daneben ist online wie offline alles an Matchvarianten und Spielmodi vorhanden, was man sich nur wünschen könnte. Die letztjährigen Leerstellen, wo bis dato beliebte Wrestling-Varianten hätten sein sollen, sind passé. Vom Tag Team über ein Drei gegen Drei bis hin zu Handicap-Matches und Royal Rumbles ist alles vertreten und noch dazu in Unter-Variationen im Regelwerk. Langen Multiplayer-Abenden auf der Couch mit einem oder mehreren Freunden steht nichts im Wege, zumal das Spiel an sich trotz aller Simulationsqualitäten unter der Haube recht eingängig von der Hand geht.
Optisch schwankt die Qualität der Wrestler deutlich zwischen "ausgezeichnet" und "irgendwie nicht richtig", während die Arenen durchaus fernsehreif inszeniert werden - jedoch lange nicht so telegen wie auf den NBA-Courts von Visual Concepts. In Sachen Details sind alle Figuren stimmig, aber gerade eine Legende wie "Macho Man" Randy Savage wie einen sonnengegerbten Marshmallow-Mann aussehen zu lassen, ist irgendwie nicht richtig. Das ist zum Glück ein Ausreißer, der bei weit über 100 Kämpfermodellen nicht unbedingt überrascht. Immerhin sind viele andere der Stars sehr lebensnah gelungen.
Und was soll man sagen: Als reines Kampfspiel gibt es sicher bessere. Wenn es darum geht, Tritte und Schläge sowie komplexe Griffe und Würfe auszuführen, ist immer noch das dritte UFC der wohl beste Titel. Aber darum geht es hier nicht, denn das hier ist die WWE und die will in all ihren Show-Facetten von eurem Fernseher herunterglitzern. Genau das ist 2K und Yukes in 2K16 in ansprechender Form und in geradezu erschöpfendem Umfang gelungen. Das ist nicht nur eine Basis, auf der man für die Zukunft gut aufbauen kann, Fans des Catch-Zirkus machen auch schon jetzt wenig falsch damit.