Tales of Vesperia: Definitive Edition - Test: Definitiv spielenswert!
Das soll zehn Jahre alt sein?
Die Spiele der Tales-Reihe gehören nicht immer unbedingt zur ersten Garde der japanischen Rollenspiele. Sie stehen hinter den Final Fantasys und Dragon Quests dieser Welt immer ein bisschen zurück, genießen zumindest im Westen weniger Aufmerksamkeit, haben aber dennoch auch hierzulande eine treue Fanbasis. Und für die - egal ob schon damals begeistert oder frisch dazugekommen - hat Bandai Namco jetzt die Definitive Edition von Tales of Vesperia veröffentlicht, den zehnten Teil der Tales-Reihe, der vor zehn Jahren erschienen ist. Die Neufassung des Rollenspiels ist glücklicherweise weit mehr als ein dröger Aufguss - sie enthält zahlreiche neue Inhalte, sieht hervorragend aus und bietet zusätzlich zur englischen Sprachausgabe für die Hardcore-Fans auch die japanische Tonspur.
Die Geschichte in Tales of Vesperia beginnt langsam. Als Dieb Yuri erlebt ihr mit, wie in der Stadt Zaphias ein Blastia-Kern aus dem Brunnen gestohlen wird. Dabei handelt es sich um eine Art magisches Artefakt, das die Bewohner dieser Welt vielerorts als Energiequelle nutzen und sich deshalb nie Gedanken darüber gemacht haben, wie sie alternativ über die Runden kommen könnten. Das Abhandenkommen des Blastia-Kerns ist daher ein ernsthaftes Problem und Yuri macht sich daher auf den Weg, das Ding zurückzuholen. Wie so oft bei japanischen Rollenspielen dieser Art stellt sich dabei aber heraus, dass dieser Diebstahl nur ein kleiner Aspekt eines größeren Ganzen ist, das sich im Lauf des Spiels nach und nach entfaltet. Zunächst steht diese Geschichte aber gar nicht so sehr im Mittelpunkt, denn natürlich trifft Yuri im Laufe seiner Suche diverse Gefährten, die ihre eigenen Ziele verfolgen und dennoch zu einer Party heranwachsen, in der man sich mal mehr, mal weniger gut miteinander versteht.
Selbst mit einigem Wohlwollen lässt sich schlecht verleugnen, dass diese Geschichte ziemlich austauschbar ist. Das hat man so in vielen anderen JRPGs schon gesehen. Im Fall von Tales of Vesperia ist aber deutlich mehr Liebe in die Charakterentwicklung geflossen als bei vergleichbaren Rollenspielen aus der virtuellen Steam-Grabbelkiste. Einige der Figuren pflegen engere Beziehungen untereinander als andere, bei manchen zeichnet sich nach ein paar Stunden Spielzeit deutliche Sympathie ab, andere einigen sich stillschweigend auf eine Art friedliche Koexistenz. Im Verlauf der Geschichte könnt ihr per Knopfdruck optionale Dialoge zwischen den Figuren auslösen. Das gab es jüngst bei Octopath Traveler auch - aber bei Tales of Vesperia sind diese Gespräche tatsächlich interessant und sie sorgen dafür, dass ihr euch wirklich für das interessiert, was diese Figuren beschäftigt.
Ungewöhnlich ist für ein JRPG bis heute das Kampfsystem. EFR-LMBS. Nein, das ist nicht der Name einer südamerikanischen Revolutionsarmee, das ist die Abkürzung für den Namen des besagten Kampfsystems, für den sich die Entwickler entschieden haben: „Evolved Flex - Range Linear Motion Battle System". Geht echt flüssig von der Zunge. In der Praxis sieht das so aus: Vier Partymitglieder und diverse Gegner tummeln sich in einer Kampfarena, wobei ihr nur die Kontrolle über eine einzelne Figur übernehmt, die anderen werden vom Computer gesteuert. Ähnlich wie bei einem 2D-Prügler bewegt ihr eure Figur auf einer festen Linie, könnt aber per Knopfdruck aus jener ausbrechen und so entweder Angriffen ausweichen oder dazu übergehen, einen anderen Gegner anzugreifen.
Gerade zu Beginn fühlt sich das noch etwas eintönig an, es gewinnt aber an Komplexität, je länger ihr Tales of Vesperia spielt. Durch Erfahrungspunkte und bestimmte Schlüsselszenen in der Geschichte schaltet ihr neue Fähigkeiten frei, darunter hübsch animierte Kombos, vom Spiel Artes genannt. Die Kämpfe gegen normale Gegner sind oft recht simpel, die Bosskämpfe dagegen fordern immer wieder euer taktisches Geschick heraus. Dazu gehört es auch, euren Kollegen im Kampf die richtige Handlungsweise vorzugeben. Das macht ihr einerseits über Menüs, in denen ihr grundlegend festlegt, ob sich eine Figur eher offensiv oder defensiv verhält, andererseits lassen sich bestimmte Fähigkeiten auch im laufenden Kampf auslösen. Nett: In den Kämpfen können bei mehreren angeschlossenen Controllern zusätzliche Spieler auch die sonst vom Computer gesteuerten Figuren übernehmen. Das System braucht eine gewisse Eingewöhnungszeit, nach ein bis zwei Stunden gehen Kämpfe aber flüssig von der Hand. Zufallskämpfe gibt es übrigens nicht, ihr seht alle Gegner auf der Karte und könnt Kämpfen so vielerorts auch einfach ausweichen.
Was fehlt jetzt noch, damit wir alle Elemente beisammenhaben, die ein Rollenspiel ausmachen? Richtig, Crafting! Das gibt's natürlich auch bei Tales of Vesperia, hier könnt ihr kochen, um für die Gruppe heilende Gegenstände oder schlichtweg Nahrung herzustellen, die euch mit diversen Buffs ausstattet. Rezepte erhaltet ihr entweder im Verlauf der Geschichte oder durchs Kochen mit anderen Figuren. Auch abgesehen davon hat Tales of Vesperia alles, was man von einem solchen JRPG eben erwartet: Nebenquests, ein paar kleinere Puzzles, Minispiele, hübsche Anime-Zwischensequenzen. Alles sehr nett gemacht, aber eben auch alles relativ gewöhnlich. Wenn man Tales of Vesperia einen Vorwurf machen kann, dann ist es aus heutiger Sicht der, dass es nicht gerade viel neu erfindet. Liebhaber des sowieso konservativen Genres dürfte das allerdings recht wenig stören. Außerdem: Tales of Vesperia ist zehn Jahre alt. Und dafür hat sich das Spiel wirklich toll gehalten und gerade der Grafikstil wird auch nach den locker über 50 Stunden Spielzeit nicht alt.
Neu an der Definitive Edition ist aber nicht nur die auf allen Konsolen (Handheld-Modus der Switch ausgenommen) vorhandene Auflösung von 1080p, es gibt auch haufenweise neue Story-Elemente, darunter neue Dungeons und neue Charaktere. Einerseits Piratin Patty, die ganz neu hinzugekommen ist, andererseits Ritter Flynn, der in der ursprünglichen Spielfassung nur ganz kurz gespielt werden konnte. Ergänzende Zwischensequenzen gibt es außerdem, zusätzlich wurden neue Szenen vertont und wenn ich nicht wüsste, dass es sich hier um eine grundlegend überarbeitete Fassung von Tales of Vesperia handelt, würde mir nicht auffallen, was neu und was alt ist - das Spiel wirkt wie aus einem Guss. Es wird seinem Namen gerecht, es ist die definitive Fassung dieses Spiels.
Eine kleine Info noch für all jene, die mit englischer Sprachausgabe spielen möchten: Nicht alle Sprecher, die für die ursprüngliche Xbox-360-Fassung im Studio saßen, sind für diese Version zurückgekehrt. Darunter auch Troy Baker, der dem Protagonisten Yuri seine Stimme geliehen hatte. Alle Szenen, die bislang nicht vertont waren und es jetzt sind, haben also einen neuen Sprecher bekommen. Ehrlich gesagt habe ich das aber kaum bemerkt - der neue Sprecher ist dem alten sehr ähnlich, also alles kein Drama, aber eben nicht wundern, wenn ihr mal denkt, dass der Held plötzlich ein ganz klein wenig anders klingt.
Tales of Vesperia ist ein JRPG, dem man in der Definitive Edition nicht anmerkt, wie viele Jahre es schon auf dem Buckel hat. Die Geschichte mag nicht zu den ganz großen des Genres gehören, aber die Figuren sind toll gezeichnet, die Charakterentwicklung ist deutlich spürbar und die Anime-Grafik hinkt aktuellen Titeln wie Dragon Quest XI kaum hinterher. Eine Revolution des Genres war Tales of Vesperia vor zehn Jahren nicht und ist es auch jetzt in der Definitive Edition nicht - aber es ist ein tolles, rundes Abenteuer, das zeigt, dass die Tales-Reihe doch mehr sein kann als diese JRPG-Serie, die man dann spielt, wenn man alle anderen schon hinter sich hat. Grundsolider, ehrlicher Spielspaß ohne Schnörkel.
Entwickler/Publisher: QLOC, Bandai Namco/Bandai Namco - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Preis: 39,99 Euro (PC, PS4, Xbox One), 49,99 (Switch) - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Switch - Sprache: englische oder japanische Sprachausgabe, deutsche Texte - Mikrotransaktionen: Nein
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