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Detroit: Become Human - Test

Warum Androiden die besseren Menschen sind.

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Mitreißende verzweigte Erzählung mit vielen kniffligen Entscheidungen. Spielerisch simpel, aber spannend bis zuletzt - und darüber hinaus.

Science Fiction als Genre trifft mit seinen Zukunftsszenarien häufig in erster Linie Aussagen über die Gegenwart. Mitunter deprimieren diese Erzählungen, weisen sie doch in eine Zukunft, in der die Menschheit nicht viel dazugelernt hat. In Detroit: Become Human müssen die Androiden etwa einen gesonderten Bereich im hinteren Teil öffentlicher Verkehrsmittel benutzen müssen, damit sie nicht den echten Menschen nicht die Sitzplätze wegnehmen - ein allzu deutlicher Hinweis auf die Rassentrennung, wie sie in den USA bis in die 60er Jahre hinein praktiziert wurde. Wenn Detroit: Become Human solche Szenen zeigt, sind sie aber auch darüber hinaus angefüllt mit Informationen über die Welt, in der wir uns befinden. Während die Androidenplätze zum Bersten gefüllt sind, sind die Sitze für die Menschen größtenteils leer. Die sitzen nämlich größtenteils daheim und geben sich dem eigenen geistigen und körperlichen Verfall hin. Und wenn sie sich doch einmal nach draußen bewegen, dann vielleicht um gegen die Androiden zu demonstrieren, die ihre Alltagsarbeit erledigen - und ihnen so angeblich die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Muster sind bekannt.

Androiden haben also nicht besonders viel zu lachen. Sie gelten schlichtweg als Maschinen oder Werkzeuge, werden herumgeschubst oder von ihrem Eigentümer so sehr misshandelt, dass sie bei ihrem Hersteller repariert werden müssen. Ebendiese Gewalt führt dazu, dass einige Androiden ein eigenes Bewusstsein entwickeln - und den Befehlen ihrer menschlichen Herrscher nicht mehr so folgen wie die es erwarten. Aber diese Androiden sind keine Borg mit einheitlichem Bewusstsein - sie können so verschieden sein, wie auch Menschen es sind.

Ja, auch Kinder werden in Detroit: Become Human nicht unbedingt verschont - da machen sich Menschen und Androiden gleichermaßen schuldig. (Detroit: Become Human - Test)

Detroit: Become Human ist ein Werk von David Cage - insofern verwundert es vermutlich niemanden, dass sich das Spiel ganz ähnlich spielt wie zuvor Heavy Rain und Beyond: Two Souls. Ihr erlebt eine Geschichte und könnt verschiedene Entscheidungen treffen, die sich zusammen mit dem Ausgang zahlreicher Quick-Time-Events stark auf den Verlauf der Geschichte auswirken. Wer Detroit: Become Human also nicht Spiel, sondern interaktiven Film nennen will, liegt damit nicht ganz daneben. Bei Detroit übernehmt ihr die Kontrolle über drei verschiedene Androiden, wobei jedem von ihnen vom Erbauer eine bestimmte Rolle zugedacht wurde. Kara arbeitet zu Beginn des Spiels als Haushälterin und Nanny bei einem alleinerziehenden Vater, der zu häuslicher Gewalt und Drogenkonsum neigt. Wie jeder Android fügt sie sich zunächst in ihre Rolle und führt Befehle aus. Ihr räumt also die Wäsche auf, kocht essen - erfahrt aber auch, dass ihr schon die zweite Kara seid, die in diesem Haushalt arbeitet. Die erste hatte der Besitzer wohl in einem Wutanfall stark beschädigt, euer Gedächtnis wurde bei der Reparatur gelöscht. Aber das, was in diesem Haushalt geschehen ist, haben die Menschen trotzdem nicht vergessen, das spürt ihr - und ihr seht es, wenn ihr gegen die eigene Programmierung ankämpfen müsst, die sich in Konfliktsituationen wie eine rote Laserbarriere vor euch aufbaut.

Markus dagegen kümmert sich um einen wohlhabenden querschnittsgelähmten Künstler in dessen Villa. Und er muss dort erleben, wie dessen nichtsnutziger Sohn Geld aus seinem Vater herauspresst, nur um seine Drogenabhängigkeit zu finanzieren. Connor schließlich ist der technisch fortschrittlichste Android - er unterstützt die Polizei Detroits bei der Jagd nach sogenannten Abweichlern. So werden jene Androiden genannt, die den Befehlen der Menschen nicht mehr folgen wollen. Er ist der Androidenjäger unter den Androiden. Er jagt, fängt und verhört abweichlerische Droiden. Als Spieler könnt ihr selbst entscheiden, ob ihr Euresgleichen anlügen wollt, um ein Geständnis herauszupressen. Oder ob ihr von Anfang an sagt, dass kein Weg an ihrer Demontage vorbeiführen wird.

Kommt ein Polizei-Android in eine Bar ... (Detroit: Become Human - Test)

Jede dieser Figuren erlebt im Verlauf der Handlung in der ein oder anderen Form, was Menschlichkeit bedeutet. Brüche in den Leben der Menschen gilt es so gut es geht auszubügeln, aber irgendwann geht das eben nicht mehr. Dann nämlich, wenn das Verhalten der Menschen Schaden anrichtet, sei es nun bei ihnen selbst, bei anderen Menschen oder Androiden. Lässt ein Mensch seine Wut nur an einem Schraubenzieher aus, ist das für niemanden ein Problem. Ein denkender und fühlender Android erträgt es aber möglicherweise nicht so gut, wenn er selbst oder andere zum Sündenbock für das eigene Versagen erklärt wird. Unter den Menschen gibt es andererseits nur wenige ausgewählte Sympathieträger. Taucht doch mal ein Mensch auf, der gut mit den Androiden umgeht, wirkt er fast wie ein Leuchtturm in einem Meer aus Ablehnung. Androiden dürfen im Motel nicht übernachten, Androiden sollen eben in der Ecke stehen und warten, wenn sie gerade nichts zu tun haben. Regen macht ihnen schließlich nichts aus, sie brauchen keine Regenschirme. Detroit: Become Human zeigt diese nassen Androiden einerseits, wie sie robotisch durch den Regen stapfen, andererseits aber auch, wie sie gottverlassen und verletzlich in irgendwelchen Abrisshäusern ihr Dasein fristen, weil sie sonst keine andere Unterkunft haben. Und Detroit zeigt sie immer wieder, wie sie ganz am Anfang stehen. In geräumigen und hell beleuchteten Geschäften auf erhabenen Plattformen. Als Ware präsentiert.

Sehr spannend im Zusammenhang mit der Darstellung der Androiden ist, wie die Entwickler das, was gemeinhin als Uncanny Valley bezeichnet wird, diesmal gezielt ausnutzen. Künstliche Figuren in Computerspielen, die besonders realitätsnah wirken sollen, wirken auf den Spieler mitunter fremdartiger oder sogar grusliger, als völlig abstrakte Darstellungen von Figuren. Soll heißen: Es ist für viele Menschen leichter, Sympathie für einen Star-Wars-Droiden wie R2D2 zu empfinden als für die teilweise noch sehr künstlich wirkenden, aber eben auf fotorealistisch getrimmten Figuren aus Heavy Rain. Vor allem zu Beginn wirken die Androiden in Detroit eben noch sehr wie Figuren aus älteren David-Cage-Spielen, während sich der technische Fortschritt des inzwischen sechsten Jahrs der PS4-Ära vor allem bei den dargestellten Menschen bemerkbar macht.

... wird er zwar womöglich beleidigt, kann aber trotzdem in Ruhe die Gäste scannen. (Detroit: Become Human - Test)

Trotz dieser Differenz sind Markus, Connor und Kara aber alles andere als bessere Staubsaugerroboter. Sie sind, wie das Spiel am Beispiel von Markus schon relativ zu Beginn des Spiels zeigt, sogar dazu fähig, Bilder zu malen, die mehr sind, als die bloße Kopie der Realität, sondern ihre Interpretation. Und sie treffen politische Entscheidungen, wie das ebenfalls bei Markus deutlich gemacht wird, der - soviel darf verraten werden - nicht ewig bei seinem Eigentümer bleibt, sondern sehr bald zu einem der wichtigsten Abweichler Detroits überhaupt wird. Und sie können Mitgefühl empfinden, was das Spiel eindringlich am Beispiel Karas zeigt. Nun würden die Verfechter der Androidenunterdrückung in Detroit sagen, dass das keine echten Emotionen oder Fähigkeiten sind, sondern nur die Simulation derselben. Etwa so also, wie wenn ihr heute eure digitalen Sprachassistenten beleidigt und die mit einem vorgefertigten Spruch antworten. Es sind solche grundsätzlichen Fragen, die die Geschichte von Detroit: Become Human groß und gut machen: Wo beginnt Bewusstsein überhaupt? Und: Gelten die von Isaac Asimov formulierten Robotergesetze eigentlich auch dann noch, wenn ein Android tatsächlich Bewusstsein erlangt?

Im weiteren Spielverlauf werden nicht alle dieser Fragen abschließend beantwortet - wohl auch deshalb, weil es eine endgültige Antwort darauf möglicherweise gar nicht geben kann. Je nachdem, woran ihr glaubt, könnt ihr das Spiel letzten Endes auf die eine oder andere Weise interpretieren. Die Behauptung, Androiden würden Emotionen und bestimmte politische Haltungen nur simulieren, lässt sich letzten Endes nicht falsifizieren. Das Spiel gibt euch aber gewisse Indizien, dass sich die Androiden mehr den Menschen angenähert haben als es ihnen lieb sein kann: Dazu gehören etwa Diskussionen über Religion, die Frage der politischen Gewalt und tatsächlich auch juristische Fragen. Sollte also etwa ein Android genauso bestraft werden wie ein Mensch? Die herrschenden Menschen in Detroit beantworten das klar mit einem Nein - hier wird jeder Android, der zu Abweichler wird, schlichtweg demontiert. Es handele sich um eine Fehlfunktion, sagt der Hersteller.

Es ist Kirschblütenzeit in Detroit. (Detroit: Become Human - Test)

Während ihr aber noch das mit blauem Blut pumpende Herz in der Brust der Androiden seht, wird klar: Eigentlich sind diese Androiden nur Nachbauten von Menschen. Aus anderem Material, ohne die Möglichkeit sich fortzupflanzen, ja, aber generell durchaus ähnlich funktionierend. Wenn also abweichlerisches Verhalten bei einem Androiden seine Demontage rechtfertigt, was ist dann die Konsequenz von Behinderungen, physischen oder psychischen Krankheiten oder schlichtweg rebellischem Verhalten beim Menschen? Detroit: Become Human untersucht diese Fragen aus verschiedenen Perspektiven, die für jemanden, der das Spiel nicht erlebt hat, kurios wirken müssen: Die Sichtweise lesbischer Sexroboter etwa oder jene obdachloser Androiden, denen ihr ehemaliger Besitzer in einem Wutanfall den Hinterkopf abgerissen hat. Auf mich wirkte all das aber so glaubhaft erzählt und inszeniert, dass mir kaum Gedanken über die intrinsische Schlüssigkeit dieses Szenarios gemacht habe. Insbesondere Valorie Curry, die via Motion-Capture-Technik Kara verkörpert, zeigt im Verlauf des Spiels sehr beeindruckend die Wandlung von einem Haushaltsroboter zu einer denkenden, fühlenden Person, die durchaus in der Lage ist, auch moralisch schwierige Entscheidungen zu treffen. Die eingesprochenen Zeilen sind aus dem Englischen hervorragend synchronisiert, ich habe sowohl die englische als auch die deutsche Sprachausgabe ausprobiert und könnte jetzt nicht sagen, welche ich lieber mochte.

Das Gameplay bleibt über die zwölf Stunden, die ihr investieren müsst, bis die Credits über den Bildschirm wandern, zugegeben einigermaßen rudimentär. Ihr trefft Entscheidungen, entweder in Dialogen oder indem ihr einfach nach links oder rechts lauft. Als Markus könnt ihr an bestimmten Stellen eure Körperbewegungen vorausplanen und dann gezielt ausführen. Springt ihr von Stelle A, erreicht ihr euer Ziel, springt ihr von Stelle B, erreicht ihr es nicht - simple Versuch-und-Irrtum-Rätsel, die aber nie dazu führen, dass ihr neu laden müsst, weil ihr ja ohnehin vorab alles in eurem Androidenkopf simuliert. Als Connor habt ihr dagegen viel an Tatorten zu tun. Dort müsst ihr Hinweise sammeln und, ebenfalls virtuell im Androidenköpfchen, den ein oder anderen Tathergang rekonstruieren. Unterm Strich ist auch das nicht viel mehr als das Absuchen des Bildschirms nach bestimmten Hotspots. Manchmal sorgen Zeitlimits dafür, dass ihr euch ein bisschen beeilen müsst. Ehrlich gesagt habe ich mir von Detroit aber auch gar nicht mehr spielerischen Tiefgang erwartet oder erhofft. Hier geht es um die Geschichte und es ist letzten Endes nur legitim, wenn der Entwickler seinen Fokus darauf legt.

Bestimmte Vorgänge im Spiel könnt ihr als Connor nachträglich rekonstruieren. (Detroit: Become Human - Test)

Denn es geht bei Detroit: Become Human nicht so sehr, wie er etwas tut - sondern was ihr tut. Wenn ihr beispielsweise als Markus versucht, für den angeschlagenen Androidenwiderstand Ersatzteile zu beschaffen und ihr euch entscheiden müsst, ob ihr nicht gleich einen ganzen Lastwagen klaut, statt nur das, was ihr in eure Taschen stecken könnt. Das ist nicht nur eine Entscheidung, die ein gewisses Risiko birgt, sie thematisiert auch zutiefst menschliche Züge, in diesem Fall den Gegensatz zwischen Gier und Genügsamkeit. Nur, dass diese Entscheidungen eben jetzt ein Android treffen muss, weil viele der Menschen ihre Menschlichkeit augenscheinlich längst aufgegeben haben. Wenn ihr als Kara entscheidet, ob ihr ein Kind vor dem Schlafengehen noch einmal auf die Stirn küsst oder eben nicht, zeigt das nicht nur, dass die Figur über ihre Haushältersimulation längst hinausgewachsen ist - es konterkariert auch den menschlichen Kindsvater, der so etwas schon längst nicht mehr gemacht hat.

Detroit: Become Human enthält neben dem regulären Schwierigkeitsgrad auch einen Casual-Modus, was ich vor allem nach dem ersten Durchspielen auf normal sehr begrüßt habe. Nicht, dass das Spiel sonst schwierig wäre, aber das eine oder andere QTE ging dann eben doch nicht so aus, wie ich mir das gewünscht hatte, vielleicht aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit oder weil ich inzwischen hart auf die 40 zugehe, wer weiß das schon. Letzten Endes konnte ich jedenfalls immer ganz gut damit leben, wenn eine meiner bewusst getroffenen Entscheidungen negative Konsequenzen hatte - und weniger gut damit, dass die Emanzipation der Androiden scheitert, weil ich nicht schnell genug X gedrückt habe. Der Casual-Modus ändert rein gar nichts an der Geschichte, gibt euch aber bei den Quick-Time-Events ein bisschen mehr Zeit und vergibt hier und da einen falschen Knopfdruck. Und nachdem es, wie schon erwähnt, eben zu 90 Prozent um die Geschichte geht, hatte ich kein Problem damit, ihn beim zweiten Durchgang auch zu nutzen.

Entscheidungen wie diese sind die Grundlage dafür, wie bestimmte Spielfiguren zu euch stehen. (Detroit: Become Human - Test)

Hin und wieder haben im Spielverlauf übrigens nicht nur eure unmittelbaren Entscheidungen Einfluss auf das Spielgeschehen, sondern die Haltung der Personen in eurer Umgebung. Die verändert sich nämlich, je nachdem wie ihr euch verhaltet. Kara ist etwa die meiste Zeit mit einem Kind unterwegs und das mag es gar nicht, wenn ihr irgendwo etwas stehlt. Genau das könnte aber notwendig sein, um einen sicheren Schlafplatz bezahlen zu können, was also tun? Dieses Gefühl, dass es einen perfekten Weg durch Detroit: Become Human vielleicht gar nicht gibt, macht das Spiel so reizvoll. Es ist eben nicht immer einfach, die richtige Entscheidung zu treffen - und es gibt nicht einfach nur die gute und die böse. Mit euren Entscheidungen beeinflusst ihr manchmal sogar die öffentliche Wahrnehmung von Androiden insgesamt - zum Positiven, weil ihr es könnt, oder zum Negativen, weil ihr eine bestimmte unpopuläre Entscheidung traft, um eure Mission nicht zu gefährden.

Was nun die Auswirkungen eurer Entscheidungen angeht: Ich habe teils sehr unterschiedliche Enden erreicht, das aber hauptsächlich auf Basis der im letzten Kapitel des Spiels getroffenen Entscheidungen. Das Spiel verläuft auf einem relativ geradlinigen Pfad, von dem zahlreiche Abweichungen möglich sind, die letztlich aber doch immer wieder auf dem Hauptpfad landen. Dennoch entscheiden sich einzelne Kapitel dadurch so sehr, dass sich ein zweiter oder auch dritter Durchgang sehr lohnt - auf jeden Fall mehr als bei den meisten aktuellen Telltale-Titeln (die ich damit nicht schlecht reden möchte, nur gaukeln die oft mehr Entscheidungsfreiheit vor als sie tatsächlich enthalten.) Je nach euren Entscheidungen treffen sich die Wege der drei Protagonisten mal mehr, mal weniger, wobei einzelne Handlungen auch auf die Pfade der anderen grundlegende Auswirkungen haben können. Ohne dass diese Figuren davon überhaupt wissen übrigens. Teils verfolgen sie sogar grundsätzlich gegensätzliche Ziele, was in meinem Fall dazu geführt hat, dass ich das ein oder andere Quick-Time-Event sogar absichtlich verloren habe. Kara und Markus waren mir über weite Teile des Spiels eben einfach sympathischer als Connor. In dessen Kapiteln ist es mehr sein notorisch trinkender (menschlicher) Kollege, der das Szenario unterhaltsam macht.

Ziemlich beste Freunde - featuring Android Markus. (Detroit: Become Human - Test)

Die Spielwelt von Detroit: Become Human bietet ansonsten aber allerhand Abwechslung. Das Spiel demonstriert so aber nicht nur, dass es nicht nur aus einer Hand voll Grafik-Assets besteht, es zeigt auch die Bigotterie der Welt, in der ihr euch bewegt. Die glänzenden aufpolierten Innenstädte da, in denen neben zahlreichen Androiden, die tägliche Arbeiten verrichten, nur wenige Menschen herumlaufen und die heruntergekommenen Vororte auf der anderen Seite, in denen Läden offenbar schon lange geschlossen sind und so etwas wie ein öffentliches Leben praktisch nicht mehr stattfindet. Ein Polizeirevier auf dem neuesten Stand der Technik hier, eine heruntergekommene Kneipe voller Kleinkrimineller da. Autonom fahrende Androiden-Transport-Lastwagen auf der einen Seite, Klapperkisten, die auch heute schon als veraltet gelten würden auf der anderen.

Einer meiner persönlichen Höhepunkte: Ein Androiden-Schrottplatz, bei dem teils noch funktionsfähige Androiden auf dem Boden herumkriechen und ihr selbst euren Körper wieder zusammenbauen müsst. Ein Schrottplatz eben, wenn ihr denkt wie die Menschen, ein höllisches Massengrab, wenn ihr denkt wie die Androiden. Schaurig inszeniert mit zuckenden Resten von Androiden-Technik, untermalt mit großartiger Musik und visuellen Effekten, die die Fehlfunktionen des Androiden widerspiegeln. Hier kriecht ihr förmlich über Leichen und trefft auf Androiden, die wollen, dass ihr sie endgültig zerstört - und solche, die um ihr Leben flehen, wenn ihr ihnen wichtige Ersatzteile entnehmen wollt.

Dieser Androiden-Store (visuelle Zufälligkeiten zu Apple-Geschäften sind sicher rein zufällig) hat auch schon bessere Tage gesehen. (Detroit: Become Human - Test)

Wie das bei David Cage halt so ist, es gibt Tiefgang und Pseudo-Tiefgang. Kara (spanisch: Cara heißt Gesicht) guckt gern in den Spiegel um sich bewusst zu werden, dass sie ein Gesicht hat, Android Markus kann dagegen gar nicht fassen, dass er grade den behämmerten Sohn seines Besitzers auf den Boden gestoßen hat und blickt sich fassungslos auf die eigenen Extremitäten. Und dass Connor vielleicht irgendwann aus seiner Rolle als Commander Data Detroits fallen könnte, ist erwartbar. Immerhin fragt er schon betont robotisch, wie der Hund seines menschlichen Partners heißt. Gleichzeitig enthält Detroit aber religiöse Fragen, humanistische, philosophische, soziologische, politische. Und die gleichen den teils etwas tumben Pathos ziemlich gut aus.

Detroit: Become Human ist ein fantastisches Stück Science-Fiction, egal, ob ihr es nun einen interaktiven Film oder ein Spiel nennen wollt. Die Figuren sind herausragend geschrieben, ihr spürt regelrecht wie sich ihr Charakter, aber auch ihre Agenda im Verlauf des Spiels ändert. Wie sie lernen, wie diese Welt funktioniert. Die Spielwelt selbst lässt Raum für Interpretation, das Spiel erklärt Vieles eben nicht mit dem Holzhammer, sondern deutet es nur an. Es zeigt euch das Ergebnis einer Entwicklung, die zu diesem seltsamen Szenario geführt hat, in dem das Menschlichste noch die Maschinen sind. Natürlich ist Detroit: Become Human kein Gameplay-Meilenstein, aber es lässt euch Sympathien für seine Figuren entwickeln, so sehr, dass ihr mitfiebert, wenn sich ihr Schicksal entscheidet. Und wenn ihr bei den Credits angekommen seid, kommt ihr nicht umhin, euch zu fragen: Sind diese Androiden vielleicht die besseren Menschen?


Entwickler/Publisher: Quantic Dream/Sony Interactive Entertainment - Erscheint für:PS4 - Preis: etwa 70 Euro - Erscheint am: 25. Mai 2018 - Getestete Version:PS4 - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Nein

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Markus Grundmann Avatar
Markus Grundmann: Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Detroit

PS4

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