PES 2019 - Test: Einer geht noch …
Ihr kennt das Lied. Aber der Chorus kriegt euch immer noch.
Es ist - wie immer - das alte Lied und ich würde gerne irgendwann Mal, eines fernen Jahres, etwas anderes schreiben. Aber PES geht wie immer als "Ja, aber"-Spiel in seine neue Saison. Der Publisher kann jedes Jahr noch so viele frisch lizenzierte Ligen ankündigen, die Abgänge wirken subjektiv schwerer. Damit, dass wir die Bundesliga so schnell nicht in PES sehen werden - wenn überhaupt jemals - mussten sich die Fans arrangieren. Aber jetzt stieg auch noch Borussia Dortmund in einem nicht allzu feinen Zug einseitig aus dem Lizenzabkommen für die 2019er Version aus, was hoffentlich keine Signalwirkung auf andere Vereine hat.
Dass die Verträge in Bezug auf Europa League und Champions League nicht verlängert wurden (oder "werden konnten". Wer blickt schon so genau durch?), ist ein noch härterer Schlag und wird auch durch die zahllosen offiziellen neuen Ligen abseits des internationalen Spitzensport-Rampenlichts nicht aufgewogen. Krylya Sovetov ist eben nicht so klangvoll wie Bayern München. Für diese Sorte in erster Linie rechtlicher und, ja, auch finanzieller Herausforderung kann Konami weniger. Aber die Fans müssen das mit (er)tragen und man kann niemandem verübeln, wenn er dazu nicht mehr bereit ist.
Mehr in Konamis Hand läge da schon die Präsentation abseits des Platzes. Auch hier verändert sich jedes Mal etwas, aber gut oder wenigstens hübsch waren die Menüs nie. PES 2019 bildet hier keine Ausnahme. Das könnte alles so auch 2011 rausgekommen sein und würde selbst dann nicht als modisch aufgenommen. Dass der Entwickler weiterhin gern wichtige Informationen über Spieler im Taktik- und Aufstellungsbildschirm hinter zusätzlichen Klicks versteckt, ist wohl mittlerweile wohl so etwas wie Konditionierung, von der man sich nur schwerlich löst. Es ist überfällig, das UI-Team einmal komplett auszutauschen. Lieber gestern als heute. Denn je schöner dieses Spiel auf dem Grün wird, desto deutlicher die präsentatorischen Defizite.
Aber - und ihr ahnt es schon - alles, was an PES sonst stimmt, ist auch 2019 wieder wahr: Der virtuelle Fußball liefert, wieder mal, eine leidenschaftliche, mitreißende Entsprechung des weltweit beliebtesten Sports und weist PES Productions als Entwickler aus, der genau erkannte, wo er auf dem Platz nachbessern musste. Die Basis eines überlegten, körperlichen Kicks - auch dieses Jahr wurde PES tendenziell nicht wieder schneller, was eine erfreuliche Abkehr vom alten Rhythmus darstellt, der gefühlt jährlich die Regler rauf und wieder runter drehte - wurde verfeinert und mehr Wert auf den "First Touch" gelegt. Bei der Ballannahme wird deutlich stärker berücksichtigt, wie der Spieler zum Leder steht, was zur Folge hat, dass viele Pässe oder Schüsse, die in den Vorgängern ihr Ziel auch in ungünstigem Winkel noch wie an der Schnur gezogen fanden, jetzt kläglich verunglücken.
Darin ist wohl auch der Grund für das weiterhin eher behäbig gehaltene Tempo (bei glücklicherweise ungekannt hoher Reaktionsfreudigkeit der Spieler) zu finden: Man hat mehr Zeit, den Akteur korrekt auszurichten, um so fließende Ballstafetten zu gewährleisten. Gerade bei Schüssen zementiert PES' neue Zugeständnis an das, was menschliche Körper realistisch zu leisten im Stande sind, meine Ansicht, dass Pro Evo schon immer dann am schönsten war, wenn auf dem Platz was schief geht. Andere, nicht allein FIFA, idealisierten den Fußball immer, feierten seine Eitelkeiten, wo Konami auf dem Feld auch immer im Taumeln, Stolpern, Stümpern eine Schönheit fand.
Dazu passt eine ebenfalls eine von mir sehr geschätzte Neuerung: Die sichtbare Erschöpfung der Spieler. Wer liebt sie nicht, die Phase, in der alle Spieler nur zu Krampfen anfangen und in der der Fußball besonders hässlich, aber dafür umso verbissener und leidenschaftlicher wird? Keiner? Also, ich zumindest liebe diese in sichtbare Verzweiflung umschlagende Phase hart umkämpfter Spiele heiß und innig. In PES bewirkt das Feature aber mehr als nur eine größere visuelle Nähe zum Sport, den es so gekonnt abbildet. Es stemmt sich auch gegen bisher recht valide Dauer-Pressing-Taktiken. Wer im steten Wechsel Kreuz- oder Quadrattaste hält, sieht insbesondere seine filigranen Starspieler schnell die Leute mit dem Krückstock herbeiwinken. Tatsächlich riskiert man so auch Verletzungen. Besonders in der Meisterliga wird dadurch clevere Rotation noch wichtiger.
Um schneller auf Erschöpfungszustände reagieren zu können, fügte Konami ein weiteres Feature hinzu, von dem ich nicht weiß, wie wir all die Jahre ohne ausgekommen sind: Mit den Quick-Subs darf man bei Spielunterbrechungen ohne Umweg über das Menü Auswechslungen anordnen. Es ist ein Traum und auch in Sachen Benutzbarkeit gut umgesetzt.
Andere Änderungen sind eher im Detailbereich zu finden. Die Spieler bekamen 11 neue Spezialfähigkeiten, was erhöhte Individualität verspricht, aber ich könnte schwören, "No-look"-Pässe und besonders gute Lupfer habe es vor Jahren schon gegeben. Wenn nicht in extra ausgewiesener Skill-Form., was natürlich den Wow-Faktor etwas schmälert. Aber ja: Mehr Merkmale und ihre Auswirkungen auf das, was auf dem Platz passiert (nicht nur auf individueller Basis, sondern auch Effekte auf die gesamte Mannschaft), sind nie verkehrt und PES war schon immer gut darin, jedem Spieler seinen eigenen, prägnanten Wiedererkennungswert zu verpassen.
myClub wurde überarbeitet, was sich aber eher in der Aufmachung als im zentralen Ablauf bemerkbar macht, und in der Meisterliga, die immer noch unfassbar dröge und blutleer inszeniert, aber trotzdem ein wahnsinnig spannender Modus bleibt, punktet mit ausgefeilteren Vertragsverhandlungen. Es ist nicht viel, was sich hier geändert hat, am Ende werden in diesem Modus trotzdem wieder 100 oder mehr Stunden zu Buche stehen.
Technisch gibt es unterdessen nur Gutes zu berichten. Neben einer Fülle an neuen Animationen im Großen und im Kleinen erfreuen 4K und HDR-Unterstützung. Einige Stadien begeistern mit fabelhafter Ausleuchtung, die den Originalen bis ins Kleinste entspricht. Ich hätte nie gedacht, dass die Veltins Arena auf Schalke irgendwann mal mein Standard-PES-Stadion sein würde, aber es sieht hier einfach zu gut aus, um nicht hier zu spielen. Demgegenüber steht natürlich, dass nicht alle Arenen die gleiche Zuwendung erhielten. Konami konzentrierte sich in diesem Jahr auf die Vereine, mit denen spezielle Lizenzabkommen abgeschlossen wurden. Aber es macht Lust auf mehr. Überhaupt sieht das Spiel insgesamt spürbar aufgefrischt aus. Klanglich dürften die Fans gerne mehr Ausrasten, und die Kommentatoren sollten künftig standardmäßig bitte auf "aus" stehen, um mir den Weg ins Menü zu ersparen. Aber das kennt man schon...
... womit wir beim Fazit, aber gewissermaßen wieder am Anfang wären. Denn auch das, was jetzt kommt, ist Teil des eingangs erwähnten alten Lieds: Am Ende wird so gut wie jedes PES vom "Ja, aber"- zum "Leider geil"-Spiel, auf das man irgendwo doch nicht verzichten möchte. Die Gefühle, die Pro Evo auf dem Rasen auch in der 19er Ausgabe ohne größere Warmlaufphase wieder abruft, darf man trotz all der Zeit, die man mit dieser Reihe verbrachte, nicht als selbstverständlich erachten. Sie sind das hart erarbeitete Produkt eines gut überwachten Reifeprozesses, der es ermöglicht, diesen Sport in allen seinen Facetten abzubilden. Diese Sorgfalt dürfte nur langsam mal auch auf das Drumherum überschwappen. Dann stimme ich im nächsten Jahr einen ganz anderen Song an.
Entwickler/Publisher: PES Productions/Konami - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: 30. August - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: Ja, myClub Modus - Getestete Version: PS4
PC-Spiele testen wir auf Lenovo Legion PCs und Laptops, die uns von Lenovo zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Hier erfahrt ihr mehr über Gaming-Laptops 2018 im Allgemeinen und hier geht es zur Website von Lenovo Legion Gaming.