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Oculus Rift - Test

Vive gegen Oculus: Der Kampf, der eigentlich keiner ist.

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Wer auf raumfüllendes VR verzichten kann, findet hier wundervoll ausgereifte Hardware, die nachhaltig das Denken über Spielräume verändert.

Da ist es also, unser Testexemplar des Oculus Rift. Es hat ein bisschen gedauert, aber irgendwo wäre es auch nicht fair gewesen, hätten wir einem Vorbesteller sein Exemplar vor der Nase weggefischt. Diejenigen, die das VR-Headset schon früh unterstützten, sind mittlerweile in vollem Umfang bedient und wir können uns daranmachen, das Gerät, mit dem der erste ernst zu nehmende Push im Bereich verbrauchertauglicher Virtual Reality seinen Anfang nahm, unter die Lupe zu nehmen. Also, wie schlägt sich das Rift - vor allem im Vergleich zum HTC Vive, das wir hier bereits vor einer Weile ausgiebig testeten?

Die wichtigste Erkenntnis gleich vorneweg: So sehr die Geräte auch erbitterte Konkurrenten zu sein scheinen, so klar wird doch schnell, dass sie gar nicht so sehr im direkten Wettbewerb stehen. Die Kaufberatung fällt ergo deutlich einfacher aus, als ich zunächst erwartet hätte. Es sind zwei Headsets mit deutlich unterschiedlichem Einsatzbereich und jeweils eigenen Talenten.

Aufbau und Installation

Der Sensor: Schlank, schick, standfest.

Aus dem schicken Karton kommen: die Brille, ein Sensor, den man auf dem Schreibtisch platziert, ein drahtloser Xbox One Controller samt Sender-Dongle sowie eine handliche Fernbedienung. Dementsprechend gestaltet sich der Aufbau deutlich einfacher als beim Vive, bei dem es nötig war, zwei Infrarotsender in gegenüberliegenden Raumecken unter der Decke zu montieren.

Einfach den Sensor irgendwo vor euch auf dem Tisch platziert, den Neigungswinkel seines Kopfes ganz grob in Brillenhöhe gekippt und nach der Installation der Oculus-Software, die gleichzeitig als eigener Store fungiert, kann es direkt losgehen. Es überrascht fast ein wenig, wie schnell alles funktioniert und wie ausgereift die eigentliche User-Experience ist.

Hatte ich die grundlegenden Dinge hinter mir, als das HDMI- und das USB-Kabel des Headsets und die USB-Strippe des Sensors am Rechner steckten, fragte ich mich kurz, was der nächste Schritt sei, nur um zu merken, dass man nichts weiter tun muss, als die Brille aufzusetzen. Sie schaltet sich dann automatisch ein und gewährt Einlass in den Store und die Spielebibliothek, die im Stil einer teuren Loftwohnung aufgemacht sind. Das ging bemerkenswert einfach. Es wirkt ausgereift, schlicht und gut durchdesignt.

Die Brille

Sie ist wirklich ein ausnehmend schön designtes Stück Hardware. Hier wurde jedes überflüssige Detail abgeschliffen. Die Front ist leichter, mattierter Kunststoff, die Seiten wirken wie mit einem Stoff bezogen und sind es vermutlich auch. Das sieht anfangs super aus, fängt aber auch Staub und Hautschuppen ein, gegen die ich noch kein Patentrezept gefunden habe. Direkt fällt das deutlich andere Befestigungsmodell auf als bei der Konkurrenz: Während man sich das Vive mit elastischen Bändern ins Gesicht schnallt, sind hier weiche Kunststoffbügel im Einsatz, die am Hinterkopf wie eine Spange zusammenkommen. Im Ergebnis wirkt die Rift deutlich leichter als die Vive, weil sie ihr Gewicht besser verteilt. Das muss sie auch sein, denn im Sitzen spielend fällt es deutlich stärker auf, wenn man mit dem Nacken gegensteuern muss. So sehr ich das Gewicht der Vive in Roomscale-Spielen also nicht als wirklichen Nachteil empfand, so angenehm ist es doch, die Rift aufzusetzen.

Per Schiebeknubbel an der Unterseite stellt man dann noch den Pupillenabstand ein, während es nicht wie beim Vive vorgesehen ist, den Abstand der Linsen zu den Augen zu verändern. Da unter der Brille aber genug Platz ist, halte ich es für unwahrscheinlich, dass dies Probleme macht.

Das Kabel kommt anders als beim Vive nicht mittig, sondern von links aus der Brille.

Hübsch ist neben dem nur einen Kabel, mit dem man zu kämpfen hat (spaltet sich erst am Ende in USB und HDMI auf), auch, wie wunderbar flexibel sich die integrierten Kopfhörer an die Ohren legen. Dazu klingen sie noch erstaunlich pegelfest, basssicher und räumlich. Ich hatte nicht das Bedürfnis, sie abzunehmen (ist auch möglich), um stattdessen eines meiner teuren Headsets zu benutzen. Auch weil das Mikro - das an der Brille so gut versteckt ist, dass es mir immer noch ein Mysterium ist, wo es eigentlich steckt - den Eindruck macht, als hätte Oculus nur hochwertige Komponenten verbaut. Es klingt klar, rausch- und popfrei und nimmt nur auf, was es soll. So oder so: Das hier ist ein All-in-one-Gerät, bei dem man keine Zusatz-Hardware braucht. Klar, es gibt sicher bessere Klanglösungen da draußen, die paar Soundprozente war es mir dann aber nicht wert, dafür den Komfort eines VR-Headsets zu opfern, das man fast so einfach aufsetzen kann wie eine Baseball-Cap.

Tatsächlich passierte es mir auch deutlich seltener, dass ich beim Aufsetzen mit der Stirn an die Linsen kam, und sie so verunreinigte, was mir beim Vive in den ersten Wochen regelmäßig unterlief. Sogar das Fehlen der nach vorn gerichteten Kamera ist kein so großes Versäumnis, wie ich zunächst dachte. Das Rift lässt sich anhand eines Gelenks nämlich einfach um gut 45 Grad nach oben klappen, ohne es abzunehmen, was eine ebenso probate Lösung ist, wenn man mal kurz rausschauen muss.

Das Gewebe an der Außenseite wirkt wertig, aber auch staubanfällig.

Zwei Sachen, die mir nicht so gut gefielen: Das Schaumstoffpolster ist recht hart und die Kanten hinterließen trotz eigentlich bequemeren Tragekomforts als beim Vive deutlich stärkere und länger anhaltende "Waschbäraugen" - also diesen berüchtigten VR-Stempel im Gesicht. Dazu fand ich persönlich auch Nasenaussparung ein wenig zu groß. Nicht nur fällt bei mir immer noch reichlich Licht von unten ins Innere. Auch Atemluft kann aus der Nase unter die Brille gelangen. Beim Vive verhindern Gummilamellen all das. Ich bin mir allerdings bewusst, dass in diesem Fall auch mein Gesicht das Problem sein könnte. Was soll's. Höre ich nicht zum ersten Mal.

Unterm Strich muss man jedoch sagen: Wie schon bei der Einrichtung und der Software merkt man: den Leuten hier ging es nicht allein um die Technik, sie wollten etwas schaffen, das begehrenswert wirkt und leicht zu handhaben war.

Bildqualität

Das ist der Punkt, über den schon viel geschrieben und gestritten wurde. Hat das Oculus einen weniger betonten Fliegengitter-Effekt, weniger Lichtstreifen und besser lesbare Texte als das Vive? Ist das Bild einfach besser und ist das nicht das Wichtigste? Nun. Ja, die Grafik wirkt feiner, fast höher aufgelöst, was natürlich nicht der Fall ist, weil beide Headsets über zwei Displays verteilt 2160x1200 Bildpunkte ausgeben. Aber der Eindruck ist da: Dieses Bild ist eigentlich besser und der Bereich, in dem man scharf sieht, ist ebenfalls größer. Man fummelt also nicht so oft auf der Suche nach dem "Sweetspot" an dem Headset herum.

Die Fernbedienung. Für einige Erlebnisse braucht man wenig mehr als Cursor (Blickrichtung) und eine Bestätigungstaste.

Es gibt allerdings auch ein großes "Aber" an diesem Satz: Das Geschehen wirkt etwas weiter weg von einem selbst, was auch die gefühlt feineren Pixel und die weniger gut zu erkennenden Räume zwischen den einzelnen Bildpunkten erklärt. Beim Vive ist das Sichtfeld einfach größer, man merkt irgendwann fast nicht mehr, dass man durch eine Brille blickt, während im Rift immer der Eindruck mitschwingt, hier durch eine Taucherbrille zu schauen. Die Ränder des Sichtfeldes nahm ich durchweg sehr bewusst wahr, ebenso wie ich einen ganz leichten Fischaugeneffekt bemerkte, der das Bild an den Rändern leicht verzerrt und der so auf dem Vive nicht vorhanden ist.

Auch wenn die Linsen im Rift also ein feineres Bild mit leichter lesbarer Schrift mit sich bringen und helle Elemente auf dunklem Untergrund weniger offensichtliche Lichtreflexionen erzeugen, kann ich nicht sagen, dass ich auf dem Rift deutlich tiefer in das Geschehen eingetaucht wäre. Komplett vergessen, dass ich sie auf dem Kopf hatte, das fiel mir mit dem schwereren und unhandlicheren Vive wegen des gefühlt größeren Blickfelds einfach eine Idee leichter. Hier hatte ich einen deutlichen Sieg des Rift erwartet, der sich nicht einstellen wollte.

Das Erlebnis

Der 3D- und Immersionseindruck sind ansonsten vergleichbar. Auch im Rift hat alles "die richtige Größe" und wickelt sich die Spielwelt schön um einen herum. Besser kann man einem Neuling nach wie vor mit Worten nicht erklären, was die Vorzüge von VR sind. Davon abgesehen punktet das Rift mit vielen, schon jetzt sehr ausgereiften Spielen, wo auf dem Vive viele Entwicklungen noch im Fluss sind. Hier gibt es mehr fertige traditionelle Spiele. Das tolle Edge of Nowhere zum Beispiel, das nächste Woche seinen Test bekommt, ist nach Chronos (klickt hier für den Test) schon das zweite Third-Person Action-Adventure traditioneller Machart, das zeigt, dass VR auch für "normale" Spiele eine echte Bereicherung sein kann.

Macht sich eigentlich ganz gut.

Spiele wie Blaze Rush (wie Micromachines) oder AirMech-Command (Shooter mit Tower-Defense-Elementen) ziehen maximales Kapital aus ihrer Spielkzeugkisten-Optik, während Dirt Rally aus inkompetenten Pistensäuen in VR doch glatt ganz passable Fahrer macht. Abstände, Geschwindigkeiten und Streckenbeschaffenheit lassen sich in Virtual Reality einfach noch viel besser abschätzen.

Auf der anderen Seite ist der Verzicht auf raumfüllendes VR vonseiten Oculus für jemanden, der seit einer Weile eine Vive benutzt, zunächst natürlich befremdlich. Tatsächlich sind "Roomscale" und die Echtzeit-Manipulation von Spielobjekten auch in kleinen Räumen (ich habe hier ein acht Quadratmeter-Büro mit einem Schreibtisch, der sich nicht vom Fleck bewegt) ein echter Game-Changer, wenn es um Präsenz an einem fremden Ort geht. Oculus schert sich darum jedoch nicht, was insofern voll und ganz ok ist, als dass sie sich einfach eher für traditionelle Spielkonzepte interessieren. Und die bereits angesprochenen Spiele beweisen ja, dass VR auch ihnen reichlich zu geben hat. Eine vereiste Steilwand hinaufzuklettern, ist auch im Sitzen deutlich spannender, wenn der Blick nach unten einen 100-Meter-Sturz preisgibt, der auch wirklich wie einer aussieht.

Oculus Rift oder HTC Vive - das Fazit

Und das macht die Antwort auf diese Frage eben deutlich leichter. Stellt euch die Frage, was ihr wollt: Wer nur im Sitzen, mit Controller und vielleicht mit den später erscheinenden Touch-Steuerknochen im Stehen spielen will, trifft mit dem Oculus Rift die bessere Wahl. Die Handhabung, der Komfort, einfach das schlicht sexy wirkende Gesamtpaket einer durchdachten Hardware-Idee setzen sich von der HTC-Konkurrenz spürbar ab. Aber: Auf der anderen Seite steht mit der Vive auch in kleinen Zimmern ein noch einmal immersiveres, raumfüllendes Erlebnis, von dem man vielleicht nicht einmal wusste, dass man es wollte. Das ging zumindest uns so, bevor ich das Vive in mein Haus ließ.

Also: Wer vor dieser Kaufentscheidung steht kann sich sicher sein, sich in jedem Fall neue Hardware zuzulegen, die verändern wird, wie man über Spielräume und flache Displays denkt. So oder so ist die Zeit langsam gekommen, dass jeder, dem auch nur im entferntesten etwas an Videospielen liegt, eine von beiden einmal ausprobiert - am besten beide.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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