Shadow of the Colossus PS4 Remaster - Test
Näher an dem, was es einmal sein wird.
Das Remaster des Remaster, muss das denn sein? Gibt es nicht genug neue Spiel? Oder zumindest erstmalig ge-remaster-te? Nun, valider Punkt, gehe ich auch mit konform, aber es gibt ein paar Spiele, die erhaltenswert und auch weiterentwickelbar sind. So wie das kommende Remaster von Dark Souls wohl ein wenig mit der Mischung aus nicht zu üppigen Budgets und bedingt vorhandenem technischen Anspruch aufräumen müsste, so ist auch Shadow of the Colossus mehr ein Spiel, das langsam auf der Plattform ankommt, für die es gedacht war, als ein simples Ankokeln vor Jahren abgefackelter Glorie.
Rein technisch könnt ihr das in dem sehr umfangreichen Artikel von Digital Foundry nachlesen. Eine Reihe von Techniken für die Landschaften, den Lichteinfall, die Animationen und vieles mehr wurde auf der PS2 notdürftig gezimmert, in der Hoffnung, dass die schon in die Jahre gekommene Konsole nicht einfach ob der Präsenz dieses alles abfordernden Spiels explodiert. Komplexe Berechnungen wurden reduziert, Texturen nicht das, was sie sein sollten, manche nötigen Techniken waren noch nicht mal erfunden. Die PS2-Version von Shadow of the Colossus war eine fast schon unverschämt grandiose Vision dessen, was sein kann. Es war wortwörtlich der Schatten eines Kolosses, der erst noch ins Licht treten musste.
Mit der PS4-Version ist es nun soweit. Die PS3-Fassung kann man als erste Zwischenstufe betrachten, die das Spiel so zeigte, wie man es sich vielleicht zu PS2-Zeiten gewünscht hätte, aber es ging noch nicht allzu viel weiter als das. Diese neue Version jedoch ist ein (weiterer?) Schritt in Richtung dessen, was die ultimative Version dieses bedeutsamen Spiels sein kann. Nicht perfekt, es bleibt Luft für eine PS5-Version. Wenn ihr also geschworen habt, immer nur eine Fassung eines Spiels in eurem Leben zu kaufen, solltet ihr vielleicht noch warten... Aber das ist dann euer Verlust, denn wer weiß, ob und wann das kommt und diese Fassung hier ist jetzt und heute ein Wunderwerk.
Nicht nur ein Wunderwerk der Technik, selbst wenn diese nun nicht mehr nach einem PS2-Upgrade, sondern durch und durch nach einem legitimen PS4-Titel aussieht - und sich auch so anhört, die Klangqualität machte durchweg noch mal einen Sprung in klanglich wertvolle Regionen. Vom tiefen Grollen, erschütterndem Aufstampfen bis hin zu kleinen Details wie durch Gras laufen oder die Aussteuerung der eigenwilligen Kunstsprache bekommt ihr einen akustischen Genuss dargeboten.
Aber all das außen vor, das Spiel selbst gehört zu den beeindruckendsten und konsequentesten Visionen in Sachen Design und Umsetzung, die je das Licht einer Freigabe und tatsächlichen Produktion sahen. Kleine Indies mal außen vor, die da weit weniger eingeschränkt sind, Shadow of the Colossus ist ein Beleg für Sonys Mut gelegentlich ein Studio einfach mal laufen zu lassen und zu gucken, was passiert. Wenn es ideal wird, dann wird es Shadow of the Colossus, der meiner eigenen Meinung nach mit Abstand größte Wurf unter den drei Team-ICO-Spielen. Die Prämisse klingt dabei schon nach etwas, das zum Tod durch Marketing verdammt scheint. Ein einsamer Held muss die Liebe seines Lebens retten, indem er in einer leeren, weiten Welt gerade mal etwas mehr als ein Dutzend Gegner besiegt. Es startet erhaben und traurig und von da an geht die Stimmung nicht unbedingt nach oben. Klingt nach einem Gewinner, oder?
Shadow of the Colossus hat diese klassischen Videospielmomente. Meist dann, wenn ihr es geschafft habt, überhaupt erst mal herauszufinden, wie ihr einem der namensgebenden Kolosse überhaupt gefährlich werden könnt, dann wenn ihr dieses Wissen zum vierzehnten Mal anzuwenden versucht, nur um im letzten Moment einen Sprung zu verpassen und dann, wenn der letzte Schlag mit Wucht sitzt. Es sind klassische Mechaniken, die sich in dieser Fassung dank verbesserter Animationen und weit präziserer Steuerung ohne den unnötigen Frust bewältigen lassen, den die in diesen Punkten noch unvollkommenen vorigen Fassungen bereithielten. Die Zahl der "aber-ich-habe-doch-alles-richtig-gemacht"-Momente, in denen das stimmt und der Held trotzdem schmerzhaft auf dem Hintern landet, ist nun auf ein Minimum reduziert. Man kann es fast ein wenig mit Dark Souls vergleichen: Es ist nicht einfach, aber methodisch und mit Ruhe und Köpfchen kein Hexenwerk, bei dem der Zufall eine echte Rolle spielen würde.
Auch die Reisen sind nichts, über das der Gameplay-Designer Studien verfassen würde. Ihr reitet halt auf eurem Gaul durch recht leere Landschaften, haltet gelegentlich das Schwert hoch, um zu sehen, in welche Richtung der Lichtstrahl als Navigationshilfe euch lenkt und manchmal klettert ihr noch etwas behäbig durch einen Canyon, um zu eurem nächsten Ziel zu kommen. Das ist alles spielerisch völlig okay und macht auch genug Spaß, wäre ja schlimm, wenn nicht. Aber die eigentliche Magie dieses Spiels ist eine andere.
Shadow of the Colossus gehört zu den Spielen, die mutig genug sind, eine Welt zu entwerfen und dann die Geschichte zu weiten Teilen nur durch eure eigene Fantasie erzählen zu lassen. Ihr bekommt Anhaltspunkte, Namen, Eindrücke, aber nur wenig Zusammenhänge. Erst ganz zum Schluss wird es etwas konkreter, aber vieles im Hintergrund, was andere Spiele expliziter erklären würden und oft genug fast schon vorbeten, bleibt hier in einer Schwebe. Nichts davon kann ich euch verraten und wenn ihr euch einen Gefallen tun möchtet, dann lest nicht auf Wikipedia oder woanders eine Zusammenfassung, denn selbst wenn diese sicher im Grunde nicht falsch ist, muss es nicht das sein, was ihr selbst erlebt. Wie auch der Charakter macht der Spieler eine Art Reise durch, die mehr und mehr einen ungewissen emotionalen Ausgang haben wird. Da dieses Spiel kaum den dem Medium sonst üblichen erzählerischen Konventionen folgt, werdet ihr nie sicher sein, ob ihr euch über Triumphe freuen sollt oder was ihr am Ende zu erwarten habt.
Ein wichtiges Element dabei ist die Reise zu Pferd durch die sehr weite und leere Welt und zwar weit über das eben genannte spielerische Element hinaus. Als fast einziger NPC, der noch dazu stumm ist - es ist halt ein Pferd -, beginnt ihr nach und nach fast automatisch eine Bindung zu diesem Begleiter zu spüren, so, wie es wohl in der Realität der Fall wäre. Es ist der einzige konstante emotionale Bezugspunkt, der euch ein wenig von der Unwirklichkeit der Umgebung löst. Diese ist schön, jetzt mehr als je zuvor. Das fahle und doch grelle Licht, das oft durch die Wolken bricht, die abweisenden Schluchten, die weiten Flächen von Gras trennen, dunkle, unberührte Wälder frei von Tieren, jede Pore dieser Welt drückt genau eines aus: Einsamkeit. Hier ist nichts. Nur ihr. Und dieses Gefühl ist nichts, was man in Minuten abrufen kann. Es ist ein Zustand, der über Stunden erreicht, intensiviert und gepflegt wird. Bis zu dem Punkt, an dem ihr die Kolosse mehr als unwahrscheinliche Gefährten in einer von früher Entropie gezeichneten Welt wahrnehmt und euch langsam aber sicher nicht mehr gut dabei fühlt, sie zu jagen und zu erlegen. Dass keine der Bestien wirklich von sich aus euch jagt, sondern ihr der Eindringling seid, macht die Sache nicht unbedingt besser.
Das fast banale Spielelement der Reise selbst, der langen Wege, gibt euch die Zeit, darüber zu reflektieren. Das passiert fast automatisch nach einer Weile. Eure Gedanken driften ab, über das, was euch das Spiel zeigt, was eure Fantasie draus macht. Es ist ein friedliches Erleben einer Ruhe vor einem stillen Sturm, der dann immer wieder im Kampf gegen den nächsten Koloss kumuliert und, sofern ihr euch darauf einlassen könnt und auch einlasst, indem ihr dieses Spiel über Stunden spielt - nein, kein Titel, den man für eine halbe Stunde zwischendurch einwirft - euer Empfinden gegenüber der gesamten Spielsituation verändert. Auf welche Weise und wie ihr nach dem letzten Koloss dann dasteht: Es gibt am Ende nur einen Weg, um das herauszufinden. Daher, je weniger ihr über das Spiel und den Weg durch seine Welt wisst, bevor ihr es das erste Mal startet, desto besser.
Es ist selten, dass ein Spiel sich in solcher Konsequenz auf einen so unsicheren Weg zum Spieler einlässt, es ist eine sehr eigene Erfahrung und es gibt sicher auch Spieler, an denen Shadow of the Colossus, auch in dieser bis jetzt besten Form, abprallen wird. Wie schon gesagt, die Spielelemente sind keineswegs banal und die Kolosse bieten eine gute Herausforderung, aber das ist nicht das, was diesen Titel zu einem der relevantesten in der Diskussion Spiele und Kunst macht. Es geht dabei nicht darum, dass es eigen aussieht - was es tut -, sondern dass Shadow of the Colossus euch auf eine emotionale Reise schicken möchte, in der es sich als Katalysator zur Verfügung stellt und auf intelligente Weise klassische Spielelemente auf nicht alltägliche Weise nutzt.
Das mit der emotionalen Reaktion und Reise, ausgelöst durch ein gestalterisches Werk, ist so ziemlich die einfachste Definition dessen, was in diesem Zusammenhang mit dem Begriff "Kunst" verbunden wird, also Glückwunsch, es gibt mindestens ein Spiel, das Kunst ist, Debatte beendet. Macht es Spaß? Das ist eine nicht ganz leichte Frage. Sie lässt sich in erster Linie damit beantworten, was ihr von einem für euch guten Spiel erwartet. Satte Action mit Kurzzeit-Abschalt-Faktor zwischen Feierabend und Abendessen ist das hier nicht. Es ist auch nicht das komplexe Regelwerk eines verschrobenen Tiefenschürfers wie Dark Souls. Es ist ein solides Spiel, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, euch emotional auf eine ganz eigene Art herauszufordern und auf einzigartige Weise in dieser Währung zu entlohnen. Dass ihm das bei so vielen Spielern so dermaßen gut über die letzten zehn Jahre gelang, sollte ein Hinweis sein, dass ihr es vielleicht auch einmal versuchen solltet.
Und ja, falls es irgendwo nicht deutlich genug war: Die Qualität dieses Remasters ist diesem Spiel würdig. Würde ich es nicht kennen und jemand sagt mir, dass dies ein komplett neues Spiel für die PS4 ist, hätte ich keinen Grund das anzuzweifeln und wäre einmal mehr beeindruckt, was Konsolen heute so leisten können.
Entwickler/Publisher: Bluepoint / Team Ico / Sony - Erscheint für: PS4 - Preis: etwa 45 Euro - Erscheint am: 7.2.2018 - Getestete Version: PS4 (mit und ohne Pro) - Sprache: deutsche / englische Bildschirmtexte - Mikrotransaktionen: Nein (Auch wenn es wohl kosmetische Vorbesteller-Boni wie eine andere Farbe für das Pferd gibt. Keine Ahnung, ob man diesen Unsinn auch so kaufen kann. Falls ja, dann ist das wohl eine Art neue Pferderüstung...)