Doom Eternal - Test: Ewig sollst du schlachten!
Keine Knoten in den Fingern sind auch keine Lösung!
Doom Eternal macht keinerlei Hehl daraus, was es sein möchte: Eine unverdünnte Power-Fantasie. Klar, das sollte bei diesem Namen auch Programm sein. So konsequent, wie man es hier jeden Meter spürt, sieht man es aber selten, selbst wenn bei dieser beinahe pubertären Gewaltorgie eine Menge Augenzwinkern dabei ist. Wie sehr Doom Eternal in erster Linie als Videospiel im Neunzigerjahre-Wortsinne - nicht auf die "Kulturgut"-Lesart - wahrgenommen werden will, sieht man an diversen Dingen.
Man erkennt es nicht allein am Gewaltgrad und der Menge an Gekröse, das in allen Farben des Regenbogens aus euren Widersachern plästert. Sondern daran, wie behutsam es dazu einlädt, wirklich jeden Meter der wundervoll anschaulichen 3D-Karte abzulaufen, bis man auch das letzte versteckte Goodie gefunden hat. Daran, dass Geheimnisse, die man oft genug hinter vergitterten Toren, Lüftungsschachtabdeckungen oder Rissen in Wänden schon lockend erkennen kann, als große, gelbe Fragezeichen in der Welt repräsentiert sind. Auch an der gewaltigen Menge an HUD-Elementen, Cooldowns und anderweitigen Anzeigen, die sich um Immersion nicht scheren, sieht man es - und an all den Dingen, die man finden, freischalten und aufrüsten kann.
Tatsächlich bezichtigt man Doom Eternal das erste Drittel hindurch noch regelmäßig, es ein wenig zu übertreiben, so aggressiv und mit eingerastetem Capslock, wie es sich "VIDEOGAMES, FUCK YEAH!" auf die Fahne schrieb. Kein Zweifel, wenn man mit Doom Eternal anfängt, ist das alles ein bisschen viel. Vor allem wirkt es eingangs deutlich konfuser und verkopfter, als es sein müsste. Und das, wo das Spiel doch mit - ebenfalls schamlos videospieligem und etwas ungelenk das Spiel einfach stoppendem - Tutorial-Lesestoff noch an seine Systeme heranführen will.
Ich meine, das muss man sich mal vor Augen halten: Es gibt allein drei Angriffsarten beziehungsweise Ausrüstungsgegenstände mit jeweils eigener zugewiesener Taste, die nur dazu da sind, den Gegnern die erstaunlich knappe Munition, Lebensenergie und Körperpanzerung zu entziehen. Man hämmert auf den Button für den Flammenwerfer und wie aus einem Pinata die Bonbons sprudeln die Armor-Klunker aus dem getroffenen Feind heraus. Bearbeitet man einen geschwächten Gegner mit einem "Glory-Kill", gibt's zur Belohnung Gesundheit. Und wenn man die Kettensäge benutzt, bekommt sprudelt ein Potpourri an Munition hervor. Wenn man denn genug Sprit für das Ding hat - was man oft genug erst merkt, wenn man auf die Taste drückt und der Doomslayer ein wenig planlos am Seilzugstarter seines Fichtenmopeds zerrt. Hättet ihr mal zuerst auf die Benzin-Anzeige geschaut!
Darüber hinaus verschießt ihr zweierlei Granaten, jeweils mit eigenem Cooldown, zwischen denen ihr mit einem Tastendruck umschalten müsst, wechselt nicht nur die acht Waffen mit ihren jeweils zwei unterschiedlichen Ausbaustufen, die ihr ebenfalls munter jongliert und die längst nicht alle "Fire-and-forget" sind. Ihr schaut, ob ihr genug Energie für einen Blood-Punch gesammelt habt, oder ob eure Dashes schon wieder aufgeladen sind. Denn, na klar, auch die haben einen kurzen Cooldown. Man hat alle Hände voll zu tun, schaut anfangs etwas mehr auf die HUD-Anzeigen als man wollen würde und wähnt sich dank verschiedener Schwachpunkte der Gegner und vereinzelter Anfälligkeiten gegen bestimmte Kaliber im wohl aktivsten Shooter seit langer Zeit. Aber auch in einem der zu Beginn mit am verwirrendsten und stressigsten.
Der Upgrade- und Freischaltwahn, dem sich das Spiel freimütig hingibt, droht ebenfalls, aus dem Ruder zu laufen, tut das aber - knapp - niemals wirklich. Ihr findet in den Levels nicht nur Waffen-Mods (jede Waffe hat zwei davon) sondern verdient euch auch Waffenpunkte, mit denen man diese Mods aufrüstet - und zwar dadurch, dass ihr möglichst viele Kampfszenarien gewinnt, von denen einige durchaus optional sind. Darüber hinaus gibt es Sentinel-Kristalle, die einerseits Gesundheit, Panzerung und Munitionskapazität steigern, gleichzeitig aber auch Perks freischalten. Will man etwa einen schnelleren Cooldown für den Flammenwerfer freischalten, muss man zum Beispiel eine Gesundheits- und eine Panzerungserweiterung freischalten, denn die beiden rahmen den entsprechenden Perk ein.
Dann gibt es noch Herausforderungen in den Levels, die euch Praetor-Suit-Münzen bescheren, mit denen man noch das Verhalten explosiver Fässer, eurer Granaten und eurer Automap zu euren Gunsten verändern und bestimmte Aspekte eurer Mobilität verbessern kann. Und von den Runen haben wir dann noch gar nicht gesprochen, die man nach und nach verdient (ebenfalls Perks, von denen man immer nur drei zur Zeit aktiv haben darf) oder von den Sentinel Batterien, die im Hub des Doomslayers zwischen den Levels noch weitere Goodies zugänglich machen.
Wie gesagt: Es ist eine ganze Menge, was hier vor sich geht und das wirkt angesichts des simplen Spielziels - "Reißen und Zerfetzen!" - während der ersten Levels beinahe zu viel des Guten. Einfach, weil man sich nicht sicher ist, ob das Spiel dadurch ein Besseres ist, oder einfach nur ... nun ja, "mehr". Aber dann macht es Klick und plötzlich ist er da, der Dämonen-massenmördernde Tunnelblick, der einem das Gesicht versteinert. Nur, damit es einem die Visage freilich alle paar Meter zu dem debilen Grinsen verzerrt, das man mit 16 vor einem der alten Dooms hatte, oder eben vor vier Jahren mit dem Reboot.
Wenige Shooter fühlen sich kathartischer an, zelebrieren groteskere aber zugleich auch sauberere, weil fantastischere Gewalt. Vor allem nicht mit einem derart kecken Selbstbewusstsein und so viel Pfeffer im Hintern. Fast meint man, Doom Eternal hätte das etwas überladene Drumherum gar nicht nötig - oder wünschte, dass auch die Progression und das Arsenal ein wenig verschlankt daherkäme. Auch wenn ich selbst keine Ahnung habe, wie man hier etwas streichen oder umstellen sollte, weil das Resultat nach etwas Eingewöhnung eben doch so wahnsinnig befriedigend funktioniert. Und bevor ich mit meinem Eingreifen etwas kaputtmache, was mir so schon unfassbar viel jugendliche Freude bereitet, nehme ich das Spiel lieber so, wie es ist.
Denn irgendwann macht es eben doch "klick", auch wenn es bei mir länger gedauert hat. Und dann liebt man, wie zielgerichtet, man dem Spiel sagen kann, was man gerade braucht. Ich stilisierte die Suche nach der nächsten Gelegenheit, einen kompletten Gegnerpulk zugleich in Brand zu setzen, um meine Panzerung mit nur dieser einen Aktion fast wieder komplett aufzufüllen, zu einer Kunstform hoch. Ich wurde auch richtig gut darin, isolierte kleinere Gegner für einen heilenden Glory-Kill zu isolieren, der mir das Leben retten sollte, oder einen Solo-Feind abseits des mich gerade gut abfrühstückenden Monsterpulks zu finden, der seinen Abgang mit "Stihl" für mich mit einem Munitionskonfetti feiern würde.
Gute Güte, ist das hier glorreich! Wenn man erst einmal drin ist, Geist und Finger ein wenig sortiert hat und begriff, dass man wie der Weiße Hai niemals stehenbleiben darf und die ausgebaute Mobilität des Doomslayers zwischen Wallclimbs, Reckstangen zum Schwingen sowie Double Jumps und Double Dashes nutzen muss, um in eine aussichtsreichere Position zu kommen, einem Gegnerpulk zu entwischen oder einfach nur mal zu verschnaufen und hier und da ein wenig Munition oder Gesundheit einzusammeln. Die Arenen sind allesamt bestens auf die neue Wendigkeit des Doomguy ausgelegt und es ist eine Wonne durch sie zu watzen, als gäbe es kein Morgen.
Der Blutrausch, in den man verfällt, wenn man wie eine Naturgewalt, ohne nachzudenken, nur reagierend durch die Reihen der Feinde fegt und weniger und weniger Widerstand spürt - nicht, weil das Spiel tricksen würde, sondern weil man einfach besser wurde - das veranlasst mal um mal zu spontanen "Fuck-Yeah"-Rufen und Fistpumps vor dem Monitor. Wirklich so geschehen! Sogar all der Such- und Findkram motiviert dann immer mehr, weil das Spiel von Moment zu Moment zu erfüllend und unterhaltsam ist, dass man jeden Quadratmeter davon sehen will. Ich bin zum Beispiel komplett außer Stande, einen der optionalen, Super-schweren Slayer-Gate-Kämpfe "für später" liegen zu lassen, ruhe nicht, bevor ich das Umgebungs-Kletterpuzzle oder die geheime Passage zum Schlüssel dazu gefunden habe und verbeiße mich dann in die extrem fordernde Arena, bis ich sie schaffe. Ich habe sicher vier oder fünf Stunden allein mit diesen Räumen zugebracht, die jeweils einen von sechs Schlüsseln gewähren, mit denen man eine besonders mächtige Waffe freischaltet. Ähnlich treiben zieht es mich zu den Secret Encounters und all den anderen Geheimnissen. Es ist einfach wahnsinnig motivierend.
Das liegt sicher auch an der Art, wie die gewaltig großen Level entworfen wurden. Es ist eine annähernd Metroidvania-artige Struktur, mit viel Erkundung und Umgebungsrätsel der Sorte, "wie komme ich da nur hin?" Das lockert die vielen intensiven Arenakämpfe bestens und mit viel Spaß an der Bewegung in der Vertikalen auf. Es ist auch weniger ein Metroidvania im "Benutze hier diesen neuen Skill, um weiterzukommen"-Sinne als in der perfekt vorgegaukelten Freiheit im Rahmen einer verschachtelten, aber eigentlich recht linearen Umgebung. Dieses Netz mithilfe der perfekten Automap zu entwirren, ist immens spaßig, wenngleich die riesigen Umgebungen fast schon ein wenig zu schlüssig aufgebaut sind: Nur selten fand ich im ersten Durchlauf durch einen Level weniger als 90 Prozent der oft über 20 Sammelgegenstände. Entweder bin ich also sehr, sehr gut darin, diesem Spiel seine Geheimnisse zu entlocken oder einiges könnte fast noch ein wenig besser versteckt sein. Ich tendiere zu letzterem, sehe aber auch die Vorzüge der hochfrequenten Gratifikation, die das unentwegte Ergründen dieser höllischen Landstriche mit sich bringt.
Man spielt Doom Eternal defintiv vor allem um seiner selbst willen, wegen des Gunplays, des Fleisch-von-den-Knochen-Fetzenden Trefferfeedbacks und der Wonne, die in jeder Bewegung liegt. Denn all die Upgrades, mit denen das Spiel seinen User überschüttet, sind letzten Endes zwar nett, haben im weiteren Verlauf aber immer weniger Zugkraft. Die ersten drei Runen, die ich mir sicherte, waren die, die für meine Spielweise mit Abstand am besten waren. Ich blieb bei ihnen, tauschte vielleicht eine oder zwei aus und ließ den Rest ungenutzt.
Ähnliches gilt für die Waffenmods: Die ersten, die ich für jeden Schießprügel freischaltete, blieben für die komplette Dauer hindurch meine Favoriten. Allerdings gebe ich gerne zu, dass mich die Mastery Challenges - noch eine Upgrade-Ebene, die ich vergaß, zu erwähnen - bei denen man nach maximalem Ausbau mit den Waffenpunkten einer Modifikation einen weiteren mächtigen Perk verleihen kann, ebenfalls motivierten, mal etwas anderes zu spielen. Oft kehrte ich nach abgeschlossener Mastery aber doch wieder zu meiner bevorzugten Mod zurück. Und die Praetor-Suit-Punkte lagen lange ungenutzt auf dem Konto, weil mir die weiteren Vorteile, die sie freischalteten ab einem gewissen Punkt egal waren.
Ein paar Worte zur Technik noch: Es ist id Software - was erwartet ihr? Ich testete die PC-Version an zwei sehr potenten Rechnern: In 1440p auf einem i7 6700K mit Geforce RTX 2080 Ti und in 1080p auf einem Spiele-Laptop mit einer Mobilvariante der RTX 2070. Beide Rechner erreichten auf Maximaleinstellungen hohe dreistellige Bildraten. Auf Konsole habe ich das Spiel nicht erlebt, aber hier hat der Entwickler bereits bestätigt, dass 60fps überall außer auf Switch das Ziel sind. In der Vergangenheit hat id Software in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Technische Probleme hatte ich so gut wie keine. Das eine oder andere Mal schien ein Gegner in der Umgebung festzuhängen, aber das war es dann auch schon. Den Battle Mode konnte ich leider noch nicht ausprobieren, denn die Server werden erst zum Verkaufsstart des Spiels live geschaltet. Aber er sieht nach einer netten Abwechslung aus, wenn ein Doomslayer mit dickem Arsenal gegen drei von Spielern kontrollierte Monster antritt. Aber selbst, wenn er schlecht wäre, an meiner Meinung über Doom Eternal als Gesamterlebnis würde das nichts ändern. Die umfangreiche Kampagne ist der Grund, warum man hier ist.
Doom Eternal, also. Meine Startschwierigkeiten mit der Durchsystemisierung des Kampf- und des Upgradesystems ändern nichts daran, dass ich nach meiner Warmspielphase wahnsinnig viel Spaß mit ids Neuestem hatte. So simpel, wie sich das Spiel auf sein Gemetzel zu versteifen scheint, sind vor allem die ersten Stunden nicht, in denen man noch mit seinen Fingern, dem HUD und den diversen Progressionsebenen ringt. Ist das alles erst verinnerlicht, erlebt man dieses Spiel aber als eine unheilige Union aus hochpotenter, aber reuelos-bunter Dämonengewalt und maschinengewehrartigen Metal-Klängen, die so kompromisslos arcadig und verspielt ist, dass man sie einfach mögen muss. Falls ihr euch schneller in Doom Eternal reinzudenken vermögt, umso besser. Ihr dringt früher in den wunderbar blutigen Kern vor, der diesem ehrlichen und auf maximalen Spaßgewinn ausgelegten Shooter innewohnt. Ihr werdet euch dort mächtig wohlfühlen!
Doom Eternal ist ein mit Kills betriebenes Perpetuum mobile aus der Hölle. Ein Tornado aus Flammen, Klingen, Plasma und Schrot - und ihr seid das zufrieden ruhende Auge dieses Sturms.
Entwickler/Publisher: id Software/Bethesda - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: 20. März - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: Nein - Getestete Version: PC