Tekken 7 - Test
1000 nie gestorbene Tode: Die Mishimas sind zurück.
Der Plot ist schlimmer als die Turtles. Alle sagen immer Dinge wie "Dies ist dein Ende", "Hier wirst du sterben" oder "Das Schicksal brachte uns hierher. Hier wird es enden". Aber es endet nie. Es stirbt nie einer. Und wenn doch, dann kommt er zurück. Immer. Macht aber nichts. Sinn ergibt Tekken eh nur in dem einen Hirn, das das alles erschaffen hat, und bei ein paar verwirrten Jüngern, die noch glauben, beim Chaos um die Mishimas, das Iron-Fist-Turnier und all dem komplett irrsinnigen Blödsinn drumherum durchzublicken. Wenn es hinter dem Teufel, dem Panda und dem Kettensägen-Schulmädchen-Roboter einen tieferen Sinn gab, wurde er vor langer Zeit in wirren Dialogen verbuddelt. Am Ende geht es immer irgendwie darum, dass ein Vater seinen Sohn von einer Klippe wirft, und beide sind nie darüber hinweggekommen. Das und Megakonzerne. Und ein Panda.
Es ist nichtsdestotrotz für jemanden, der Tekken damals, als es neu war und nur eins gab, zig Stunden spielte, faszinierend zu sehen, wohin sich zehn Charaktere und ein paar kurze CG-Filmchen entwickelt haben. Wenn ich dem Story-Modus, der wieder viele CG-Filme mit gelegentlichen Kämpfen abwechselt, etwas vorwerfen kann, dann dass er gerade am Anfang zu Heihachi-lastig ist. Ich habe den Opa immer gehasst. Spielt man ihn selbst, ist er Schrott für jemanden wie mich, der schnelle Charaktere wie Law bevorzugt. Spielt die KI ihn, spammt sie die Specials schneller, als es erlaubt sein sollte. Das macht der Gute jetzt seit 20 Jahren und man kann ihm zumindest nicht vorwerfen, dass er nicht konsistent wäre. Ansonsten habt ihr ein paar Stunden Trash-Anime-Kino, das zwar nicht ganz mit der halbwegs geschliffenen Dramaturgie - und sicher dem grafisch aufwändigeren Look - eines Injustice 2 mithalten kann, aber zumindest einen neuen Schwung Tekken-Wahnsinn in die Welt wirft.
Spielerisch gab man sich im Story-Modus auch Mühe, indem der Schwierigkeitsgrad der Kämpfe der Gewichtigkeit der Lage angepasst wurde. Mit Akuma Heihachi zu vermöbeln, das fühlte sich auch nach einem soliden Sieg an. Noch wichtiger ist, dass die Special-Moves auf eine simple Tastenkombination gelegt wurden. Wenn ihr in der Story also Kämpfer übernehmt, die ihr sonst nicht spielt, müsst ihr nicht für die paar Kämpfe Moves lernen, sondern könnt sie für die ein, zwei Runden spammen und gut ist. Keine Sorge, zu leicht wird es schon auf dem mittleren Härtegrad nicht, spielt ihr auf Top-Level, müsst ihr wirklich was können, dann gibt es auch keine Hilfen mehr. Es gibt neben dem Hauptplot auch für jeden Charakter noch eine kurze Episode, die aber nur ein Kampf und eine Szene ist. Nett, ein klein wenig Fan-Service für jede einzelne Figur, und angesichts der Zahl von fast 40 Kämpfern reicht auch das für einen Abend.
Das Herz ist natürlich etwas anderes. Da wäre natürlich der Arcade-Modus, in dem ihr wie gehabt eine Reihe von Kämpfen absolviert und euch freut. Viel mehr Zeit werdet ihr aber im Treasure-Modus verbringen, denn es geht ein wenig um Schätze. Um eine In-Game-Währung. Und ja, ihr könnt sie auch für Echtgeld kaufen. Wenn ihr zu viel davon haben solltet. Nötig ist das aber in keiner Weise. Es geht um rein kosmetische Dinge wie verrückte Masken, Kleidung, Sonnenbrillen und Krams dieser Art. Ihr könnt jeden der Kämpfer ganz schön heftig verunstalten und bedenkt man, dass Yoshimitsu diesmal als Tentakel-Alien startet, heißt das einiges. Es ist aber genug, um im Treasure-Modus einen Kampf an den nächsten zu reihen, denn selbst wenn es eigentlich nur ein simpler Ausdauermodus ist, überrascht jeder neue Kontrahent mit einer wilden Kostümierung. Es gibt jede Runde Punkte und es ist natürlich die Motivation zu gucken, wie weit man es denn schafft. Dieser Modus ist so motivierend als Solospiel, dass sich das Punkteverdienen fast wie eine Nebensache anfühlt, wenn ihr die Kostüme haben wollt. Wenn nicht, dann spielt nichts davon eine große Rolle und ihr habt einfach einen netten Modus mehr in einem eh schon recht kompletten Spiel. Dieses wird noch von einem so üblichen wie solide gestalteten Trainingsmodus abgerundet, der uns zum vielleicht größten Problem eines Tekken bringt: Neueinsteiger.
Ihr habt zig Charaktere, die auch wirklich sehr unterschiedliche Qualitäten haben. Jeder hat eine Liste mit bis zu 100 Moves, verteilt auf fünf bis zehn Körperhaltungen. Fernkampfattacken zu timen ist weit schwerer, da es Seitwärtsschritte gibt, die man natürlich auch lernen muss. Springen und Angreifen ist eine rare Kunst, die perfektes Timing erfordert, das nicht einfach zu lernen ist. Natürlich gibt es pixelgenaue Momente für den Knopfdruck. Die in der sich bis heute fast serientraditionell leicht schwammig anfühlenden Bewegungskoordination zu lernen, das ist eine Aufgabe. Dazu kommt, dass die Kombos in Tekken schon immer so stark waren, dass gekonntes Air-Juggling mit finalem Rage-Move euch fast die komplette Lebensleiste rauben kann, wenn ihr für eine Sekunde unachtsam seid. Mehr noch als bei fast jedem anderem Spiel dieser Art.
Der Story-Modus mit seinen vereinfachten vier Specials suggeriert Casual-Gaming, das hier außerhalb dessen einfach nicht existiert. Das ist für die nicht wenigen Fans so gewollt, angesichts der Historie und des erfolgreichen Turniercharakters der Reihe richtig so, aber auch ein Warnhinweis an alle, die das erste Mal hier rangehen. Tekken stammt aus einer anderen Turnier-Fighter-Ära. Es hat sich wie Street Fighter, Guilty Gear oder auch Mortal Kombat - jedes auf seine Weise - nie groß darum geschert, wie man möglichst viele neue Spieler heranholt, und das hat sich mit Tekken 7 nicht geändert. Ich will euch nicht vom Einstieg abraten, im Gegenteil. Versucht es, lernt es, werdet besser, das macht Spaß. Ihr sollt nur wissen, worauf ihr euch einlasst.
Es gibt unter den 40 Kämpfern eine Reihe von Neuzugängen, die sich alle in die Thematik des in der Serie seit jeher gefeierten Charakter-Irrsinns gut einpassen. Kazumi, irgendwann mal eine weitere Ausrede, warum die Mishimas so durch sind, kommt als Engelsdämon mit dem berüchtigten Laserangriff in den Ring. Jack-7 ist die nächste Ausbaustufe des Lieblingscyborgs, Katharine und Shaheen sind als explizit einsteigerfreundliche Charaktere entworfen und funktionieren mit ihrem etwas leichter von der Hand gehenden Grundrepertoire als solche auch ganz ordentlich. Claudio, der barocke Exorzist, wirkt wie bei Soul Calibur entliehen, Gigas wie aus einem Resident-Evil-Film gefallen, und Josie ist dabei, weil jemand sehen wollte, ob sich ein Minikleid für Kickboxing eignet. Wirklich entliehen ist Akuma, der sogar mit seinen EX-Moves ein kleines eigenes Element aus seiner SF-Heimat mitbringen durfte. Ein mehr als nur solider, sehr runder Cast, wie man es von Tekken gewohnt ist.
Ich habe eben schon die Neuerung des Rage-Systems erwähnt und es gab nicht ganz unberechtigte Sorge, dass dieses eine zu mächtige Möglichkeit ist, auch für unerfahrene Spieler, schnell mal ordentlich Schaden reinzudrücken. Das stimmt so lange, bis ihr auf Spieler stoßt, die dieses System akzeptiert haben und lernten, damit umzugehen. Bei mehreren Online-Matches hatte ich den Eindruck, dass der andere nur darauf gewartet hat, dass ich meinen - visuell vergleichsweise unspektakulären - Rage-Boost nutze. Dieser taucht abhängig vom eingesteckten Schaden auf und ist ja auch als Konter gedacht, wenn jemand sehr schnell am Stück seine Lebensleiste einbüßt. Diese Spieler jedoch wussten genau, dass ich, sobald ich die Möglichkeit habe, diesen Move auch nutzen würde, und spielten minimal vorsichtiger, um genau den Moment abzupassen, in dem meine Rage-Animation starten würde. Da mein Timing nicht so tadellos war, ließen sie mich ins Leere laufen und bestraften mich umso härter. Rage ist also einfach "nur" ein weiteres taktisches Element und funktioniert als solches vielleicht noch nicht bis ins Letzte tadellos - die Community hat Monate an Debatten vor sich, bei welchem Charakter die Rage-Timings und -Reichweiten etwas besser funktionieren -, ist aber durchaus reizvoll und eine Bereicherung für Tekken.
Recht mager ist das Spiel bei seinen Online-Optionen. Ihr habt Ranking-Matches und freie Matches, könnt Spiele selbst erstellen, und das ist es weitestgehend auch schon. Andere - Injustice 2, Guilty Gear - sind da deutlich ambitionierter als das sehr puristische Tekken 7. Dafür spielt es sich praktisch Lag-frei, wenn ihr eine entsprechende Verbindung habt. Die Region und Signalstärke lässt sich bei der Suche einstellen und ich habe deutlich gemerkt, dass es einen Unterschied macht, ob ich meine heimische Leitung in einem überschalteten Berliner Altbau nutze oder die weit bessere im Büro. Dort fand ich schnell zig Matches, die tadellos liefen, während ich zu Hause anscheinend unterhalb der gewählten Qualität von gefühlt hundert Prozent der Spieler lag und es ewig dauerte, bis ein Match zustande kam. Das dann immerhin ordentlich lief, das muss gesagt sein.
Dass es etwas länger bis zu einer Runde dauert, ist übrigens generell der Fall. Selbst bei der guten Leitung dauerte es schon mal 30 oder 40 Sekunden, aber die bringt ihr auf einem Trainingsscreen zu. Das ist eine klasse Sache, denn es fühlt sich so richtig nach dem Aufpumpen und Warmmachen vor dem großen Match an. Ihr lasst drei Specials los und wenn es dann "Fight!" heißt, gehen eure gelockerten Finger gleich ins volle Programm über. Was in meinem Fall oft genug das komödiantische Element eines enthusiastisch posenden Kämpfers bedeutet, der in den Ring steigt, nur um in der ersten Runde gleich so richtig eins auf die Zwölf zu bekommen...
Auf der PS4 gibt es einen VR-Modus, den ich allerdings nicht selbst gespielt habe. Es ist auch kein vollwertiger Kampfmodus, sondern nur eine Art Trainingsmodus. Dazu gibt es noch einen Schau-Modus, bei dem ihr euch die Figuren in 3D angucken könnt. Es ist ein kleines Goodie für alle VR-Eigner, aber sich kein Grund für diese nur dafür das Spiel zu kaufen.
Tekken bleibt Tekken, auch in Tekken 7. Das Rage-System krempelt nichts um. Es ist eine neue, aber nichts umwälzende Komponente, mit der die Community der Enthusiasten schnell umzugehen lernen wird. Was bleibt, ist auf der einen Seite ein so komplexes wie umfangreiches System aus zig Moves für sehr unterschiedliche Kämpfer, von denen jeder eine Wissenschaft für sich sein kann. Aber eben auch das nicht leicht zugängliche, sich nach wie vor etwas schwammig anfühlende Spielgefühl, das es nicht einfacher macht, in die pixelgenauen Kontermomente einzusteigen. Da kann die absurde Story euch noch so sehr mit Specials auf Knopfdruck unter die Arme greifen: Wenn ihr erst mal in den anderen Modi oder im Online-Spiel steht, ist Schluss mit lustig, der Ernst des Tournament-Fighter-Lebens hat begonnen. Das zu trainieren macht dank des so simplen wie effektiven "Loot"-Modus mehr Spaß als zuvor, zumal dieses Loot eben keinen Einfluss auf das Spiel hat, sondern nur darauf, dass ohnehin absurde Fighter noch absurder aussehen dürfen. Das heißt auch, dass sich niemand Gedanken über Echtgeld in diesem Fighter machen muss, außer ihr wollt wirklich SOFORT ALLE komischen Hüte und Sonnenbrillen haben. Am Ende des Tages würde ich sagen, dass Street Fighter bei den beiden alten großen Serien der Couch-Vs-König bleibt, aber Tekken auch in diesem Punkt keineswegs weit dahinter ansteht und mit Nummer sieben ganz sicher das weit vollständigere Spiel und eines der insgesamt Besten seiner Art abliefert.
Entwickler/Publisher: BANDAI NAMCO / BANDAI NAMCO - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 50 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One - Sprache: deutsch, englisch, japanisch - Mikrotransaktionen: Ja, rein kosmetische Veränderungen