NBA 2K18 - Test
Damned if you do, damned if you don't.
Oh 2K, wohin soll das noch führen? Jahr um Jahr wird dein Basketballspiel besser, man staunt Bauklötze über die Authentizität auf dem Platz, schätzt die gewissenhafte Analyse der wenigen Schwächen der letztjährigen Ausgabe und schmunzelt über die doofen Sprüche im Story-Modus. Man weiß, seit Jahren kommt man eigentlich nicht drum herum, auch dieses Jahr wieder auf deinem Court die Stiefel zu schnüren. Aber man merkt: Du weißt es auch - und nimmst einen Teil des anfänglichen Spaßes deines neuen NBA 2K mit Mikrotransaktionen ein Stück weit in Geiselhaft.
Dabei ist es in der Praxis vielleicht nicht ganz so schlimm wie letztes Jahr, weil man auch spielerisch mehr der künstlich überteuerten VC-Währung verdient. 500 VC sind neuerdings euer Festgehalt pro Spiel, ganz gleich, was ihr leistet, den Rest verdient ihr obendrauf für eure Performance. So kommt man tatsächlich aus dem anfänglichen 60er Loch zügiger raus als sonst und hat schneller das, was landläufig "Spaß" von "Grind" unterscheidet. Trotzdem wirkt der neue Teil gieriger, weil die Mikrotransaktionen noch näher unter der Oberfläche liegen.
Bei der Spielererstellung fragt man sich noch, warum man nur noch zwischen fünf Frisuren wählen darf. Stapft man das erste Mal in die eigentlich sehr clevere Zusammenlegung von Individualisierungsmenü, Online-Hub und Pro-Am-Modus - die neue "Neighborhood" - gibt's natürlich einen Frisör, der seine Dienste und damit viele andere Frisuren, die es einst umsonst gab, gegen VC anbietet. Die kosten zwar eher Kleckerbeträge, aber allein die Tatsache, dass sie zuvor einfach so verfügbar waren, hat schon Geschmäckle. Dazu kommt das zugegebenermaßen bestens zur NBA passende, aber aggressive Product Placement. An einem Punkt bekommt der euer Avatar von Freunden einen neuen Kopfhörer geschenkt - "Wow, die neuen JBL!!!" - aus keinem anderen Grund, als dass der Markenname fallen kann.
Kurzum: Auch dieses Jahr hat man das Gefühl, dass 2K im Schnitt gerne 80 Euro von seinen Kunden hätte, statt der 60, die eigentlich auf der Packung stehen. Das "Gute": Man kommt mit etwas Ausdauer und Geschick drum herum, weil man tatsächlich etwas einfacher an Punkte kommt als damals. Wer sich auf den überarbeiteten myGM-Managermodus fokussiert und sich ohnehin eher auf die realen Teams verlässt, drückt sowieso ein Auge zu. Mit eigens erstelltem myPlayer trifft man online aber fast grundsätzlich auf Leute, die sich ihre 90-Punkte-Superstars einfach zusammenkauften. Ein ungesundes, unfaires Wettrüsten ist das und in diesem Spiel definitiv ein Problem. Sagen wir es so: Ich will NBA 2K sicher nicht missen und bewundere Kreativität und Handwerk, die jedes Mal aufs Neue zur Schau gestellt wird. Aber das Jahr, in dem EA ein passables NBA-Spiel ohne derartiges Handaufhalten hinlegt, dürfte ein sehr interessantes werden. Großes Vertrauen darin, dass das zeitnah passiert, habe ich nicht.
Gut, dass wir drüber gesprochen haben. Schade, dass wir mussten. Denn eigentlich würde ich viel lieber über das Spiel an sich reden. Im Grunde ist es schon wieder ein starkes Jahr einer Ausnahmereihe. In Bewegung kommt weiterhin kein Videospiel seiner realen Vorlage so nahe, wie NBA 2K. Die Übergänge in den Animationen, die Spielintelligenz der Mitspieler, die Art, wie sie die Playbooks der echten Teams ins Spiel übertragen und so ein elegant-brutales Ballett aufs gewienerte Parkett legen - Familienmitglieder, die nur kurz den Kopf zur Tür reinstecken, oder sich mal eben vor der Glotze vorbei drängeln, täuscht dieses Spiel mit großer Zuverlässigkeit. Es gibt solche Unmengen an kleinen Details, man weiß wirklich nicht, wohin man als erstes schauen soll.
Auf den ersten Blick sind die Neuerungen eher struktureller Natur und beziehen sich vor allem auf den Karrieremodus. Zur Abwechslung wird euer myPlayer mal nicht gedrafted, sondern auf einem Streetball-Court entdeckt. Die Dialoge und Zwischensequenzen sind mal wieder genauso pubertär fremdschämig wie sonst auch, trotzdem funktioniert das Ganze mal wieder ausgezeichnet (nehmen wir Spike Lees Versuch, ein Straßendrama in NBA 2K16 zu erzählen, mal außen vor), um euch mehr an eure Figur zu binden. Der gesamte NBA-Zirkus ist ohnehin mittlerweile so nah an einer TV-Übertragung, wie es nur geht. Die Arbeit der Stammkommentatoren sowie ihrer neuerdings wechselnden Stargäste - von Kobe Bryant bis Chris Webber, die viel über die laufende Partie und ihre Akteure zu sagen haben -, ist Sportspiel-übergreifend ohne Konkurrenz. Die schnell geschnittenen Einspieler vor und nach einem Match, die Pre-Show-Analyse mit Shaquille O'Neal und all die Experteninterviews... es ist unfassbar, wie das alles zusammenkommt.
Auch die neue Neighborhood gefiel mir in Idee und Umsetzung gut, gibt der etwas sterile und vielleicht ein wenig zu groß geratene Häuserblock der Online-Kompente und den Individualisierungsoptionen eures Spielers doch ein nahbares Gesicht. Auch dass man von der Umkleidekabine nach dem Abpfiff eines Spiels direkt zum nächsten springen kann, wenn einen das Drumherum nicht interessiert, entschlackt den Ablauf merklich und erfreut vor allem Dauerspieler. Es ist alles ein bisschen griffiger, unmittelbarer gelöst und das Spiel ein besseres dadurch.
Aber auch spielerisch, bin ich in diesem Jahr wieder sehr angetan. Das liegt in an dem neuen Animationssystem, das weniger optisch als spielerisch etwas für die Reihe tut. Zuvor längere Einzelanimationen werden nun kleinteiliger stückelt und clever aneinandergereiht. Das bedeutet, dass man nun zu jedem Zeitpunkt eines Bewegungsablaufs Kontrolle üben kann (sofern der Spieler Kontakt zum Boden hat) und die einzelnen Moves nicht mehr so automatisiert abgespielt werden. Im Resultat fühlt sich euer Spieler nun schon zu Beginn reaktiver und flinker an als im letzten Jahr und man ist ausufernden Bewegungen nicht mehr so lange ausgeliefert, was einiges fürs Spielgefühl tut. Es öffnen sich einem leichter Räume, weil Double-Moves einfacher fallen, ich war schneller unterm Korb für Rebounds, weil der Körper meines Spielers meinen Befehlen schneller Folge leistete und fand das Spiel von Anfang an intuitiver zu steuern.
Dazu passt, dass Fast Breaks nun deutlich befriedigender ablaufen. Vorbei die Zeiten, in denen man Laufduelle beinahe grundsätzlich verlor. Gegner holen nun nicht mehr so häufig auf und wenn man durch ist, ist man das in diesem Jahr auch wirklich. Gut möglich, dass auch hier die verbesserten Animationen eine Rolle spielen, weil Richtungskorrekturen häufiger kommen können und man so keine wertvollen Sekundenbruchteile mehr verschenkt. Woran auch immer es liegt, ich bin froh, dass meine Tempogegenstöße nun häufiger erfolgreich verlaufen.
Die neue Schussanzeige verdächtigte ich zunächst, einfach nur dasselbe in anderer Form zu sein, treffe aber nun nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich zuverlässiger meine Schüsse, sofern mein Timing stimmt. Allerdings gibt das Spiel nun auch besseres Feedback, was beim letzten Versuch gut oder schlecht gelaufen ist, etwa auch, wie eng ihr verteidigt wurdet. Dazu kommt ein neues Skelett für die Spieler und überarbeitete Gesichtsstrukturen, was Visual Concepts größere Ähnlichkeit der virtuellen Athleten zu ihren Vorbildern ermöglicht. Hier muss man schon auf gute Vergleichsbilder zurückgreifen, um die Verbesserungen wirklich eindeutig auszumachen, weil viele Spieler vorher schon fantastisch getroffen waren. Aber mir sind schon ganz bewusst eine Handvoll aufgefallen, deren Maße im letzten Jahr noch nicht ganz die echten Proportionen ihrer Vorbilder wiederspiegelten. Und dass sogar die Server in diesem Jahr mir persönlich weniger Probleme bereiteten, wäge ich mal als gutes Zeichen für das, was kommt.
Der myGM-Managermodus gefällt nicht nur, weil man sich in ihm um VC kaum Gedanken machen muss, und kommt in diesem Jahr sogar mit eigener Geschichte und Wahlmöglichkeiten daher. Die ist zwar deutlich weniger flashy präsentiert, kaum vertont und hat eher Text-Adventure-Charme, aber das passt zum Zahlenverliebten Modus ohnehin ganz gut. Die Entscheidungen die man für die Mannschaft trifft, sind natürlich deutlich tiefgreifender, als alles, wofür man im Rahmen der Story einen Daumen rauf oder runter zeigt. Aber trotzdem gewinnt man so ein Gefühl für Befindlichkeiten und das Leben eines GM. Taktisch-strategisch ohnehin einer der absorbierendsten Sportspielmodi.
Auch dieses Jahr also die Empfehlung wieder mit dickem Sternchen: NBA 2K18 ist weiterhin die wohl überzeugendste Teamsport-Simulation, die man für Geld kaufen kann; ein goldwürdiges Referenzklasse-Spiel, technisch ohne Gleichen und randvoll mit exzellentem Content und sinnigen Verbesserungen, das es so nirgendwo anders gibt. Aber es ist auch eines, das man sich dringend verkneifen sollte, wenn man Mikrotransaktionen prinzipiell kritisch sieht. Klarer kann ich es nicht formulieren.
Und doch: Wer dieser Reihe ohnehin verfallen ist, bringt auch den langen Atem auf, sich in der Karriere durch eine mäßige erste Saison zu bollern und sich mit den dort gut 50.000 verdienten VC so aufzupolstern, dass man sich allmählich an Starter-Regionen herantastet. Ist ja nicht so, dass man das hier nicht so oder so für zehn Saisons oder mehr spielte. Dass das alles nicht hätte sein müssen, ist für diesen Schlag Spieler nur eine kleinere Irritation, so einnehmend ist die Simulation auf dem Court.
Wie gesagt: Ich weiß nicht, ob EA es in sich hat. Ich bin nicht einmal sicher, ob irgendjemand Visual Concepts je das Wasser reichen kann. Aber das hypothetische Jahr, in dem ein NBA Live mal in Armlänge von dem hier ist, ohne ständig mit dem Klingelbeutel rumzugehen, wird ein verdammt interessantes. Bis dahin führt an NBA 2K18 kein Weg vorbei.
Entwickler/Publisher: Visual Concepts / Take Two - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC, Switch - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Englische Sprachausgabe, deutsche Texte - Mikrotransaktionen: Ja, Spielerverbesserungen und Kosmetisches