Paper Mario: Color Splash - Test
Knallbunt und trotzdem ein bisschen blass.
Paper Mario: Color Splash, fünfter Teil einer während seiner Jahre durchaus wechselmütigen RPG-light-Reihe, ist genauso leichtherzig wie fast alles von Nintendo. Haarsträubende Wortspiele, alberne Alliterationen im Satzbau, Charaktere ohne weltlichen Verdruss und viel Knuffknuff inmitten von Shy-Guys und Hammerbrüdern. Die meiste Zeit über und trotz der Dinge, bei denen man sich fragen muss, wie sie jemand für eine tolle Idee halten konnte, kann ich schwer leugnen, damit Spaß gehabt zu haben. Allein der Grafikstil mit seinen Dioramen, den sich die Reihe seit ihren Anfangstagen bewahrt, ist ein Traum aus Bastelbögen, von grauem Karton bis zum animierten Scherenschnitt vor urlaubsblauem Himmel.
Jeder Aspekt des Designs ist wachsamen Auges gesetzt und besteht zum Vergnügen des Spielenden, solange er den flunderflachen Papier-Mario auf der Suche nach Bowser und sechs mächtigen Farbsternen begleitet. Auf Wii U hat die Bastelarbeit imitierende Gestaltung des ewiglich in Bedrängnis verharrenden Pilzreichs seinen Zenit erreicht, so schön sieht es aus. Auch wenn das hier nicht das klassische, schlosszentrische Pilzkönigreich ist, sondern streng genommen eines mit einer eng an Rohlingen aus Legende vom Äonentor angelehnten Hafenstadt namens Port Prisma als Mittelpunkt. Macht nichts. Koopas können hüben wie drüben durch die Gegend watscheln, Fuzzys wirbeln an der Außenseite eines Kolosseums - pardon: Colorseums - entlang und Gumbas ist es egal, wo sie stummelbeinig zum Angriff stürmen.
Jedes Paper Mario unterlag einer spielbestimmenden Thematik, einem Taktgeber sozusagen, der bis zum Ende wusste, wo es langgeht. In Legende vom Äonentor waren es die Verwandlungen Marios in Papierflieger oder -schiff, im spielerisch umgeschichteten Wii-Teil der 90-Grad-Kameradreher für Perspektivrätsel. Color Splash reicht dem Klempner einen Farbhammer, weil Farbe nun mal ist, was Prisma entzogen wurde. Nicht großflächig, sondern eher fleckchenweise und meist vernachlässigbar. Kein Vergleich zur grellbunten Revoluzzer-Prämisse von De Blob oder der Geschichte über die natürliche Vergänglichkeit Okamis. Einfach nur Flecken, auf die man mit dem Hammer schlägt. Heraus springen Farbkleckse zum Auffüllen der Reserven und Kampfkarten. Das war es im Grunde.
Wie im 3DS-Vorgänger Sticker Star besteht die Welt aus getrennten und per Brettspielkarte à la Super Mario World ansteuerbaren Stages, mit allen Bonusabschnitten 40 an der Zahl. Ähnlich wie in den 3D-Marios sind die Level an sich Heim für an verschiedenen Ecken auflesbare kleine Sterne. Meist gibt es irgendwo einige Abzweigungen, was den Umgebungen trotz ihrer Kompaktheit eine in die Tiefe lappende Ebene hinzufügt. Und da jeder verstaute Stern auf der Oberweltkarte eine andere Verbindungslinie mit Klebeband einzeichnet und einen eigenen Abschnitt freischaltet, wird das Netz an betretbaren Arealen immer größer.
Der Vorteil für Nintendo und Entwickler Intelligent Systems besteht darin, mehr im kleinen Rahmen öffnen zu können, ohne auf räumlichen Zusammenhang Rücksicht nehmen zu müssen wie teilweise in den ersten beiden Spielen oder der Mario-und-Luigi-RPG-Reihe auf den Handhelds. Der Nachteil, nun, dieser Zusammenhang über größere Gebiete hinweg war eine prima Sache. Ist er eigentlich immer, egal ob in Metroid oder eben hier. Er schärft das Gespür für die Irrungen und Wirrungen des Leveldesigns und eine Art Verbundenheit gegenüber dem Aufbau.
Paper Mario: Color Splash ist kein Jump-and-Run wie Mario Bros. 3 oder Super Mario World, wo man einen Level nach dem anderen durchzieht, sondern versetzt mit einem auf seine Weise reizenden Hickhack zwischen Bonsai-Hain, Gut Schlüsselblume und Vulkan Siena. Hierbei kommt sein altmodisch-videospieliges Herz zum Vorschein, etwa wenn man im Mammutbaum-Forst nur mit Item X weiterkommt, das aufzuspüren mal schön eure Sache ist. In vielen Stages erreicht man einen Fortschritt bis zu einem bestimmten Punkt, ohne diesen mit den momentanen Mitteln überwinden zu können. So begibt es sich, dass man erst elf Retter-Toads woanders finden muss, damit sie eine riesige Rübe im Wald aus dem Weg ziehen.
Ihr werdet viel zwischen den Abschnitten hin und her springen, oft auf der Oberweltkarte schauen, wo noch ein unentdeckter Stern und damit verborgener Pfad schlummert. Ich mag diesen voneinander losgelösten Fortschritt an verschiedenen Orten, diese eigene Art von Offenheit. Auch deswegen, weil Color Splash nicht so verbohrt ist wie Sticker Star, wo man gern mal eine halbe Stunde durch die Gegend lief und auf der Suche nach dem wichtigen Schlüsselgegenstand gegen jeden Busch hämmerte. Behaltet einen Überblick darüber, wo eure Bewegungsmöglichkeiten wie weit reichen, zur Not mit Notizzettel auf dem Tisch, und ihr erschließt immer mehr von der Welt.
Und dennoch...
Dennoch ist Color Splash ein zeitweilig merkwürdig fremd und flickenhaft wirkendes kleines Ding, kennt man die Reihe seit ihren Ursprüngen. Die Geschehnisse um Bowser und seine Truppe finden lange Zeit nur als Rückblenden statt und es liegt deutlich weniger Wert auf der Geschichte und ihren bekloppten NPC-Auftritten als in früheren Teilen. Begleiter müsst ihr in anderen Spielen suchen, wollt ihr nicht mit dem Eimer Farbian (höhö) vorliebnehmen. Er ist hier Marios einziger permanenter Bezugspunkt zu den Geschehnissen, ein kurz angebundener Tippgeber, wenn man ihn ruft, und sonst höchstens für ein paar dumme Sprüche gut.
Die Serie erfährt keinen so großen Trennstrich, wie es zum Beispiel kürzlich bei Metroid Prime: Federation Force der Fall war, aber es entspricht auch nicht der noch mal alle Kräfte mobilisierenden Wii-U-Abschiedsvorstellung mit dem, was Paper Mario auszeichnen kann. Es bleibt irgendwo zwischen den Stühlen RPG und Action-Adventure hängen - erleichtert um Erfahrungspunkte, Orden und nahezu jegliches Zahlenwerk - und strampelt nach Leibeskräften um Halt.
Den findet es mehr in seiner generellen Gestaltung nach süßester Nintendo-Rezeptur. Man sieht Grasflächen aus Geschenk- oder aufbrausende Wellen aus Glitzerpapier und kann nicht anders, als in diesem kleinen, scheinbar zum Anfassen hergerichteten Kosmos schwach zu werden. Zumal der Soundtrack zum Besten gehört, was Nintendo in den vergangenen Jahren lieferte.
Das Rundenkampfsystem ist ein halber Rückfall zu den Spielkarten von Mario & Luigi: Paper Jam Bros. Im Grunde ist es dasselbe wie die Sticker aus dem letzten Teil. Karten sind nicht permanent vorhanden, sondern verbrauchen sich mit jedem Zug, in den man sie einspannt. Das erzeugt in den ersten Stunden eine gewisse Willkür dahingehend, welche Angriffe möglich sind, ist aber nicht schlimm. Zum einen findet man immer und überall neue Karten. Zum anderen ist es egal, ob man Sprungkarte oder Hammer, Feuer- oder Eisblume hat - man verliert relativ selten. Und wenn, dann eher in den hinteren Abschnitten, weil man für einen Boss nicht die korrekte und nur an bestimmten Schlüsselpunkten zu findende Dings-Karte dabeihat. Das könnte zum Beispiel ein Feuerlöscher sein, ohne den man Bowsers entflammten Sohn nicht zu stoppen in der Lage ist.
Man kann von diesem verbissenen System halten, was man will. Wie früher loszuziehen und ein paar Level zu malochen, damit es sich einfacher und besser anfühlt, sich gedanklich vorzubereiten auf einen schweren Brocken, darauf können wir gemeinsam für den NX-Teil hoffen. Die Energie der Gegner ist an ihrer verbliebenen Einfärbung ablesbar und daran, wie sich das Papierweiß langsam seinen Platz zurückerkämpft.
Und so cool die Kampfmusik zu leiern beginnt, wenn Mario zu fallen droht, ist das einfach kein komfortables Kämpfen. Jede Karte müsst ihr einzeln aufs Touchscreen-Gamepad ziehen, könnt sie danach einfärben, um der Attacke mehr Kraft zu verleihen, anschließend OK klicken und dann noch mal mit dem Finger ins Spiel schnipsen. Ein zäher Ablauf für jeden Angriff. Was war an dem ursprünglichen System so schlimm, dass es unter eine derartige Lawine geraten musste?
Abgesehen von seltenen Herzsymbolen könnt ihr euch nicht mal außerhalb eines Kampfes heilen. Items kaufen? Nope, nur Karten. Auch wenn der Hammer mitlevelt und immer mehr Farbe fasst, war es irgendwann interessanter, den Feinden aus dem Weg zu gehen, statt sie zu bekämpfen.
Und das ist in Hinblick darauf, was Paper Mario einst zwischen freiwilligem Grind, liebenswerten Begleitern und blankem Unsinn losfeuerte, eine Enttäuschung. In Color Splash stecken genug Lebensfreude und zum Ins-Bild-Greifen animierende Momente handgefertigter Schönheit. Jeder Level ist eine kleine Augenweide. Sie sehen so einladend aus und sind spielerisch fähig arrangiert, weshalb das Weitermachen nicht zur Angelegenheit der Langeweile verkommt. Bis man wieder das umständliche Kämpfen mit dem Gamepad verflucht, Erzählung und Charakterfortschritt der früheren Teile vermisst und merkt, dass man ihm selten näherkommt als bis auf Armlänge. Color Splash ist die meiste Zeit über unterhaltsam bis amüsant, in seinen zähen Momenten plätschernd bis nervig.
Wenn das Nintendos und Intelligent Systems' Abschiedsvorstellung der Wii U ist, gibt es dafür den gebührenden Applaus. Eine Zugabe in der Form müsste ich nach all den Stunden aber nicht haben.
Entwickler/Publisher: Intelligent Systems/Nintendo - Erscheint für: Wii U - Preis: ca. 40 Euro - Erscheint am: 7. Oktober 2016 - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: Nein