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Final Fantasy 15 - Test (eigentlich: Review…)

Aus der Not heraus.

Final Fantasy 15 entdeckt das Epische und die Liebe für intime Momente wieder, aber seine Lückenhaftigkeit verwässert das Gesamtbild.

Aus unserer Sicht war es nicht möglich, das NDA ("Non Disclosure Agreement", eine Vertraulichkeitsvereinbarung), das uns ein Vorabmuster von Final Fantasy XV beschert hätte, zu unterschreiben. Damit hier keine Verschwörungstheorien aufkommen: In diesem NDA standen keine wirklich ungewöhnlichen oder fiese Dinge, allerdings war uns das wirtschaftliche Risiko einfach zu hoch.

Um euch zu diesem langerwarteten, großen Titel aber trotzdem zum Launch einen umfassenden Artikel von jemandem bieten zu können, der das Spiel in seiner Gänze kennt, haben wir uns ausnahmsweise einmal für eine Übersetzung des Tests der englischen Kollegin Aoife Wilson entschieden. Den englischen Originaltext findet ihr hier.

Unser eigener Test wird folgen, aber aller Voraussicht nach nicht vor Freitag. Dieser kann sich dann deutlich unterscheiden, muss aber nicht. (Martin Woger)


Final Fantasy war schon immer in seinen persönlicheren Momenten am besten. Apokalyptische Meteore, durch die Zeit reisende Zauberinnen sowie verdächtig schwebende, physische Manifestationen eurer Sünden sind schön und gut, aber bedeuten wenig, wenn die Story euch nichts bietet, das sich etwas heimischer anfühlt und mit dem ihr euch identifizieren könntet. Wer ihr seid, ist wichtiger als eure Herkunft, ihr müsst anderen Leuten unabhängig von ihrer Hintergrundgeschichte vertrauen, euch durch knifflige Dreiecksbeziehungen manövrieren und das Mädchen für euch gewinnen, selbst wenn sie damit beschäftigt ist, Monster aus lebendigen Statuen zu beschwören - das sind die Story-Beats, an die ihr euch erinnern werdet. Das Aufhalten des Schurken und das Retten der Welt gehören selten zu den erinnerungswürdigsten Momenten eines Final-Fantasy-Spiels. Charaktere wie Vivi, Nanaki, Cyan und Galuf sind das schlagende Herz dieser Geschichten, Figuren, in denen wir einen Funken Wahrheit oder für einen Moment eine Verwandtschaft spüren, ob sie nun ein tätowiertes Wolf-Löwen-Wesen sind oder nicht.

In vielerlei wichtiger Hinsicht versteht Final Fantasy 15 das. Im Zentrum jeder kleineren Geschichte, die es erzählen möchte, steht Freundschaft. Die Art von Freundschaft während des Erwachsenwerdens, die sich für die Beteiligten oft so anfühlt, als wäre es das Wichtigste auf der Welt - was es oftmals auch ist. Dieses Final Fantasy so deutlich als Road Trip aufzubauen, ist ein wirklich brillanter, unterschätzter Schritt. Es ist genau das, was die Final-Fantasy-Spiele schon immer waren, aber es ist auch ein fesselndes Mittel, das besonders gut zu dieser modernisierten Herangehensweise an das Final-Fantasy-Universum passt. Es resultiert in einem sich wiederholenden Ablauf in den Open-World-Abschnitten, der das Verlangen nach mehr weckt. Errichtet ein neues Lager, sprecht mit einem ansässigen Informanten, um nahe Nebenmissionen und Monsterjagden zu entdecken und streicht ein paar Kopfgelder ein, bevor ihr am Abend zur Ruhe kommt, mit euren Jungs im Camp etwas Nahrung zubereitet, die euren Werten einen Boost verschafft, und die gesammelten Erfahrungspunkte des Tages investiert.

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Im Open-World-Abschnitt, in dem ihr mit euren besten Freunden in eurem Wagen durch die Gegend fahrt und nach Lust und Laune Aufgaben erfüllt, zeigt sich Final Fantasy 15 von seiner besten Seite. Die Welt mag zwar kleiner sein, als es manche Fans vielleicht erwarten, hat aber eine beeindruckende Menge an Aktivitäten zu bieten, von den imponierenden Höhen bis hin zu den düsteren Tiefen. Sucht nach versteckten Dungeons in der Welt und nehmt es mit einzigartigen Bossgegnern auf, um die 13 anzestralen Armiger-Waffen für Noctis freizuschalten. Und in eurer Freizeit plaudert ihr mit euren Freunden, steht früh auf, um Prompto bei einer spontanen Modelling-Session zu helfen, oder unterstützt Ignis dabei, seine Brille von einem frechen, schwarzen Chocobo zurückzubekommen. Für verschiedene Bereiche der Welt gibt es eine eigene Ökologie und Wettervorhersagen und obwohl es schnell ermüdend wird, den Wagen zu steuern (es ist kein GTA - ihr habt so wenig Kontrolle, dass es oft einfacher ist, Ignis fahren zu lassen), ist es doch ein kathartisches Erlebnis für Old-school-Fans, wenn ihr zu frühen Final-Fantasy-Soundtracks aus dem Autoradio von Stadt zu Stadt fahrt, nostalgische Referenzen der Serie entdeckt und die vorbeiziehenden Wildtiere beobachtet.

Der Kampf ist alles in allem eine angenehme Überraschung - er ist zutiefst befriedigend, wenn auch manchmal frustrierend. Noctis' Fähigkeit, mitten in der Luft Waffen zu beschwören, jederzeit zwischen ihnen zu wechseln und sich per Warp-Strike schnell über das Schlachtfeld zu bewegen, ist temporeich und imposant. Und dass die Entwickler es geschafft haben, ein Action-basiertes Kampfsystem zu erschaffen, das noch immer den Geist von Final Fantasy versprüht, ist ein Erfolg an sich. Zu sehen, wie eure Gruppe zusammenarbeitet, Link-Strikes und Überraschungsangriffe ausführt, ist spektakulär, aber der absolut unzuverlässige Lock-on-Button und eine Kamera, die einfach nicht mit euch mithalten kann - besonders in Bosskämpfen -, geben sich stets Mühe, euch den Spaß zu vermiesen. Toll wäre es auch gewesen, wenn es eine intuitivere Möglichkeit zur Heilung eures Teams geben würde, statt ständig die Action pausieren und individuelle, heilende Items verabreichen zu müssen - mein Tipp ist, dass ihr früh Ignis' Regroup-Technik lernt, um ein Vermögen durch Hi-Tränke zu sparen.

Was geht ab, YouTube? Hier ist Prompto, diesmal in Hammerhead mit etwas Marmelade!

Die Magie kommt hingegen nicht ausreichend zur Geltung. Ihr könnt nicht kontrollieren, wo sich die anderen Charaktere zu einem beliebigen Zeitpunkt des Kampfes aufhalten, daher ist es oftmals das Risiko nicht wert, einen Zauberspruch anzuwenden, da er alle negativ beeinflusst, die er trifft. Außerdem sind sie nicht unendlich oft verfügbar und andere Charaktere abseits von Noctis damit auszurüsten, wird zu einer pingeligen Angelegenheit. Ihr werdet nicht darüber informiert, wenn diese Zaubersprüche erschöpft sind und ihr müsst zum Beispiel neue herstellen und ausrüsten. Ich konzentrierte mich fast ausschließlich auf den Wechsel der Waffen, bezog falls nötig diejenigen mit Elementareffekten mit ein und hatte dennoch nie das Gefühl, dass ich strategisch im Nachteil wäre.

Am hellsten leuchtet Final Fantasy 15 in seinen eher charakterzentrischen Ergänzungen zum Gameplay. Das Koch-Feature ist, wenngleich simpel, unfassbar fesselnd und ich ertappte mich oft dabei, wie ich ordentlich Zeit verbrannte, um an neue Zutaten oder frische Rezepte für Ignis zu kommen. Die Boni auf die Charakterwerte, die sie gewähren, geraten fast zur Nebensache, wenn einem über einer neuen, detailliert umgesetzten Speise mal wieder richtiggehend das Wasser im Mund zusammenläuft. Promptos Fotografiererei ist zwar nicht so interaktiv, aber ebenso einnehmend. Später sorgt das für einige wahrhaft berührende Momente. Es werden neue Modi verfügbar, mit denen man niedliche Selfies schießt. Die liegen fast wie zufällig vor wichtigen, emotionalen Momenten in der Geschichte und die Figuren blicken dann am Ende des Tages nach einschneidenden Erlebnissen auf diese leichtherzigen Fotomomente zurück. Ein cleverer Einfall. Die Figuren, die mit euch diese Bilder durchgehen, geben dabei berührende Gedanken und Gefühle zu den einschneidendsten Handlungsmomenten preis.

Natürlich ist es schwerer, sich für einen komplett vertonten, realistisch gerenderten Charakter so sehr zu erwärmen, wie für die abstrakteren Partymitglieder alter Zeiten. Aber alle vier Figuren der zentralen Gang um Noctis sind ebenso sympathisch wie vertraut und geben überraschend gut geschriebene Dialoge von sich. Die Sprecher nehmen ihre fantastischen Umgebungen schon mal auf eine köstlich selbstreferenzielle Art auf die Schippe, die sich für diese Reihe einfach frisch anfühlt. Man nimmt ihnen ihre Freundschaft ab, glaubt ihnen dass sie, plötzlich befreit von ihren Verantwortungen in der Hauptstadt und mit diesem fabelhaften Auto zum herum-cruisen, die beste Zeit ihres Lebens durchmachen.

Promptos Liebe für zufällige Schnappschüsse macht das Erlebnis noch eine Spur intimer. Wer würde zu seinem Selfie mit Chocobo schon 'Nein' sagen?

Ein Nachteil der so gut ausgearbeiteten Hauptfiguren ist, dass alle anderen eingeführten Charaktere sich vergleichsweise eindimensional anfühlen. Keiner der Nebendarsteller verfügt auch nur ansatzweise über einen befriedigenden Handlungsbogen. Individuen, die von den endlosen Werbemitteln als wichtig ausgewiesen wurden, werden von der Geschichte später einfach fallen gelassen - lange bevor wir auch nur eine Chance erhielten, uns für sie zu interessieren oder sie überhaupt wirklich zu treffen. Niemand scheint eine wirkliche Motivation zu haben für die Dinge, die er tut, abgesehen natürlich von der, die Handlung voranzutreiben. Und das gilt gleich doppelt für den vollends langweiligen Antagonisten, der es nicht einmal auf einen Bruchteil der Anziehungskraft eines Kefka oder Sephiroth bringt.

Final Fantasy 15s größtes Problem ist schlicht, dass es trotz starker Hauptrollen unterm Strich schlicht zu vage bleibt. Ihm fehlen die dreckigen, menschlicheren Züge, mit denen es den besten seiner Vorgänger gelang, himmlische Konflikte und globale Wehen auf reale, nachfühlbare Maße einzudampfen. Final Fantasy 15 steckt voller dramatischer Verallgemeinerungen, schaut aber kaum darauf, was das für die Menschen bedeutet. Und wenn es das doch mal tut, versagt es. Später im Spiel gibt es diverse Momente, in denen man wichtige Informationen über einen der großen Charaktere erhält. Aber es wird nie in den größeren Kontext gesetzt und - in einem Fall - schlicht nie wieder erwähnt. Es ist enttäuschend, wie 15 einige der rundesten Figuren in einem Final Fantasy seit langer Zeit entwickelt, dann aber nicht so recht zu wissen scheint, was mit ihnen zu tun ist.

Die Plot-Struktur ist darüber hinaus erstaunlich schwach: Nur selten passieren Dinge, die in der Handlung wirklich von Bedeutung wären, vor euren Augen. Tatsächlich ereignen sich die meisten der Schlüsselmomente abseits der Kamera oder im Spielfilm Kingsglaive. Ich habe mir sowohl den Film als auch die Anime-Serie Brotherhood angeschaut und war deshalb im Bilde, was hier passierte. Aber ich habe den starken Verdacht, dass Leute, die ohne all diese Exposition in das Erlebnis gehen, schwer im Nachteil sind. Es scheint, als hätte Square Enix das ebenfalls bemerkt und in letzter Minute ein paar schnelle Schnitte aus Kingsglaive und dem Omen-CG-Trailer zu wichtigen Zwischensequenzen hinzugefügt. Die wirken für diejenigen, die nicht wissen, woher sie stammen, nur noch verwirrender, denn zu diesem Spiel gehören sie sichtlich nicht. Zusätzliche Filme und Serien schön und gut, aber solche Momente der Exposition hätten doch eine Priorität sein sollen und ein klarer Fall von "Show, don't tell" im Rahmen des eigentlichen Spiels, oder etwa nicht?

Auf die Machenschaften des Reiches Niflheim wird kaum eingegangen und zum Ende des Spiels hin hat man die Nase voll von diesen immer gleichen Feinden.

Das ist das immer wieder aufkommende Problem von Final Fantasy 15: Es schafft es nie ganz, die großen Erwartungen zu erfüllen, die es an sich selbst stellt. Bosskämpfe werden zu langatmigen Ausdauer-Matches gegen hochtürmende Hitpoint-Schwämme. Nichts mindert den schönen Schein eines großen Moments, als dass er sich zu lange hinzieht. Die Summons spielen trotz ihrer Größe eine kleinere Rolle als man meinen sollte. Im Gegensatz zu vorigen Titeln könnt ihr sie nicht einfach rufen, wann ihr wollt. Stattdessen müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit sie auftauchen können. Das heißt dann auch, dass sie sich in einem Kampf, in dem ihre Hilfe beim Niederringen einer Lebensleiste dringend willkommen wäre, schon mal einfach nicht blicken lassen. Stattdessen tauchen sie dann später auf, bei einem beliebigen Scharmützel gegen ein paar Soldaten, deren Größe dann den Summon noch viel gewaltiger wirken lässt. Aber trotzdem, es ist nicht gerade das praktischste System.

Und ja, Final Fantasy 15 wird in seinem späteren Verlauf deutlich linearer. Das ist aber nicht das Ende der Welt, es gibt immer noch jede Menge jenseits der Hauptquest zu erledigen. Ihr werdet bevor und nachdem die Credits durchgelaufen sind, Gelegenheit haben, euch um vieles mehr zu kümmern. Ich nahm mir die Zeit, eine gute Zahl an Nebenquests und Jagden zu erledigen und die Hauptstory kam so nach etwa 30 Stunden zu ihrem Ende. Jetzt sind 10 weitere Stunden im Nachgang vorüber und ich finde immer noch genug in der Welt zu tun.

Ich will es aber ganz deutlich sagen: Die letzten Stunden des Spiels sind nicht schwächer, weil sie linear sind. Sie sind es, weil sie enttäuschend leer sind, mit einem Noctis, der durch langweilige, enge, sich wiederholende Korridore geschickt wird, um immer die gleichen Gegner zu bekämpfen. Es fühlt sich gerade bei Square Enix seltsam an, dass sie erst so eine bezaubernde und verführerische Welt hinsetzen, nur um den Spieler in diesen entscheidenden Stunden von ihr abzukapseln. Man könnte natürlich sagen, dass dies Absicht ist, dass sich der Spieler so mehr auf das eigentliche Narrativ konzentrieren soll und Square Enix hat auch so argumentiert. Der Punkt bleibt aber, dass dieser lange Abschnitt einfach keinen Spaß macht und nimmt man noch die allgegenwärtigen und sich auch wiederholenden Sätze dazu, die eure Widersacher euch entgegenwerfen, fühlt sich das Ganze eher übereilt fertiggezimmert und billig an. Nur ein Nachsatz zu den üppigen, aufregenden Weiten von Leide und Duscae. Es ist einer der nur wenigen Momente von Final Fantasy 15, in denen sich die schmerzhaft lange Dekade der Entwicklungszeit sehr deutlich bemerkbar macht.

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Diese schwierige Entstehungsgeschichte dürfte einer der Gründe sein, warum sich Final Fantasy 15 so schwer festnageln lässt. Kann ich ein Final-Fantasy-Spiel trotz seiner eher unbefriedigenden Handlung empfehlen, eine Serie die generell bekannt und beliebt für ihr Talent im Erzählen von Geschichten ist? Instinktiv würde ich nein sagen, aber selbst als jemand, der die Erzählungen der vorigen Teile schätzt, fand ich mich oft zurück in der Welt von Final Fantasy 15 und stellte mich den Herausforderungen aus den frühen Abschnitten des Spiels, selbst lange, nachdem ich es eigentlich beendet hatte. Und es ist auch sehr deutlich, dass Final Fantasy 15 von einer Vision profitierte, die man für das Spiel hatte. Eine, die die Entwickler ermutigte, neue Dinge auszuprobieren und die Serie neu zu erfinden, dabei aber zu der Größe der Serie zurückzufinden, die die leidenschaftlichsten Fans erwarten. Wenn man solche Größe anstrebt, kann es schon mal passieren, dass der Blick für das Gesamtbild etwas getrübt wird. Da ist es umso wichtiger, dass sich Final Fantasy 15 seine Liebe zu den kleinen Geschichten bewahrt hat. Und diese bleiben oft genug umso länger in Erinnerung.

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