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Onrush - Test

Kein Autorennen. Krieg auf Rädern.

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Das tolle Gefühl, Autos kaputt zu rammen. Der Rausch, knapp zu gewinnen. Onrush ist ein ruppiges Stahlmassaker der Extraklasse.

Es ist eine Angewohnheit vieler Menschen, die über Spiele sprechen oder schreiben, ein neues Spiel als Mischung aus zwei oder drei bereits bekannten Titeln zu beschreiben. Ich will mich da selbst gar nicht ausnehmen. Es ist eben einfacher, jemandem etwas zu erklären, wenn man vergleichbare, bekannte Werke als Referenzpunkte heranzieht. Eine nützliche und valide Technik.

Onrush wurde vorab gerne als Mischung aus Overwatch und Rocket League angepriesen und ich konnte mir nicht ansatzweise vorstellen, was das heißen soll. Mittlerweile weiß ich es aber und möchte hinzufügen: Es fühlt sich deutlich mehr an wie Overwatch. Nur ohne Ballern. Mehr mit Gaspedal. Onrush ist ein Rennspiel, bei dem es nicht ums Rennen geht, eine Art Destruction Derby mit verschiedenen Modi, ein hervorragendes Action-Spektakel, bei dem ich meine PS4-Buttons teilweise so intensiv gedrückt habe, dass ich Angst hatte, den Controller zu zerstören. Ja, so gut ist es.

Es ist schon ein Grund zur Freude, wenn euch gegnerische Motorradfahrer ins Gesicht fliegen. (Onrush - Test)

In Onrush fahrt ihr grundsätzlich zwar auf einem Rundkurs mit diversen Abzweigungen. Wer erster ist, ist aber wirklich nicht wichtig. Was zählt, ist euer Boost: Den habt ihr gefälligst aufzuladen, und zwar entweder indem ihr Gegner umbringt oder indem ihr besonders weit springt. Zusätzliche Möglichkeiten, an Boost-Energie zu gelangen unterscheiden sich von Fahrzeug zu Fahrzeug. Acht Stück habt ihr zur Auswahl, zwei davon Motorräder. Der Interceptor etwa, eine Art stark gepanzerter Buggy, bekommt sein Boost-Meter besonders gut gefüllt, indem er Gegner von der Strecke drängt oder kaputtrammt.

Steuert ihr ein Motorrad, führt ihr bei längeren Sprüngen Tricks aus und kommt so an mehr Boost. Außerdem fahren auf jeder Strecke zahlreiche Kanonenfutter-Computergegner, die ihr besonders leicht kaputtrammen könnt. Im Grunde fahrende Power-Ups. Auch das bringt euch Boost ein. Habt ihr damit genug Punkte gemacht, könnt ihr in den Rush-Modus wechseln. Dann werdet ihr besonders schnell und könnt Gegner einfach zu Tode rammen, abgesehen davon wird aber auch eine Spezialfähigkeit aktiv - ihr hinterlasst dann etwa eine Feuerspur, die euren Gegnern schadet, wenn sie sie befahren. Ein schönes Gefühl: Zu wissen, dass man Tod und Verderben hinter sich herzieht.

Onrush lässt sich bedeutend schwieriger beschreiben, als es sich spielt. Zu Beginn bekommt ihr ein kleines Tutorial, das dauert vielleicht fünf Minuten. Und danach wisst ihr eigentlich, was ihr zu tun habt. Gespielt wird in zwei Teams zu je sechs Fahrzeugen. Wer während eines Matches das Zeitliche segnet, kann sich jederzeit einen neuen fahrbaren Untersatz auswählen und damit wieder ins Spiel einsteigen. Was genau euer Ziel ist, hängt vom Spielmodus ab. Vier davon gibt es an der Zahl, wobei ich beim Spielen keinen wirklichen Favoriten hatte - sie machten mir alle Spaß, insofern kam es mir entgegen, dass sie im freien Online-Spiel einfach durchrotieren.

Jedes Fahrzeug wird mit einem kleinen Video vorgestellt, inklusive Spezialfähigkeiten. (Onrush - Test)

Im Overdrive-Modus geht es einzig und allein darum, den Boost einzusetzen. Das Team, das als erstes seine Leiste füllt, gewinnt. Das Switch-Rennen ähnelt dagegen am ehesten dem klassischen Deathmatch. Jeder Fahrer hat drei Leben - sind alle Leben eines Teams verloren, gewinnt das andere. Switch heißt dieser Modus, weil ihr nach jedem Ableben genötigt werdet, das Fahrzeug zu wechseln. Nett: Auch wenn ihr bereits alle Leben verloren habt, könnt ihr noch weiterspielen. Nur gibt es dann bei euch eben nichts mehr zu holen - werdet ihr von der Strecke gefegt, gibt das dem gegnerischen Team keine Punkte mehr. Ich habe Switch-Matches vor allem deshalb gern gespielt, weil es hier sehr auf die Leistung des einzelnen Spielers ankommt. Gerade am Ende eines Matches finden regelrechte Jagden auf denjenigen statt, der die letzten Leben hat. Fährt so jemand dann besonders geschickt, kann er allein sein ganzes Team zum Sieg führen.

Noch am ehesten wie ein wirkliches Rennen wirkt der Countdown-Modus. Wie der Name schon vermuten lässt, tickt hier eine Uhr permanent nach unten. Durchfahrt ihr oder ein Teamkollege ein leuchtendes Tor auf der Strecke, erhaltet ihr zusätzliche Sekunden. Das Team, dem als erstes die Zeit ausgeht, verliert. Dann wartet noch der Lockdown-Modus auf euch. Dabei muss euer Team sich für eine gewisse Zeit in einer Zone aufhalten, die sich über die Strecke bewegt. Wer es schafft, die Zone ein paar Sekunden zu halten, bekommt einen Punkt, wer die meisten Punkte hat, gewinnt.

Sprünge fallen teilweise unnatürlich hoch aus. Umso netter, das Feld mal von oben zu sehen. (Onrush - Test)

Ich glaube, ich bin in keinem anderen Modus häufiger gestorben als hier. Das liegt vermutlich daran, dass das ganze Fahrerfeld hier nichts anderes macht als einem relativ kleinen Leuchtkreis auf der Strecke hinterherzujagen. Dort kommt es also zwangsläufig zu Massenkarambolagen, in denen nicht selten mehrere Spieler gleichzeitig das Zeitliche segnen. Solche auszulösen macht übrigens unfassbaren Spaß, insbesondere wenn ihr gerade Rush aktivieren könnt. Stellt euch vor: Ein Feld aus gegnerischen Fahrern ist gerade kurz davor, einen Punkt zu machen, sie drängeln sich alle in die Zone. Und dann fahrt ihr einfach mit voller Geschwindigkeit in diesen Pulk hinein und könnt euch freuen, wie die Wrackteile zu allen Seiten wegfliegen. Natürlich kann euch schon Sekunden später das Gleiche passieren. Nur diesmal aus Opferperspektive.

Onrush ist ein spielerisches Feuerwerk und das eben geschilderte Wegfliegen irgendwelcher Wrackteile ist einer der Gründe dafür. Ein weiterer ist die Präsentation: Das Spiel ist gänzlich untermalt von einem treibenden Soundtrack von Bands wie The Qemists, The Death Set und Sängern wie Pop Levi. Die Stücke gehen dabei fließend ineinander über, abhängig von der jeweiligen Spielsituation. Dazu überschlagen sich die Effekte auf dem Bildschirm: Herumfliegende Autoteile da, die Feuerspur eines Kontrahenten dort, alles am besten noch im Schneesturm und während ihr selbst im Boost-Modus zwischen Bäumen oder durch Felsschluchten brettert, als gäbe es kein Morgen mehr.

Eure Fahrzeuge könnt ihr mit hübschen neuen Skins ausstatten. Hier hat allerdings Ed Hardy zugeschlagen. (Onrush - Test)

Das macht wirklich verflucht viel Spaß, aber diese Geschwindigkeit geht hier und da zu Lasten der Grafik. Wirklich detailreich sind die Landschaften nicht und auch die Bäume sehen ziemlich geklont aus. Ehrlich gesagt weiß ich das nur, weil ich mich gezwungen habe, hinzusehen. So wie auf den Screenshots sieht Onrush ja faktisch nie aus - denn alles rast in Windeseile an euch vorbei. Und der Fokus eurer Augen liegt sowieso nicht unbedingt auf der Umgebungsgrafik.

Onrush fühlt sich vor allem deshalb sehr ähnlich an wie Overwatch, weil es keine Möglichkeiten gibt, die Fahrzeuge in irgendeiner Art und Weise zu verbessern. Sie bleiben immer dieselben. Sie ändern sich nur optisch. Durch Skins, die ihr in - um Gottes Willen - Lootboxen findet. Darin gibt's sogar noch mehr: neue Klamotten für eure Fahrer beispielsweise, die aber ebenfalls keinerlei Auswirkung auf das Gameplay haben. Ebensowenig wie die Wahl eines der zwölf Fahrer selbst übrigens. Ihr könnt auch euren Grabstein individualisieren, den hinterlasst ihr nämlich auf der Strecke, wenn ihr sterbt und eure Teamkollegen bekommen zusätzlichen Boost wenn sie darüber fahren. Wollt ihr, dass euer Grabstein aussieht wie ein verpixeltes Schwein? Oder lieber wie ein Huhn in einem Käfig? Könnt ihr alles haben, vorausgesetzt ihr findet ihn in einer Lootbox.

Im Rush-Modus kann schon mal der Überblick verloren gehen. (Onrush - Test)

Zusätzlich könnt ihr durch bestimmte Aktionen im Spiel sogenannte Crashtags sammeln, kleine Symbole, die der Gegner sieht, wenn ihr ihn zu Brei gerammt habt. Die gibt's beispielsweise, wenn ihr eine bestimmte Anzahl von Matches in einem bestimmten Spielmodus gewinnt. Echtgeld könnt ihr bei Onrush übrigens aktuell nicht einsetzen, Lootboxen bekommt ihr lediglich für einen Aufstieg in der Stufe, den wiederum gibt's für Erfahrungspunkte und Erfahrungspunkte setzt es für alle möglichen Handlungen während eines Rennens: Beispielsweise, wenn ihr der wichtigste Fahrer eures Teams wart, wenn ihr besonders lang durchgehalten habt, ohne zu sterben, oder wenn ihr besonders viele Gegner ausgeknockt habt.

Aber ehrlich gesagt wirkte dieser ganze Skin-Kostüm-Crashtag-Teil des Spiels auf mich eher überflüssig. Ich hatte teilweise 15 bis 20 verschlossene Lootboxen und nicht wirklich den Drang, sie zu öffnen, einfach weil mir das Gameplay als solches so viel Spaß gemacht hat. Ich habe vergessen zu trinken und nachdem ich das irgendwann getan hatte, habe ich vergessen, aufs Klo zu gehen, einfach weil ich immer noch ein Spiel machen wollte und noch eins und noch eins.

Wenn der Online-Multiplayer-Modus irgendwann zu stressig wurde, bin ich einfach ein paar Runden im Singleplayer gefahren, der hier aus unerfindlichen Gründen "Superstar" heißt. Dabei kämpft ihr euch nach und nach durch sechs verschiedene Ligen, in denen jeweils unterschiedliche Herausforderungen und Bonus-Challenges auf euch warten. Sehr nett, um das Spiel und die Fahrzeuge kennenzulernen, zumal ihr häufig genötigt werdet, mit einem bestimmten Vehikel zu fahren. Ich habe mich etwa lange gesträubt, die Motorräder zu benutzen, weil ich davon ausgegangen bin, dass ich dadurch noch leichter von der Strecke gefegt werden kann. Ist auch so, aber lange nicht so schlimm wie gedacht. Und auch wenn ihr mit eurem Motorrad auf dem Dach von einem schweren Fahrzeug wie dem Enforcer landen solltet, zählt euer Gegner als vernichtet. Mit echtem Fahrverhalten hat Onrush nichts, aber auch gar nichts zu tun. Noch nicht einmal mit realer Physik.

Ja, es gibt Lootboxen. Aber sie sind aktuell nicht mit Echtgeld zu erwerben und ihr findet darin nur kosmetische Items. (Onrush - Test)

Aber letztlich macht es gerade das so gut. Das Gefühl, durch Gegnermassen zu pflügen, ohne auch nur abgebremst zu werden, ist traumhaft. Im Rush-Modus habt ihr manchmal selbst Schwierigkeiten, überhaupt auf der Strecke zu bleiben, seht nicht mehr wirklich gut, wohin ihr eigentlich fahrt, freut euch aber umso mehr, wenn ihr eure eigene Amokfahrt unbeschadet übersteht und ihr eurem Team so einen entscheidenden Vorteil verschafft habt. Apropos Teamplay: Das findet wirklich koordiniert nicht statt. Ihr könnt zwar natürlich mit Freunden fahren und euch über den Voice Chat der Konsole absprechen, viel bringt das aber nicht. Eure Karre fährt eben nur so schnell, wie sie fährt, und jemand anderem zur Hilfe zu eilen ist deswegen oft schlicht nicht möglich. Einen eigenen Voice Chat gibt es im Spiel deshalb gar nicht. Gut so, meine ich, denn ich kenne meine Mutter gut genug und muss mir nicht noch von anderen Onrush-Spielern Dinge über sie erzählen lassen.

Derzeit gibt es in Onrush zwölf Strecken, die jeweils noch zu wechselnden Tageszeiten und Wetterbedingungen spielbar sind. Im Rahmen des Erwartbaren fallen sie erfreulich variantenreich aus. Eine offene Wüstengegend ist genauso dabei wie ein Wald, futuristische Fabrikanlagen oder eine Schneelandschaft. Die Entwickler sehen Onrush als längerfristiges Projekt, insofern darf in Zukunft sowohl mit neuen Fahrzeugen als auch frischen Strecken gerechnet werden. Auch das ist erfreulich, denn so viel Spaß Onrush auch macht, der Reiz neuer kosmetischer Veränderungen von Fahrzeugen und Fahrern reicht sicher nicht, um das Spielvergnügen ewig zu strecken. Vielleicht gibt's in Zukunft sogar den einen oder anderen neuen Modus. Freuen würde ich mich, denn so schnell werde ich Onrush von einer prall gefüllten PS4-Festplatte sicher nicht löschen.

Zugegeben, es gibt schönere Bodentexturen als diese. Aber im laufenden Spiel bekommt ihr davon nicht viel mit. (Onrush - Test)

Onrush ist eines der wenigen Spiele, das mich alles um mich herum vergessen hat lassen. Sogar meinen eigenen Zustand. Als ich neulich nach vielen Stunden den Controller aus der Hand legte, bemerkte ich, dass ich erstens zitterte, zweitens unglaublichen Durst hatte und drittens, dass mir der Kopf weh tat, weil der Soundtrack seit Stunden in voller Lautstärke quer durch meinen Schädel donnerte. Jeder Spielmodus macht Spaß, jeder Sieg fühlt sich verdient an, die Matches sind gerade online teilweise unglaublich spannend. Es ist eine Freude, neue Fahrzeuge auszuprobieren, vielleicht zur Entspannung auch mal gegen Computergegner. Die Grafik ist teilweise nicht ganz auf dem neuesten Stand, aber hey, dafür gibt's Geschwindigkeit. Weiterhin genügend Support der Entwickler vorausgesetzt, hat Onrush das Zeug zum Multiplayer-Dauerbrenner. Nachbrenner. Rush.


Entwickler/Publisher: Codemasters/Deep Silver - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: 60 bis 70 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PS4 - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

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Markus Grundmann Avatar
Markus Grundmann: Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Onrush

PS4, Xbox One

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