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ChromaGun: Der Einstieg der Pixel Maniacs in die Spielebranche und die Abkehr von Apps

CEO Benjamin Lochmann über die Vergangenheit und Zukunft des Studios.

Kennt ihr das in Nürnberg ansässige Studio Pixel Maniacs? Im Jahr 2004 gegründet, hat es eine lange Geschichte hinter sich. Von den Entwicklern habt ihr möglicherweise erst vor kurzem gehört, als ihr erstes Konsolenspiel ChromaGun erschien. Ein Titel, der nicht nur optisch an Valves Portal erinnert und euch durch zahlreiche Testkammern schickt, wo ihr anhand verschiedener Farbkombinationen Rätsel knackt.

Für die die Pixel Maniacs ist es der erste Vorstoß in diesen Bereich. ChromaGun erschien für PC und Konsolen und es bleibt nicht das letzte Konsolenprojekt des Studios, dessen Geschichte im Grunde in der Schulzeit von CEO Benjamin Lochmann begann: "Ich hole etwas aus: Während meiner Schulzeit hatte ich einen kleinen Battle mit einem Schuldfreund am laufen. Es ging dabei darum, wer das bessere Tamagotchi nachbaut. Mein Kumpel benutzte VBScript, ich entwickelte mein Tamagotchi in Delphi. Wir dachten uns irgendwann, dass es doch schade ist, wenn nur wir unsere Tamagotchis spielen können", sagt er.

"Da mein Vater bereits recht früh anfing, als Hobby Webseiten zu programmieren, sprang ich auf den Zug auf und baute mir ebenfalls eine erste eigene Webseite zusammen, um unsere Tamagotchis öffentlich zugänglich zu machen. Ich nahm im Laufe der Zeit immer mehr Spiele und andere Freeware auf der Webseite auf, wodurch das Projekt zu einem kleinen Software-Download-Portal wurde und erste Werbeumsätze abwarf. Mehrere Webprojekte kamen hinzu, weshalb ich mich zu meinem 18. Geburtstag dazu entschied, eine Ein-Mann-GmbH zu gründen. Nach meinem Abi 2005 widmete ich mich voll und ganz der Firma."

Seit 2011 hat das Studio zahlreiche Mobile-Apps und -Spiele veröffentlicht, in den Jahren davor gründete Pixel Maniacs verschiedene Webprojekte. Dazu zählen zum Beispiel lerntippsammlung.de oder homepage-baukasten.de, das mehr als elf Millionen Nutzer in acht Sprachversionen hat und in eine externe Firma ausgegründet wurde. Eine lange Zeit arbeitete er alleine und konzentrierte sich auf kleinere Projekte.

2011 stieß er während einer längeren Zugfahrt ohne Internetzugang auf die XCode-Doku und erstellte daraufhin eine App namens "Mäxchen mit Fake-Button", die einen guten Umsatz einbrachte. Im Anschluss daran kamen weitere Mitarbeiter hinzu, die ihrerseits Apps erstellten. So kam das Studio schnell auf acht Beschäftigte und konzentrierte sich auf kleinere Apps und Casual-Games, darunter Stadt, Land, Fluss, Vier Gewinnt oder Sudoku Champions.

Zu den PC- und Konsolenspielen kam man durch das Event "Ludum Dare". Während des Game Jam entstand innerhalb von 72 Stunden ChromaGun, das anschließend nicht im Ludum-Dare-Archiv verstauben sollte.

"Als Publisher von Apps lag nahe, das Spiel zunächst als mobile Version zu launchen. Die App floppte trotz mehrerer Monate Arbeit vollkommen und brachte uns einen großen finanziellen Verlust ein. Das Feedback der wenigen Kunden war jedoch prinzipiell positiv: Das Spielprinzip war eingängig und erinnerte viele an das bekannte Puzzle-Spiel Portal von Valve. Hauptkritikpunkt war zumeist die Steuerung, die auf mobilen Endgeräten bei Spielen aus der Ego-Perspektive nicht gut funktioniert", erklärt Lochmann.

Da die Entwickler selbst Steam nutzen, dachten sie sofort daran, es dort zu veröffentlichen. Bis es dazu kam, zogen einige Monate ins Land. Durch den Steam-Release erzielte das Studio zwar etwas Umsatz, profitabel war das Spiel weiterhin nicht. Als Grund dafür sieht er das Marketing. Hier wendete das Team Verfahren an, die bei Apps erfolgreich funktionierten, auf anderen Plattformen nicht.

"Durch Hilfe von Industriekollegen erfuhren wir schnell, dass das nicht die Art der Werbung ist, die für Indie-Studios in der PC- und Konsolenwelt Sinn macht. Seitdem geben wir für solche Werbeformen nahezu kein Geld mehr aus und fokussieren uns mehr auf das Anschreiben von Magazinen, Streamern, Videocontent-Erstellern und anderen Influencern, auf Messebesuche und Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen wie Twitch, Twitter, Facebook, Reddit, etc. Kurz danach erfanden wir unsere Brand 'Pixel Maniacs', unter der wir seitdem aktiv sind."

Zwischenzeitlich entstanden weitere Apps und das Team nahm 2016 an einem weiteren Game Jam teil. Daraus resultierte das Projekt Can't Drive This, das eine erfolgreiche Greenlight-Kampagne nach sich zog. Für die Pixel Maniacs war das ein Zeichen, am Ball zu bleiben. Rückblickend betrachtet Lochmann es als den Zeitpunkt, an dem das App-Geschäft des Studios endete und das PC-/Konsolen-Geschäft begann.

"Wir betreiben unsere Apps zwar weiterhin, sie bringen auch nach wie vor der Firma Umsatz ein, jedoch produzieren wir keine neuen mehr. Der App-Umsatz ist stetig sinkend, der Spieleumsatz steigend. Unsere Herausforderung besteht nun darin, mit unseren Spielen profitabel zu werden. Wir wurden zwischenzeitlich dankenswerterweise von der bayerischen Spieleförderung, dem FFF Bayern, gefördert."

Der "ernsthafte" Einstieg in die Spielebranche erfolgte erst 2015 mit den PC- und Konsolenspielen, sagt Lochmann. Er glaubt, dass sich die Branche in dieser kurzen Zeit stark verändert hat. Es war zum Beispiel noch nie so einfach, als Indie-Entwickler ein Spiel zu veröffentlichen - selbst auf den Konsolen.

Gleichzeitig gibt es immer mehr Konkurrenz. Steamspy zufolge stieg die Zahl der Veröffentlichungen gegenüber 2016 noch einmal an und er rechnet damit, dass dieser Trend sich fortsetzt. Daher brauche es qualitativ hochwertige Spiele, neue und kreative Ideen sowie ein gutes Marketing, um aus der Masse hervorzustechen.

"In Deutschland im Speziellen ist gerade zur aktuellen Zeit eine große Wende erkennbar: Die Politik erwähnt Computerspiele in den meisten Parteiprogrammen, von 'Killerspielen' spricht schon lange niemand mehr. Das Budget nicht nur der bayerischen Spieleförderung steigt in den letzten Jahren kontinuierlich, der neuerliche Zusammenschluss des BIU und des GAME Bundesverbandes wird langfristig eine starke Stimme für die Spieleindustrie im Ohr der Politik sein, wodurch nicht nur eine bundesweite Förderung von Games in greifbare Nähe rückt."

Ihr erstes Konsolenprojekt ChromaGun erinnert zwar an Portal, bei der ursprünglichen Version des Spiels, die während des Game Jams entstand, war das noch nicht so sehr der Fall: "Als wir dann allerdings die Monster-ähnlichen Gegner durch abstrakte Kugeln/Droiden ersetzten, einen Sprecher einbauten und sich das Ganze in Testräumen abspielte, war auch uns die Ähnlichkeit klar. Da wir wussten, dass viele das Spiel mit Portal vergleichen, akzeptierten wir das lieber offensiv und griffen die Thematik durch Querverweise auf das vermeintliche 'Original' weiter auf, wie auch in unserem Trailer erkennbar ist", erläutert er.

In Entwicklung befand sich der Titel seit dem Game Jam, es floss mal mehr, mal weniger Arbeit in das Projekt. Nach der jüngst erfolgten Veröffentlichung der Switch-Version steht noch eine Umsetzung für PlayStation VR auf dem Programm. Diese war nicht geplant und entsteht vor allem aufgrund der vielen Nachfragen im entsprechenden Subreddit.

Während der Arbeit am Spiel waren die Entwickler mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählte, dass sie den Aufwand einer Entwicklung für PC und Konsolen unterschätzten. Ebenfalls nicht leicht fiel die Umstellung von einer Einzelkämpfer-Firma, wie Lochmann sie bezeichnet, hin zum Teamwork.

Bei der Entwicklung kleinerer Apps entwickelte einer der Mitarbeiter die Idee, ein anderer kümmerte sich um das Design und die Artworks und ein Dritter um die technische Umsetzung für iOS oder Android. Ein weiterer Entwickler beschäftigte sich anschließend mit der Umsetzung für die jeweils andere Plattform. Dabei war wenig Zusammenarbeit oder Abstimmung nötig. Bei der Entwicklung von PC- und Konsolenspielen sieht es anders aus. Die Absprache und Kooperation zwischen allen Teammitgliedern ist hier während der jahrelangen Entwicklungszyklen viel enger.

Dass dabei Fehler passieren, ist nicht ungewöhnlich: "Es gab eine Menge an Bugs während der Entwicklung, einer ist mir jedoch besonders hängen geblieben. Wir hatten zum Launch von ChromaGun eine Speedrun-Challenge ins Leben gerufen, bei der man Steam-Guthaben gewinnen konnte. Die meisten Teilnehmer brauchten um die drei Stunden, bis kurz vor Einsendeschluss zwei Einträge mit ca. 30 Minuten Spielzeit reinkamen. Das Video des Runs zeigte, dass es scheinbar einen Glitch gab, der es ermöglichte, beim Neuladen des Spiels zum richtigen Zeitpunkt einige der Levels schlichtweg zu überspringen", erklärt er.

"Das brachte uns in die peinliche Lage, den beiden Spielern, die den Glitch ausgenutzt hatten, zu sagen, dass wir eigentlich nur Runs ohne das Ausnutzen von Fehlern zulassen wollten, was wir natürlich hätten vor dem Wettbewerb ankündigen sollen. Wir haben uns schlussendlich auf einen Sonderpreis für die Beiden geeinigt. Dazu arbeiten die zwei Speedrunner seitdem als Freelancer für uns und suchen gegen Bezahlung nach Glitches und anderen Bugs."

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Für die Pixel Maniacs war die erste Konsolen-Portierung die schwierigste. Hier mussten sie eine Abstraktion zwischen der Eingabe des Nutzers und dem Gerät schaffen. Zu Beginn zeigten sich zusätzlich massive Performance-Probleme, die aus Anfängerfehlern der noch unerfahrenen Entwickler resultierten. Das verbesserte sich von Port zu Port und die Entwicklung der Umsetzungen verlief einfacher.

Dass es im Spiel einen einzigen Lösungsweg pro Level gibt, liegt hauptsächlich am Budget. Letzten Endes entschied man sich dafür, den Spielern mehr Rätsel statt mehr Variationen pro Level zu bieten. Speedrunner haben Lochmann zufolge zwar vereinzelt multiple Lösungen entdeckt, geplant waren diese nicht. Die verfügbaren Level wählten die Entwickler aus einem Pool von Hunderten, die ein eigens dafür geschaffener Web-Editor erstellte.

Macht ihr einen entscheidenden Fehler, bleibt euch keine andere Wahl, als den Level von vorne zu beginnen. Ist das ein fehlender Ansporn für die Leute, zu experimentieren? "Das sehen wir absolut genauso und es wird bei vielen Reviews auch kritisiert", sagt er. "Sollte ein ChromaGun 2 kommen, wird das sicherlich anders aussehen."

Mit den Verkäufen des Spiels sind die Pixel Maniacs zufrieden, wenngleich es laut Lochmann wohl nie profitabel sein wird. Die Entwickler sehen es als Türöffner für die weiteren Spiele. Sie sammeln Erfahrung in der Entwicklung, im Marketing und im Vertrieb, knüpfen Kontakte. Und sie machen Fehler, die dann nicht erneut passieren.

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"Wir schließen auch die Zusammenarbeit mit einem Publisher in der Zukunft nicht aus. Dafür ist es von Vorteil, zuvor bewiesen zu haben, dass man als Studio in der Lage ist, ein Projekt für verschiedene Plattformen fertigzustellen. Für die nächsten zwei Jahre steht unser Entwicklungsplan relativ fest. Durch die Förderung des FFF für Can't Drive This und Escape the Loop werden wir die beiden Titel in dieser Reihenfolge fertigstellen. Ob danach ein ChromaGun 2 kommt? Wir hätten theoretisch Lust darauf. Es kommt stark darauf an, ob bei den nächsten Game Jams an denen wir teilnehmen, wieder eine Idee abfällt, die wir unbedingt fertig stellen wollen", merkt er an.

Rückblickend ist er sich sicher, dass das Team viele Fehler gemacht hat, ob beim Marketing, der Entwicklung oder der Planung. Lochmann dazu: "Ich denke aber, die gehören einfach dazu. Ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden: Das erste Spiel ist noch nicht profitabel, allerdings muss es das auch nicht werden. Für das Studio betrachtet sehe ich den Titel als Gewinn, da ich fest daran glaube, dass durch die Erfahrungen mit ChromaGun entweder Can't Drive This oder Escape the Loop den 'Break Even' schaffen könnten. Dazu machen die Spieleentwicklung und das ganze Drumherum einfach einen Riesenspaß."

Wie erwähnt steht in diesem Jahr die PSVR-Version von ChromaGun auf dem Programm. Weiterhin ist geplant, mit Can't Drive This die Early-Access-Phase zu verlassen und den Titel auf Steam, PS4, Xbox One und Switch zu veröffentlichen. Anschließend geht es mit Escape the Loop weiter, das die Entwickler bis 2019 beschäftigt.

"Was danach oder dazwischen passiert ist noch komplett offen, wir sind sehr gespannt und freuen uns auf die Zeit!", sagt er.

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