Battlefield 1 - Test
Mangelnder Mut in der Kampagne, dafür umso besser im Multiplayer.
Es ist schon eine Weile her, seit mir ein Battlefield im Multiplayer-Modus derart Spaß gemacht hat. Ich bin dann doch jemand, der eher historische Konflikte im Zweiten Weltkrieg oder wie hier im Ersten Weltkrieg bevorzugt, ohne den ganzen technischen Krams der jüngsten Battlefield-Teile. Von der Kampagne hätte man allerdings ein wenig mehr erwarten können. Oder hätte man das wirklich? Immerhin bedient DICE nach wie vor den Mainstream-Markt, was sich im Story-Modus leider öfters mal zeigt.
Dazu empfiehlt sich übrigens die Lektüre unseres Ersteindrucks zu Battlefield 1 von letzter Woche. Insofern möchte ich hier im Test auch nicht allzu viele weitere Worte dazu verlieren, das Wichtigste ist in der Hinsicht eigentlich schon gesagt.
Kurz zusammengefasst: Es ist schade, dass DICE nicht den Mut aufgebracht hat, um wirklich alle Facetten und Schrecken des Krieges zu zeigen. Dazu fehlt es einerseits an der Perspektive der Mittelmächte, für die es keine Mission gibt, andererseits verliert man sich immer wieder im Michael Bay'schen Bombast, geht also nach dem eigentlich thematisch passenden Prolog doch mehr in die sorglosere Richtung. Was bleibt, ist ein explosives Spektakel, das euch insgesamt vielleicht sechs Stunden beschäftigt, aber nicht wirklich herausfordert, dafür sorgt schon die nicht gerade intelligente KI eurer Feinde. Gut, dass ihr im Multiplayer gegen menschliche Mitspieler antretet.
Oftmals betonte DICE, dass man hier ganz normale Soldaten zeigen möchte, keine Superhelden, aber dann verfällt man doch wieder in genau dieses Schema. Ihr stürzt mit eurem Doppeldecker auf einem Zeppelin ab, kämpft euch dann ein kleines Stück durch diesen hindurch, nur um dann ein Geschütz zu bemannen, mit dem ihr andere Zeppeline effektvoll zerstört. Oder ihr marschiert als schwer gepanzerter und (fast) unbesiegbarer Wachsoldat mit Maschinengewehr von Feindstellung zu Feindstellung und mäht reihenweise Gegner nieder, die euch nur allzu bereitwillig vors Fadenkreuz laufen. Das ist jetzt nicht sterbenslangweilig, sondern verspricht durchweg kurzweilige Unterhaltung, ist aber andererseits nicht das, was man aus diesem Szenario hätte rausholen können. Doch vielleicht war es eher vermessen, das von einem Shooter zu erwarten, der auf den Massenmarkt abzielt. Wenn ihr mit den vorherigen Battlefield-Kampagnen euren Spaß hattet, wird das hier ebenfalls der Fall sein. Mehr solltet ihr aber nicht erwarten.
Umso besser ist DICE dafür der Multiplayer-Modus gelungen. Im Grunde könnt ihr euch ein Battlefield 1942 mit noch etwas älterer Waffentechnik vorstellen und schon habt ihr Battlefield 1. Das bedeutet auch, dass das Tempo insgesamt geringer ist, als man es in den letzten Teilen gesehen hat. Für manch einen vielleicht keine gute Nachricht, für mich schon. Die gefühlt Millionen Optionen zur Waffenanpassung sind im Grunde komplett verschwunden, was zählt ist also euer Skill mit dem gewählten Schießeisen, nicht irgendein besonderer Aufsatz, der euch das Leben erleichtert. Natürlich gibt es verschiedene Waffenvarianten, zum Beispiel mal mit Visier, mit mehr Streuung oder mehr Schaden, aber das alles ist doch sehr übersichtlich ausgefallen. Klasse statt Masse.
Als neues Beförderungsmittel sind die Pferde hinzugekommen, die sich gut einfügen und ein schneller Weg sind, von A nach B zu kommen. Außerdem habt ihr als Reiter Zugriff auf Panzerabwehrgranaten, die besonders gegen leichte Fahrzeuge sehr effektiv sind, und könnt mit einem Säbel kurzen Prozess mit feindlichen Fußsoldaten machen, wenn ihr an sie rankommt. Gleichzeitig seid ihr auf dem Pferd natürlich anfällig für Beschuss, was ebenfalls für das Pferd gilt. Zugriff auf die Eliteklassen erhaltet ihr wiederum durch Pick-ups, die an bestimmten Stellen der Karte spawnen - ähnlich wie in Battlefront. Die Flugzeuge habt ihr sehr gut im Griff, sie lassen sich angenehm steuern, was gleichermaßen für die Fahrzeuge gilt. Zumindest Letzteres ist für die Reihe nichts neues, in puncto Flugzeugsteuerung scheint man sich ebenfalls an Battlefront zu orientieren. Für beides gibt es übrigens eigene Klassen und wenn gerade ein entsprechendes Vehikel verfügbar ist, könnt ihr direkt darin spawnen. Doppeldecker, Bomber oder Panzer stehen übrigens nicht einfach so in der Gegend herum, sondern tauchen nur auf, wenn ein Spieler sie gewählt hat. So vermeidet DICE, dass sich einfach ein paar Gegner an eurem Arsenal zu schaffen machen und euch kurzerhand mit einer Übermacht aus Panzern und Flugzeugen dominieren.
Gerät eine Seite zu sehr in Rückstand, bekommt sie noch eine Art zweite Chance. Je nach Map steht euch dann ein gewaltiger Zeppelin, ein Panzerzug oder ein Schlachtschiff zur Verfügung. Diese können ordentlich Schaden verursachen und in den Händen fähiger Leute wirklich dazu beitragen, das Blatt doch noch zu wenden. Gleichermaßen sind sie nicht zu übermächtig. Wenn ein Team sich primär darauf konzentriert und weiß, was es tut, kann es einen solch starken Gegner relativ schnell besiegen.
Das bringt uns direkt zu den Schlachtfeldern von Battlefield 1. Die Schauplätze erstrecken sich von der Wüste Sinai über den Suez-Kanal bis hin zu den Alpen und einen Wald, der ein bisschen an die Endor-Map aus Battlefront erinnert. Immer wieder findet ihr versteckte Wege und Möglichkeiten, den Feind von der Seite, von hinten oder von oben zu attackieren. Ihr müsst ständig auf der Hut sein und jederzeit mit Feindkontakt rechnen. Alles in allem hätte das Mapaufgebot gerne noch ein bisschen abwechslungsreicher sein dürfen. Aber auch so sehen die Karten dank der fantastischen Engine einfach wunderbar aus, ob ihr nun in den italienischen Alpen kämpft, an der Westfront oder am Meer. Hinzu kommen die neuen dynamischen Wettereffekte, wodurch sich die Bedingungen schlagartig ändern können.
Wenn zum Beispiel im Verlauf einer Partie an der Küste dichter Nebel oder in der Wüste ein Sandsturm aufzieht, verschlechtert das die Sichtverhältnisse deutlich. Ihr seht Gegner sehr viel später, was noch mehr Aufmerksamkeit von euch verlangt, und für Piloten macht das die Sache ebenfalls nicht einfach, wenn sie zum Tiefflug ansetzen wollen. Es verleiht den Schlachtfeldern eine zusätzliche, unberechenbare Dynamik, die sich mitunter ebenfalls positiv auf die eine oder andere Seite auswirken kann - je nachdem, wer besser damit zurechtkommt. Überhaupt habt ihr das Gefühl, dass sich die Maps im Verlauf einer Schlacht weiterentwickeln. Wo vorher noch Gebäude standen und Deckung boten, sind am Ende nur noch Ruinen übrig, hinter denen man deutlich schwerer Schutz findet. Leider hat aber selbst die Zerstörung ihre Grenzen. Nicht alle Gebäude lassen sich bis auf die Grundmauern in Schutt und Asche legen, die Küstenfestung von Faw bleibt etwa überwiegend intakt und ein paar coole Momente aus der Kampagne, wenn Bomber etwa einen Berghang bombardieren und eine Gerölllawine auslösen, sucht man im Multiplayer leider vergebens.
Dennoch mangelt es dem Multiplayer nicht an Spektakel. Mit insgesamt bis zu 64 Spielern entbrennen bittere Positionskämpfe im altbekannten Conquest-Modus, der nach wie vor zu den Favoriten der Fans zählt - ebenso wie Rush. Insgesamt stehen bei Battlefield 1 aber die Infanteriekämpfe mehr im Vordergrund. Es gibt nicht massenweise Fahrzeuge, wenngleich die vorhandenen Vehikel mitunter mehrere Plätze haben, die schweren Panzer etwa für den Hauptschützen beziehungsweise Fahrer sowie bis zu fünf weitere Mitfahrer, die rundherum MGs bedienen.
Andere Spielmodi wie Team Deathmatch, Vorherrschaft oder Kriegstauben sind da schon weniger interessant, der neue Operationen-Modus ist hingegen eine schöne Ergänzung. Das Ziel des angreifenden Teams besteht darin, auf einer Karte einen Sektor nach dem anderen zu erobern - habt ihr einen für euch gesichert, kann er nicht mehr zurückerobert werden. Mit einem guten Team drängt ihr die Verteidiger so Stück für Stück zurück, aber wenn sie auf einer Map geschlagen sind, ist das Match nicht etwa vorbei, sie formieren sich auf einer anderen Karte neu. Es gibt zwei Operationen, die zwei Maps umfassen, und zwei Operationen mit jeweils drei Schlachtfeldern. Und selbstverständlich können die Angreifer nicht beliebig oft attackieren, sondern haben lediglich eine begrenzte Zahl an Versuchen zur Verfügung. Es kommt also auf gutes Teamwork an, denn wenn ihr blind drauflos stürmt und munter Respawns verbraucht, kommt euer Team schnell unter die Räder.
Technisch gesehen hat DICE mit Battlefield 1 einen guten Start hingelegt. Die Server sind nicht zusammengebrochen und egal, wann ich gespielt habe, ob nun unter der Woche mittags und abends oder am Wochenende mittags und abends, ich hatte keinen großen Probleme, auf die Server zu kommen oder Matches zu absolvieren. Stabile Server und funktionierende Technik also, Glückwunsch zum gelungenen Launch!
Durch den Wechsel zurück in ein historisches Szenario fühlt sich Battlefield 1 in mehrerer Hinsicht frisch an. Erst recht, wenn euch moderne Konflikte mittlerweile zum Hals raushängen. Wenn ihr damals an Battlefield 1942 eure Freude hattet, macht ihr mit dem neuesten Teil der Reihe nichts falsch und auch für Neueinsteiger ist es ein guter Zeitpunkt, um sich der Serie mal anzunähern. Ihr werdet nicht von Unlocks und Anpassungsoptionen erschlagen, alles ist übersichtlich und gut erklärt, die Klassen haben ihre klaren Aufgabenbereiche und das Tempo ist langsamer. So viel Multiplayer-Spaß wie hier hatte ich in einem Battlefield schon seit vielen Jahren nicht mehr. Sucht ihr also nach einer entsprechenden Beschäftigung und bevorzugt ein etwas gemächlicheres Tempo, habt ihr euer Online-Spiel für den Herbst damit vermutlich gefunden. In puncto Kampagne muss sich DICE hingegen den Vorwurf gefallen lassen, dass man aus dem Thema zu wenig macht. Aber eigentlich kauft sich ja niemand ein Battlefield nur wegen der Kampagne, nicht wahr? Eine nette Dreingabe ist sie jedoch allemal.
Entwickler/Publisher: DICE/Electronic Arts - Erscheint für: PC, PlayStation 4, Xbox One - Preis: ca. 54 bis 220 Euro (CE) - Erscheint am: Erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Aktuell nicht