Red Dead Redemption 2 (PC) - Test: Next Level Open World
Wie wir Welten 2020 sehen werden.
Update zur PC-Version: Wir veröffentlichen anlässlich des PC-Release von Red Dead Redemption 2 noch einmal unseren ursprünglichen Test. Bevor euch Martin aber erneut schildert, warum dieses Spiel eine Ausnahmeerscheinung war und auf PC immer noch ist, hier meine seit gestern gesammelten Eindrücke von der Umsetzung der PC-Version: Die Hardware-Anforderungen gefielen zwar durch eine niedrige Einstiegshürde, machten am oberen Ende ja zunächst ein wenig bange. Und auch erste Berichte von Abstürzen stimmten vorsichtig. Nach etwa fünf Stunden mit dem fertigen Spiel, auf einem vier Jahre alten i7 6700K mit einer drei Jahre alten Nvidia-GTX-1080-Karte und einer SSD, macht das Spiel einen guten Eindruck.
Abstürze hatte ich keine, obwohl ich sogar Eset benutze, einen der Virenscanner, für den einige Spieler eine Ausnahmeregelung für RDR2 einrichten mussten, damit das Spiel vernünftig startete. Mein Spiel startete ganz normal. Die Fülle der Grafik-Optionen beeindruckt, auch wenn ich mir angesichts der Tatsache, dass nur die wirklich ganz großen Grafikkarten dieses Spiel in Auflösungen ab 1440p auf den Maximaleinstellungen in festen 60fps erleben werden, durchaus eine Option gewünscht hätte, die Bildrate auf glatte 30 Bilder festzulegen. Sonst aber ist alles da, was ich mir davon erhoffte.
Was die Empfehlungen Nvidias, die von "hohen" Einstellungen für ihre größten Karten sprechen, nicht sagen: Neben der hohen Einstellung gibt es auch noch eine Ultra-Variante. Aber ich habe das Gefühl, dass die gemeint sind, denn mein nicht mehr ganz taufrisches System schafft mit einer Mischung aus mittleren und Hohen Einstellungen um die 55, manchmal auch 60fps in 1440p, die sich in einem so behäbigen Titel wie diesem hier nicht schlecht anfühlen. In 1080p schiebt man ein paar mehr Regler nach rechts richtung Hoch und Ultra und erreicht dann locker die 60fps. Ich spiele das hier trotzdem gerne mit überwiegenden Ultra-Settings in 1440p, obwohl ich sonst eine Bildrate deutlich jenseits der 60fps strikt bevorzuge. In diesen stabilen 30fps fühlt sich das Spiel durchaus wohl. Vor allem, wenn man G-Sync nutzt, fühlt sich dieser Titel auch so ganz ordentlich an. Wäre es ein schneller Shooter, wäre das was anderes.
Allerdings sollte man sagen, dass es mit der Vulkan-Schnittstelle wohl noch ein Problem gibt. In dem Modus fühlte sich das Spiel noch weniger performant und irgenwie unrund an. Auf DirectX 12 umzuschalten, war eine gute Entscheidung.
Insgesamt also ein Port, der mit vielen Einstellungsmöglichkeiten nach unten gut skaliert, nach oben hinaus aber sehr, sehr hardwarehungrig ist. Das Spiel rechtfertigt das mit der wohl schönsten Grafik, die man seinen Augen aktuell angedeihen lassen kann - und sieht auch dann noch gut aus, wenn man sie ein wenig zurückschraubt. Jetzt aber zu Martins Test... (Alexander Bohn-Elias)
Cheaten war gestern! Jetzt kommt MegaDev. Was das ist? Ihr könnt euch für die PC-Version eures Spiels einen legalen Trainer herunterladen, der nur Einfluss auf euer Solo-Spiel hat. Es ist kein Cheaten beim Online-Gaming möglich, weil das will keiner.
Schaut es euch an, hier geht es zu den MegaDev Cheats für Red Dead Redemption 2. Werft gratis einen Blick drauf und ihr bekommt unedlich Munition in Red Dead Redemption 2. Wenn ihr alle Codes wollt, gibt es Abos genau für das, was ihr möchtet.
Codes für über 1600 PC-Spiele. Spielt, wie ihr wollt. Dank MegaDev!
(Dieser Abschnitt ist eine Promotion für MegaDev)
Ursprünglicher Test der Konsolenversion (24. Oktober 2018)
Das ist neu. Diese Art Uncanny Valley kannte ich noch nicht. Nicht so. Bei realistisch ausgestalteten Figuren in einer sehr eingeschränkten Welt wie zuletzt in Detroit: Become Human vielleicht, aber nein. Dort ist es etwas anderes. So realistisch David Cages High-Tech-Puppenspiel auch aussehen mag, die Welt selbst hinterlässt nie den Eindruck, dass sie real wäre. So real, dass Fehler und Unregelmäßigkeiten, die sich nicht mit dem eigenen Erfahrungshorizont decken, auf einem unbewussten Level auffallen und alles seltsam unreal wirken lassen. Das, was bisher vor allem für Menschen in Spielen galt, das beansprucht nun die Spielumgebung von Red Dead Redemption 2 nun für sich. Das erste Spiel, dessen Welt so in sich geschlossen perfekt ist und so nah an der, die wir kennen, dass jeder Riss in ihr noch sehr viel mehr auffällt als in irgendeinem anderen Spiel.
Das ist ein unglaublicher Segen für das Spiel, schließlich bedeutet das nicht weniger als den nächsten Schritt in Sachen Weltdesign in Videospielen. Die Zukunft, jetzt schon in eurem Laufwerk. Der Fluch dessen ist natürlich, dass sich Red Dead Redemption 2 mit Vorwürfen herumschlagen muss, die ich bei einem Assassin's Creed nie angebracht hätte, nicht mal bei einem GTA V oder Witcher 3. Das sind ganz klar Videospielwelten, die ihre Unglaubwürdigkeit schon aus großer Entfernung telegraphieren, und das ist auch okay. Es sind schließlich Videospiele. Red Dead Redemption 2 ist das natürlich auch, aber nach nur einer halben Stunde in dieser Welt kann man das schon mal komplett vergessen. Es ist der Wilde Westen. In eurer PlayStation oder Xbox. Irgendwann sicher auch auf eurem PC. Niemals auf der Switch. Denn dass, was hier gezeigt wird, überhaupt auf einer aktuellen Konsole laufen soll, ist einfach absurd. Keine Ahnung, wozu Nvidia ständig neue Grafikkarten baut. Die alte Technik soll ruhig erst mal ausgereizt werden. Wenn jedes Spiel so aussieht, ach was, wenn auch nur fünf Spiele so aussehen wie RDR2, dann können wir über neue Grafikkarten reden.
Es ist natürlich die HDR-Version des Wilden Westens, was sich schon daran erkennen lässt, dass jeder Screen ein Kunstwerk ist. Egal ob satte Wiesen in der Mittagssonne, tiefer, dichter Nebel über den Sümpfen des Südwestens oder praktisch jeder Sonnenauf- und untergang ist ein visuelles Gedicht, geschrieben vom Barden persönlich, vorgetragen von den schönsten Engelsstimmen. Aber es ist nicht nur der klassische Cinemascope-Weitwinkel-Blick, mit dem das Spiel seine Welt konstant einfasst. Das allein würde nicht reichen. Es ist die Liebe zum Detail, die geradezu erschüttert. Assassin's Creed: Odyssey, wahrlich alles andere als ein hässliches Spiel, baut eine schöne Welt, indem es jedes Dorf und jede Insel ein wenig eigen und persönlich wirken lässt. In Red Dead Redemption haben zwei Nägel in einem Wiesenzaun schon Persönlichkeit. Weil es dem Studio gelingt, den Eindruck zu vermitteln, dass diese beiden Nägel nicht digital aufgesetzt wurden, sondern weil jemand einen virtuellen Hammer schrieb, mit dem man virtuelle Nägel in virtuelle Bretter schlägt und dabei virtuell die Einzigartigkeit eines Hammerschlags simuliert. Das ist Next-Level-Shit aus der Zukunft. Zumindest für die meisten Softwarehäuser (die aber auch keine virtuelle Währung für GTA V verkaufen, um virtuelle Hämmer zu erschaffen).
Ähnliches gilt für die Übergänge der Landschaften. Die Karte ist wohl nicht die größte, die es je gab, aber das muss sie auch nicht sein. Von den verschneiten Regionen des Nordens bis hinunter zu den Sümpfen des Südostens ist das hier eine Studie, wie Biome ineinander übergehen sollten. Es passiert beim Reiten völlig unmerklich. Eben noch durch die Weite der Prärie, dann durch ein paar Wälder, die sich langsam lichten, der Boden wird weicher, kleine Seen sprenkeln die Weiten, der Untergrund wird immer trügerischer und plötzlich sitzt ihr auf einem Pferd in den Everglades, ohne dass ihr einen bestimmten Punkt festmachen könntet, an dem der Wechsel stattfand. Das hier, das ist die Kunst. Das ist nicht mal Technik, das hier ist eine Kunst.
Es ist auch egal, wo ihr hingeht. Egal ob es einfach ein Ritt durch einen simplen kleinen Canyon ist, einer von der unspektakulären Sorte, mehr ein großer Graben, oder zum Beispiel nach Saint Denis, das den Eindruck erweckt, als hätte Geppetto aufgehört mit Puppen zu spielen und stattdessen seinem kompletten Südstaaten-Modelleisenbahnset das Leben geschenkt. In vielfältigster Form flanieren Männlein und Weiblein, alle individuell für sich, durch die Straßen, zwar einer gemeinsamen Mode folgend, aber jeder doch gefühlt mit seinem eigenen Touch. Stimmen scheinen sich in dem babylonischen Gewirr der US-Akzente nie zu wiederholen - auch wenn sie es sicher tun, aber dieses Spiel kaschiert das so viel besser als praktisch jedes vor ihm. Ihr geht die Straße hinunter, steigt in eine Straßenbahn, grüßt Insassen und sie grüßen zurück. Oder auch nicht, wenn ihr wie der letzte Dorfpenner gekleidet sind; "when in Rome" gilt auch hier, passt euch an, wenn ihr akzeptiert werden wollt. Es ist ein Ausflug in das, was virtuelle Realität leisten soll und ganz offensichtlich braucht es dafür nicht einmal eine Brille, um darin komplett zu versinken.
Bis dann das Pferd wieder mal gegen einen Baum dotzt. Was ein wenig zu oft passiert, bedenkt man, dass man reale Pferde schon fast jahrelang darauf abrichten müsste, damit das passiert. Hier ist es ein seltsamer Mix: Lasst ihr das Pferd laufen, weicht es Bäumen aus. Steuert ihr, vergisst es alle Instinkte. Im Effekt endet es dann oft so, dass das Pferd sich links hält, ich möchte nach rechte und in der Mitte wartet der Baum. Wiederum, echte Pferde tun das nicht, und das ist einer der in der Einleitung erwähnten kleinen Risse, die plötzlich auffallen und in keinem anderen Spiel ein Wort wert gewesen wären. Die Kratzer in Red Dead Redemption 2s scheinbar undurchdringlichem Schutzmantel der Glaubwürdigkeit. Der einzelne NPC, der sich für eine Sekunde als solcher zu erkennen gibt, weil er irgendwo festhing und kurz auf der Stelle geht. Die Straßenbahn, die ihr nicht kapern könnt, während jeder Eisenbahnzug euer sein kann. Dinge, die als das Gameplay-Element, das sie nun mal sind, dann doch durchscheinen. Wie verdammt gut muss eine Spielwelt sein, damit diese Kleinigkeiten zum Problem werden? Rockstar hat den Eingang zu einem neuen Uncanny Valley gefunden. Ich applaudiere ihnen dafür mit voller Hingabe.
Ihr solltet euch auch nicht davon täuschen lassen, dass auf den ersten Blick jenseits der Missionen nicht so viel zu tun gibt, das ist definitiv nicht der Fall, aber dazu gleich mehr, denn eine grundlegende Sache sollte euch klar sein: Das Spiel erst einmal sehr viel horizontaler ausgerichtet als so ziemlich jedes andere Open-World-Spiel aktuell. Es ist ein Western, ihr reitet in den Sonnenuntergang. Aber nicht den Berg zu hoch, ihr taucht nicht nach Ruinen, ihr macht kein Skydiving. Euer wichtigster und fast exklusiver Spielraum ist der Horizont der breiten Leinwand. Das ist so, das ist dem Inhalt geschuldet und es wäre auch bedenklich, wäre es anders. Aber das muss euch eben bewusst sein.
Dann bedeutet Realismus der Welt eben auch, dass ich - ich selbst, Martin - die Straße runtergehen kann, jeden freundlich Grüßen und nichts wird passieren. Würde ich auf asoziale Abenteuer aus sein, dann könnte ich die Straße runtergehen, Leute anpöbeln, schubsen und wieder wäre die Reaktion absehbar. Manche würden weggehen, andere zurückschubsen, eine Prügelei würde entstehen, die Polizei kommen, ich müsste vielleicht kurz in Gewahrsam, eine Strafe zahlen. Der Weg ist absehbar, wie das in einer Welt, die sozialen Regeln folgt, nun mal so ist. Auch das Pöbeln und die Schlägerei in Red Dead Redemption 2 verläuft oft nicht anders als in der Realität. Ihr pöbelt, prügelt euch und wenn ihr nicht so blöd seid, ein paar Leute oder gar den Sheriff und den Deputy zu erschießen, dann kommt ihr für eine Nacht in den Knast und zahlt ein paar Dollar. Das ist jetzt nicht die Art wilder Kettenreaktion, die man in einer entfesselten Sandbox findet. Es ist die absolut faszinierende Konstruktion einer virtuellen Welt und das ist weit spannender als das nächste Explosionschaos, das ein Just Cause entfesselt.
Das bedeutet natürlich nicht, dass es nichts zu entdecken und zu erleben gäbe, ganz im Gegenteil. Jagden nach seltenen Tieren für die Wildnisfreunde. Morde, die aufgeklärt werden wollen, aber jetzt nicht direkt als Nebenquest im klassischen Sinne markiert werden. Geschäfte verfeindeter Gangs, die nebenbei laufen könnt ihr stören und sogar ihre Lager ausheben. Während eines Bades oder eines Pokerspiels bekommt ihr Hinweise, denen ihr nachgesehen könnt. Vielleicht, dass irgendwo ein altes Haus steht, das einen Blick wert sein könnte oder einen Teil einer Schatzkarte, die euch ein paar zusätzliche Dollar einbringt. Ihr könnt Dinge auf beiden Seiten des Gesetzes zu erledigen, es wird euch nicht langweilig werden, wenn ihr nur ein wenig die Augen und Ohren offenhaltet.
Auch wenn das Spiel bei allen wichtigen Figuren dankenswerterweise auf den üblichen GTA-Freak-Wahn verzichtet - ganz im Gegenteil, sie sind als lebendige, greifbare Figuren so gut geschrieben wie es selten in diesem Medium der Fall ist: Hier und da gibt es den Western-Ausreißer. Ein verrückter Wissenschaftler hier, ein Weltverbesserer da, kleine, spannende Geschichten am Rande. Auch mit der Kleidung lässt sich experimentieren, wenn ihr als feiner Herr der Gesellschaft gewandet in ein Dorf voller Rednecks reitet ... Außerdem kann man ja immer für noch mehr Ärger sorgen, wenn man die falschen Leute erschießt und das eigene Kopfgeld ein wenig hochtreibt.
Und doch, wenn dann die Schießerei startet, endet es schnell wieder in einem Bruch mit der gezeigten Welt, die einem ein nervöses Zucken ins Auge triebt, weil man versucht, sich das milde Schleudertrauma eines unnötigen wie unerwarteten Paradigmenwechsels nicht anmerken zu lassen. Entweder es wird ein Kopfgeld auf euch ausgesetzt, das ihr im nächsten Postamt bezahlt und alles ist vergeben und vergessen. Reitet hoch erhobenen Hauptes durch die Stadt als wäre nie etwas passiert. Nein, so funktioniert die reale Welt eben doch nicht. Oder ihr werdet plötzlich beim Campen von ein paar Kopfgeldjägern überrascht. Die ihr erschießt. Oder auch nicht, ich wollte keinen weiteren Ärger, also ritt ich weg, so schnell ich konnte. Aber aus jedem Busch für die nächsten Kilometer sprang ein Typ mit einer Flinte. Das alles für 200 Dollar Kopfgeld? Nein, das passte nicht in diese Welt, das war die Welt von GTA, die sehr unpassend in den Westen einbrach, um für noch mehr Action zu sorgen.
Ich sehe die Notwendigkeit, die Reinheit des konsistenten Weltdesigns hier und da gegen ein wenig Videospielaction zu tauschen, aber es passte selten so wenig wie hier. Die schiere Perfektion dieser Simulation einer anderen Ära steht dem diametral gegenüber. Wieder einer dieser Einbrüche, in keinem anderen Spiel würde man sich über eine unrealistische Schießerei aus dem Nichts beschweren. So sind Videospiele halt, aber Red Dead Redemption 2 ist in seinen besten Momenten mehr als das. Etwas anderes. Aber eben kein ideales Beispiel für das, was gutes Gameplay in einem actionorientierten Spiel ausmacht. Das geht auch dem eigentlichen Gameplay-Element so, den fast Hundert Missionen, die einer einheitlichen, sich gelegentlich in mehrere Pfade aufsplittenden Story folgen. Diese Pfade führen immer wieder zusammen und sie sind Teil einer linearen Geschichte, die euch zwar hier und da in Sachen Ehre mal auf die Probe stellt.
Die Ehre ist hier eine Variation des "Gut-böse"-Schemas aus anderen Spielen und während das System okay ist - seid ihr nett, dann reagieren rechtschaffene Leute freundlich und seid ihr böse, dann meiden sie euch, umgekehrt ist es mit zwielichtigen Gestalten -, ist es der Balken an sich, der stört. Es ist ein Blick direkt auf die Mechanik hinter dem Vorhang und dafür gab es keinen Grund. Die Reaktionen der Leute sind auch graduell geschickt genug umgesetzt, man wüsste auch so gut genug, wie man gerade im Land gesehen wird. Nicht, dass es am Ende wichtig ist, nicht wirklich. Während sich aus solchen Reputationen in anderen Spielen teilweise dramatische Änderungen ergeben, ist es hier nur ein kleiner Faktor in der sozialen Interaktion. Es ist nicht so, dass plötzlich Massen an "bösen" Nebenmissionen aufpoppen würden. Ihr spürt förmlich, wie Red Dead Redemption 2 zu sich selbst zu sagen scheint, dass es über solchen Dingen steht. Und irgendwie nicht mal zu Unrecht.
Bevor wir zum Camp kommen, das unglaublich viel Liebe zum Detail erfahren hat, noch ein paar Worte zu den kleinen Dingen des Lebens. Wie auch alle Feinheiten der Welt überwältigt es, wie liebevoll die Waffen gestaltet sind, wie ihr sie selbst noch verzieren dürft, dass ihr sie reinigen müsst. Oder das Pferd. In anderen Spielen hat man halt ein Pferd. In Zelda hat man fünf mit einfachen Level-Werten. Hier habt ihr subtile Feinheiten bei der Dressur, ihr müsst es striegeln, ihr dürft nicht zu grob mit ihm umgehen, denn es kann auch sterben und dann seid ihr bei einem vielleicht teuren und gut dressierten Pferd wirklich traurig, dass es euch verlassen hat. Jagen ist zwar im Prinzip das, was es auch in anderen Spielen ist, aber wieder ist es der Detailgrad, der es absetzt. Wie ihr die Beute häutet, dass es für ihren Wert wichtig ist, sie möglichst "sanft" mit einem Bogen und nicht im Kugelhagel zu erlegen, wie ihr sie auf dem Pferd verstauen müsst. Es fasziniert auch nach Stunden noch und lässt etwas spielerisch eigentlich Unbedeutendes zu einem integralen Bestandteil der Glaubwürdigkeit der Welt werden.
Aber zurück zum Lager. Dieses Camp hat ein paar banale Dinge zu bieten, die ihr mit einfachen Mechaniken freischaltet. Mehr Ressourcen vor allem oder eine Art eingeschränkte One-Way-Ticket-Schnellreise-Funktion, normales Zeugs halt. Alles hat eher marginale Auswirkungen auf das Gameplay. Aber nettere Behausungen oder bessere Lebensmittel sorgen dafür, dass es der Van-der-Linde-Gang besser geht und das ist alles andere als ein Haufen unrasierter Männer fernab der Heimat. Es ist eine Art Kommune von Räubern mit oft genug eingebildeterer Ehre, Männer und Frauen am Rande der Gesellschaft, aber mit einem Leben dahinter, Wünschen und Zielen, die ihr nach und nach kennenlernt.
Diese Miniatur-Gesellschaft interagiert untereinander, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, und es bleibt euch überlassen, wo ihr euch einmischt, ob ihr euch selbst auch mal zofft, oder einfach die Bande eine Bande sein lasst und euer Ding macht. Es ist ein Grad der Interaktion zwischen ein wenig KI, viel brillantem Skript und Spieler, von dem Mass Effect irgendwann einmal träumte. Vielleicht wirkt die normale Interaktion mit anderen NPCs in der Welt etwas schlicht, weil diese Gruppe hier so viel Liebe seitens der Entwickler erfahren hat. Aber das wäre natürlich ein sehr unfairer Vorwurf, denn die ganze Welt so zu gestalten, das wäre zu fragen, warum nicht der ganze Vatikan aussieht wie die Sixtinische Kapelle. Das ist sogar jenseits eines Entwicklers wie Rockstar. Noch.
Die Geschichten, die hier ihren Lauf nehmen und die ihr in den Missionen vorantreibt, sind sehr unterschiedlich abhängig von den jeweiligen Figuren, die euch begleiten, aber am Ende wird ein sehr einfaches Bild gezeichnet. Das ist bei allen guten Western so, die sich um ein zentrales Motiv drehen. Im Vorgänger - den man nicht gespielt haben muss, wenngleich sich Kenner über viele kleine Verweise freuen - war es eine dunkle Version des Klassikers "Mein Name ist Nobody", eine Art Generationenwechsel, eine Abrechnung und ein Abschied. Ein Teil dieser Motive, vor allem Henry Fondas Passagen, zusammen mit vielen dazu gedachten Zitaten späterer Filme John Fords, finden sich auch in Red Dead Redemption 2.
Die zentrale Aussage bringt Arthur ganz einfach auf den Punkt: "Früher, wenn Du ein Problem hattest, dann bist du einfach weit genug geritten, bis es verschwand. Ich weiß nicht, ob das noch geht. Wir sind die vielleicht die letzten unsere Art in einer Welt, die uns nicht mehr haben will." Das ist das große Thema, alles andere ist Beiwerk persönlicher Konflikte. Die Van-der-Linde-Gang, mit ihrem charismatischen Anführer Dutch, tut, was eine Gang so tut und lebt davon, dass er seiner Gefolgschaft ein höheres Ziel in Aussicht stellt. Es geht um Freiheit oder so. Ein Leben abseits der Gesellschaft, die aber auch transformiert werden soll. Eine Mission, getrieben von tiefer Überzeugung oder doch nur ein Scharlatan, der mit gefälschten Karten Taschenspielertricks veranstaltet? Eine der vielen Fragen, die ihr euch im Rahmen der Gang stellen werdet. Das allmähliche Verpuffen von Dutchs einst so wirksamer Selbst- wie Fremdhypnose, ist eine meisterhaft gedrehte Spirale in immer enger werdenden Zirkeln. Das längst mehr wahre Versprechen der endlosen Weite des Westens zieht sich wie ein Strick immer weiter zu. Die eigene Figur Arthur ist für seht lange Zeit wenig mehr als ein Katalysator, ein kleinster gemeinsamer Nenner, der sich durch ein soziales Minenfeld aus einem Dutzend Variablen bewegt, die das Camp ausmachen und erst spät, wenn es Zeit wird Position zu beziehen, schält sich seine Figur besser heraus.
Vor allem in der zweiten Hälfte folgt ein Curveball in der Handlung dem nächsten, ihr kommt in Situationen, die ihr niemals kommen saht, das Spiel ist mehr als nur mutig genug, wenn es darum geht, auch mal dramaturgisch wertvoll einen Freund wie Feind abzuservieren und das Finale selbst ... Ich weiß, heute wird selten jedes Spiel, das gekauft wird, auch wirklich durchgespielt, aber bitte tut euch selbst den Gefallen. Es würde euch wirklich etwas entgehen, diese Handlung startet etwas langsamer, baut sich auf, nimmt sich Zeit, aber es ist am Ende schlicht eine brillante Erzählung. Einmal im Strudel der fortgeschritteneren Handlung kann man wie bei einer guten Serie auch kaum noch raus, der eine Wahnsinn ergibt den nächsten. Die Mythen und Lügen, die Glorie und der Wahnsinn aus God's own Country kommen schließlich full circle. Es ist ein wild ride und er ist magnificent.
Beschwert euch nicht, dass das eben ein paar englische Wörter waren, das Spiel hat noch ein paar mehr davon für euch übrig. Nur diese, um genau zu sein. Rockstar-typisch gibt es keine deutsche Synchronisation, nur Untertitel. Diese sind auch hervorragend geschrieben, aber jenseits von ein paar deutschen Auswanderern, deren Sprecher ihr sofort als nicht nativ der angelsächsischen Zunge mächtig entlarvt, wird hier Englisch gesprochen. Ich sehe, oder vielmehr, höre auch sofort, warum das so ist. Das ist nicht machbar. Nicht mal von der Menge her, was sicher auch schon eine Aufgabe wäre. Auch nicht von der Qualität der Sprecher. Diese hier sind aberwitzig gut und bringen einen Fluss in die Dialoge, die selbst ein Witcher alt aussehen lassen. Vor allem aber ist es eine Studie von Akzenten, die sich in der gleichen Perfektion ergeht, die man der Welt angedeihen ließ. Als Connaisseur, der auf MSNBC die Senatoren am Akzent ihren Staaten zuordnen kann, ist es für mich ein pures Vergnügen, es hier mit solcher Liebe zu Feinheiten umgesetzt zu sehen, aber dann wieder ist vieles jenseits von selbst fortgeschrittenem Schulenglisch. Selbst in unserem Ländchen haben wir von Platt bis Bajuwarisch eine gewisse Bandbreite zu bieten und das ist in den USA nicht anders. Also ja, es ist ein absurder Level an Detailfreude im Sprachgebrauch, aber um ihn vollständig zu würdigen, müsst ihr wirklich gut im US-English sein. Es ist so hinreißend, wie es zu einem guten Prozentsatz komplett auf das heimische Publikum zugeschnitten ist.
Ein mehr generelles Problem ist der zu 99 Prozent starre Gameplay-Ablauf der Missionen. So inhaltlich brillant und abwechslungsreich sie sein mögen - und das sind sie wirklich -, ist das hart gesagt spielerisch schon ganz schön mau. Immer wenn ihr denkt, dass ihr den Ausgang beeinflussen könnt, vergesst es. Es ist nur selten und vor allem erst im späteren Verlauf in einem gewissen Rahmen möglich - eine größere Entscheidung ganz zum Ende hin mal ausgenommen. Das schönste negative Beispiel war eine Mission, wo ich mich mit einigen aus der Gang bei Nacht vor einem Mob in einer alten Scheune verstecke. Zwei Leute kommen euch suchen, einer geht in die Scheune und schaut sich um. Er entdeckt euch nicht, eure Kollegen auch nicht und ist schon auf dem Weg nach draußen. Als würde das Spiel sich denken "Wie, du hast nicht geschossen? Verdammt, was mache ich jetzt?" schießt einer der Begleiter dem Gegner unvermittelt und komplett sinnlos in den Rücken und die große Schießerei, die ihr sonst gestartet hättet, geht in jedem Fall los. Ja, es ist der Typ, der meist sinnloses Zeug tut, aber in dem Fall fühlt es sich trotzdem nach einem zu schlichten Design an. Vor allem, weil es nicht mal einen Unterschied gemacht hätte, ob dieser Kampf nun stattfindet oder nicht. Nach zwanzig Toten mehr entkommt man eh, das steht so im Skript. Warum also nicht einfach auf den Kampf verzichten, dem Spieler das Stealth überlassen und die Mission genauso enden lassen?
Ansonsten reitet ihr viel und redet, vergleichbar mit GTAs Autofahrten, nur weniger chaotisch. Dann passiert etwas und das läuft regelmäßig auf eine weitere Schießerei hinaus. Irgendwie fast immer. Und gerade diese Ballerei fühlt sich sehr oft als das an, was die Amerikaner "gratuitous" nennen, also als sinnloser Bonus obendrauf. Noch dazu sind es lächerliche Mengen an Gegnern, die ihr dann umholzt. 10, 20 manchmal noch mehr, über die dann keiner mehr groß redet. Nur um in der nächsten Mission ein Fass aufzumachen, wenn man dann irgendwie das falsche Dutzend umgenietet hat. Das ist dann wieder GTA, das sich da reinschleicht, und oft genug hätte eine Mission eher gewonnen, wenn sie sich das verkniffen hätte. Die gute Nachricht ist, dass dem Spiel das irgendwann auch auffällt und selbst wenn in der zweiten Hälfte immer noch etwas zu viel geballert wird, hier findet ihr dann die Missionen, die auch mal mit ein wenig Abwechslung glänzen, etwa mit einem Pokerturnier oder mehr Stealth. Nicht, dass das Stealth-System mehr als funktional wäre, aber als Variation im Ablauf ist es herzlich willkommen.
Das Hauptproblem mit dem Geballer ist, dass Rockstar vieles kann, aber wirklich gute Shooter gehören nicht dazu. Schon das generelle Gunplay wirkt nach wie vor gegen die Platzhirsche dünn und substanzlos, es kommen noch Momente dazu, in denen ihr euch immer wieder wundert, warum ihr jetzt mal wieder nicht aus der Deckung herausschießen könnt. Nur um zu sehen, dass da ein Balken im Weg ist, aber nicht wirklich. Also drei Pixel weitergerutscht und schon klappt es wieder. Mal ehrlich, wir haben 2018, das geht sehr viel besser. Die gegnerische KI gewinnt keine Preise, in Deckung zu gehen und zu verlassen wirkt alles umständlich, so wie oft auch das generelle Interface einen Klick mehr als nötig erfordert. So gibt es keinen Schnellzugang zur Karte - nicht wirklich, ihr müsst Start ein paar Sekunden gedrückt halten, was länger dauert als in das Menü und dann zur Karte zu gehen -, aber eine nicht umzubelegende Extrataste für das Durchschalten von Ego-Sicht und Third-Person-Kamera-Distanzen. Als hätte darüber keiner zwei Minuten nachgedacht oder es im Falle der Schießereien mal endlich geschliffen. Da helfen auch Spielereien wie besseres Zeitlupen-Tagging nicht viel, wenn die Grundlagen beinahe immer noch auf dem Niveau von GTA 4 liegen.
Na das war doch mal ein Absatz, wie kann sich ein Spiel davon nicht nur erholen, sondern trotzdem problemlos sein goldenes Logo einheimsen? Nun, wenn man die meiste Zeit seines Daseins ein erfolgreicher wie auch ehrlich unterhaltsamer Visionär ist, dann kann man es auch an den Rändern schon mal zerfasern lassen. Und genau das ist Red Dead Redemption 2. Es ist eine Vorschau auf das Gestalten von Spielwelten, wie wir es in drei Jahren für normal halten werden - hoffentlich. Eine erwachsene Geschichte, die es in Akteuren wie Themen mit den besten des Western-Genres aufnehmen kann, ist das Vehikel, das euch zielsicher durch die vierte Dimension des Titels bringt. Aber es ist seine absurd brillant fantastisch ausgestaltete dritte Dimension, die es endgültig zu einem wichtigen Marker in den schnelllebigen Geschichtsbüchern des Gamings macht. Diese Welt ist unbeschreiblich, man muss sie gesehen und erlebt haben. Ja, das Ballern ist nicht direkt gut und kommt zu oft vor, das dürfte sogar die größte Sünde des Spiels sein. Es gibt Brüche in der Glaubwürdigkeit der Welt, aber auch nur, weil Rockstar diese auf ein neues Niveau hebt, das bisher unbekannt war. Es zeigt euch eine Intensität der Umgebung, von der ein VR-Headset nur träumen kann - zumindest bis eine Version für VR kommt.
Wenn ihr die Freude der schnellen Bewegung und die Action einer offenen Welt erfahren wollt, dann spielt Assassin's Creed, Just Cause oder eben GTA. Wenn ihr jedoch am eigenen Leibe und mit den Fingern am Controller erfahren möchtet, wie das Weltdesign der Zukunft aussieht und warum das Western-Genre noch lange nicht mit seinen Geschichten am Ende ist, dann spielt Red Dead Redemption 2.
Entwickler/Publisher: Rockstar / Take 2 - Erscheint für: PS4, Xbox One (PC später, noch nicht bestätigt und ohne Termin) - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: 26.10.18 - Getestete Version: PS4 - Sprache: Englisch mit deutschen Untertiteln (oder nur Englisch - oder Englisch mit englischen Untertiteln) - Mikrotransaktionen: noch nicht