Mario Kart 8 Deluxe - Switch wie in der Werbung
Nur die Menschen sind nicht so schön…
Jeder hat scheinbar so seinen Switch-Moment, in dem es dann doch irgendwann mal Klick macht, aber dass es bei mir ausgerechnet einer direkt aus einer der überstilisierten Heile-Welt-Werbungen von Nintendo sein würde, hätte ich nun auch nicht gedacht. Aber da saßen wir, in einer hippen Burger-Bude bei Veganer-Brause, Ingwer-Tee und Craft-Bier und hatten jeder von uns vier eine Switch vor sich. Darauf dann Mario Kart 8 Deluxe im Battle-Modus. Hätte einer diese zwei Stunden mitgefilmt, es hätte sich sicher mit Leichtigkeit ein Spot draus schneiden lassen, der auch nicht anders aussieht, als das, was sonst an Werbemitteln aus dem Hause kommt. Okay, mit weniger schönen Menschen.
Aber es war echt. Es begann vielleicht mit der üblichen Zurückhaltung von Kritikern, die ein "neues" Spiel auf dem Tisch haben. Neu in Anführungszeichen, denn am Ende ist Deluxe eben "nur" eine aufgebohrte Version von Mario Kart 8. Das war das meistverkaufte Spiel der Wii U, das sich etwa jeder zweite Besitzer dieser eines Tages vielleicht sehr wertvollen Konsole - gab ja nicht so viele - gönnte. Ein offensichtlich geliebter Titel, ein guter Vertreter einer eh hoch geschätzten Serie, es macht Sinn, selbst wenn es kein neuer Teil ist. Die Leute wollen das spielen, was sie lieben, also gibt Nintendo ihnen das. Außer natürlich, es heißt aktuell F-Zero oder Metroid.
Zurück zu den grantigen Redakteuren, die sich mit jeder weiteren Runde immer mehr in glücklich fluchende und jubelnde Nintendo-Werbe-Video-Kinder verwandelten. Das ist eben das, was ein gutes Nintendo-Spiel mit euch macht. Es schält sich so zart wie zielstrebig durch den Panzer des Grumpy-Gamers und erinnert euch daran, warum ihr das alles mal gemacht habt. Mit einfachsten Mitteln. Schildkrötenpanzer, Bananen und bunten Pilzen.
Das Setup ist so einfach wie man es sich nur wünschen konnte. Einer macht einen lokalen Ad-Hoc-Raum auf, wer in Reichweite ist kann beitreten, es gab nicht einen Aussetzer in der Zeit. Eine Internet-Verbindung ist nicht erforderlich, vier Mal eine Switch ist in unserem Falle natürlich das teure Ideal, aber zwei davon, vier der kleinen Controller sind dann ja auch da und dank Splitscreen kostet es nur die Hälfte für vier. Oder ein Viertel für zwei. Per Splitscreen. Es gibt zu wenig Splitscreen-Spiele auf der Switch. Es gibt zu wenig Spiele auf der Switch.
Die Super-Nintendo-Gedenkstrecke in zarten wie zeitgemäßen Retro-Tönungen fällt dem Kenner von Anno-dazumal natürlich sofort ins Auge und zeigt dann auch gleich schön, wie sich das Streckendesign in Mario Kart weiterentwickelt hat. Hier habt ihr die äußeren Ringe, die eher an ein LCD-Handheld der 70er erinnern als an das, was heute auf der Switch so möglich ist. Das zeigt die kleine To-go-Wundermaschine dann in dem Geisterschloss mit seinen verschiedenen Ebenen und Galerien um dem großen Saal oder bei den feuchten Carrera-Bahn-Träumen, die in dem Zucker-Schloss-Track stecken.
Rampen, Schanzen, Boosts und jede Menge Tricks, die es zu lernen gilt, will man sich eines Tages als einen Könner dieser Pisten bezeichnen. Vor allem sind die Battle-Kurse keine reinen Minimal-Abwandlungen der Rennkurse, selbst wenn die optischen Themen ähnlich sind. Jeder dieser Kurse ist kleines Meisterwerk, das viel des gestalterischen Könnens, das in sie floss, schnell preisgibt, sich aber gleichzeitig ein paar Geheimnisse für später aufbewahrt. Für den Moment, in dem ihr denkt, dass ihr alles kennt und könnt, nur um dann doch noch mal von hinten überfallen zu werden.
Trotzdem, es zeigt sich sofort eine der großen Stärken, nämlich, dass jeder mitmachen kann. Nicht immer gewinnen, es wurde schnell genug deutlich, dass einer in der Runde nicht zuletzt auf den N64 spielte, sondern auch mal länger zwischendurch. Skill ist in Mario Kart 8 viel wert, aber auch ohne diesen gab es jede Menge Spaß auf den Folgeplätzen. Der traditionelle Battle-Modus startet nun mit fünf Ballons und solltet ihr die los sein, geht es mit noch mal drei zurück auf die Piste, damit ihr nicht gelangweilt am Rand sitzen müsst, solltet ihr euch mal zwei Minuten vor Ende etwas dusseliger anstellen. Es ist chaotisches Rumkurven in Reinstkultur, ein Klassiker der Spielewelt und hier zu viert in direkter Runde in Bestform.
Nicht weniger spaßig, vielleicht sogar der Gewinner dieses Nachmittags, war der Modus, in dem auf dem Spielfeld ein Abzeichen liegt und wer es einsammelt, sollte schnell Gas geben, denn jeder Rempler lässt das Abzeichen weiterwandern. Wer zuerst 20 Sekunden insgesamt die Flagge hatte, ist der Gewinner. Es ist simpel und darin lag die hohe Kunst, wenn der Rest stimmt. Und das tut er. Mario Kart 8 läuft auch im Handheld-Modus flüssig wie Butter - keine Ahnung, ob es 60 Frames sind, hab nicht nachgezählt - lässt den Screen in satten Farben strahlen und auch wenn ich den kleinen Joy-Con-Sticks bisher nicht viel Liebe entgegenbrachte, sie tun, was sie sollen und in Verbindung mit einem solchen Wunder des Karting-Kontrollgefühls wie Mario Kart passt es einfach. Lange Sessions vor dem großen Screen? Sicher und gern mit dem Pro, aber hier und jetzt in diesem Burger-Laden war alles perfekt.
Nun, fast. Ich meine nicht die großzügige Auswahl an allem, was man bei Mario so auf ein Kart setzen kann und auch nicht die sehr weite und frei konfigurierbare Auslegung dessen, was überhaupt ein Kart ist. Der Räuber- und Gendarm-Modus klickte nicht so schnell. Vielleicht gar nicht. Fünf Diebe versuchen frei zu bleiben, fünf Kart-Cops versuchen sie zu fangen. Dann können andere Diebe die Gefangenen wieder befreien. Es war ein konfuses Hin und Her. Mit eingespielten Teams vielleicht? Wahrscheinlich. Oder es kann einfach nicht jeder Modus ein Gewinner sein. Ich glaube trotzdem, dass selbst dieser eigentlich schlichte Modus für den Grundgedanken von Mario Kart schon eins zu weit gedacht ist. Dann lieber Münz-Jagd, letztlich eine Variation der Ballon-Schlacht oder die Bomben-Schlacht. Anderen hinterherrasen, ihnen Punkte abnehmen und sich nicht um Teams, Taktik oder Gefängnisse kümmern.
Und so saßen wir wie die hässlichen Versionen der schönen Nintendo-Menschen an einem hippen Ort, vergaßen diesen und alles andere außerhalb unseres kleinen Kreises und wurden erbarmungslos in den ewigen Zyklus aus Krötenpanzern und Boosts gezogen. Stunden vergingen im Flug und erst als der erste Akku passen musste, war der Trip hinunter die Rampen und durch den Big-N-Farbrausch beendet. Für ein paar Stunden war es an einem willkürlichen Ort so, wie es sonst war, wenn man mit sich mit Freunden vor dem Super Nintendo oder dem N64 traf und das hat mich vielleicht am Meisten beeindruckt, mehr noch als diese erwartungsgemäß hervorragende Version einer vertrauten Serie.
Das DS/3DS-Mario-Kart war nie schlecht, ganz im Gegenteil und auch das ließ sich gut mit Freunden unterwegs spielen. Mit der Switch war es aber noch einmal anders. Es war eben wirklich dieses vollwertige Spielerlebnis ohne Wenn und Aber, das aus den eigenen vier Wänden herausgetragen wurde. Früher mussten wir uns entscheiden: An den Strand und Kiffen oder Mario Kart und Kiffen. Heute kann man an den Strand gehen und immer noch das ganze Programm bekommen. Die Kids wissen gar nicht, wie gut sie es heute haben...
Entwickler/Publisher: Nintendo - Erscheint für: Switch - Geplante Veröffentlichung: 28.4.17 - Angespielt auf Plattform: Switch