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Crusader Kings 3 Test - Das echte Spiel der Throne

"Geh' ins Bett!", haben sie gesagt…

Eurogamer.de - Herausragend Badge
Endlos fesselnder Stundenfresser zwischen 4X- und RPG, der endgültig die alte Frage beantwortet: "Warum vertragen die sich nicht einfach?"

Crusader Kings 3 Test - Ich gebe zu, ich hatte lange ein falsches Bild von Crusader Kings: Ich habe es in erster Linie immer als Globalstrategiespiel begriffen. Eine Gattung Spiel, in der ich mich selbst schon gut bedient sah und deshalb auch nicht den Drang verspürte, mich einzuarbeiten und eingehender nachzuforschen, ob Paradox' wichtigste Serie nicht doch etwas für mich sein könnte. Mir ist klar, dass mein Urteil über den lang erwarteten dritten Teil für Fans der Reihe daher nicht so aussagekräftig sein dürfte wie das eines Veteranen, aber vielleicht nehmen sie diesen Artikel ja zumindest als reumütige Bauchstreichelei wahr. Denn meine Güte, was für ein fantastisches, außergewöhnliches Spiel Crusader Kings 3 doch ist!

Tatsächlich fühlt sich Crusader Kings 3 auch im ständigen, ungebrochenen Blick auf Kartenbildschirme, Verwaltungsmenüs und Textboxen mit Multiple-Choice-Entscheidungen mehr an wie ein Rollenspiel, als wie ein typisches 4X. Für Eingeweihte keine außerordentlich überraschende Erkenntnis, sicherlich, für mich aber der Schlüssel, zu verstehen, was dieses Spiel mit mir macht und warum ich nur so schwierig davon lassen kann. Man spielt in Crusader Kings einen Regenten und nicht gleich das ganze Reich. Eine kleine, aber feine Unterscheidung, die das komplette Erlebnis deutlich persönlicher gestaltet. Wer also genauso falsch lag wie ich, was CK angeht, sollte seine Erwartungen diesmal dringend korrigieren.

Geschichte zum Mitmachen

Ganz egal, ob ihr euch entscheidet, entweder das ordentliche Tutorial in einem Kleinkönigreich in Irland im 11. Jahrhundert zu starten oder selbst das Oberhaupt einer von vielen, vielen Dynastien auf der von Westeuropa bis nach Indien reichenden Karte zu wählen: Euer Fürst (oder eure Fürstin) und seine Herkunft, Charakterwerte und Ansprüche auf Ländereien sind zentrale Gestaltungselemente für den Ablauf einer Kampagne, die vom 9. bis ins 15. Jahrhundert reichen kann. Zu keinem Zeitpunkt könnt ihr einfach machen, was ihr wollt - ihr seid an Gesetze gebunden, grundsätzlich irgendwo immer unter Einfluss irgendeiner Kirche - und sobald ihr etwas ambitionierter werdet, auch dadurch fremdbestimmt, welche Wünsche und Ansprüche eure Nachbarn so haben.

Die nächsten drei, vier Jahre schon was vor? Und die Mods kommen ja erst noch...

Das Wesen eures Regenten wird repräsentiert durch diverse Charakterwerte von Diplomatiefähigkeit bis hin zu Bildung, Ränkespiel und Kampfkunst (Werte, die man durch die Wahl entsprechender Lebenswandel noch verbessern kann, wo entsprechende Fertigkeitenbäume darauf warten, erklommen zu werden) und komplementiert durch eine schier unendliche Kombinationen von Persönlichkeits-, Ausbildungs- und weiterer Merkmale. Die müssen nicht immer positiv sein. Ein großzügiger Regent klingt nach jemandem, mit dem man sich gern identifiziert. Aber wollt ihr das auch noch, wenn ihr seht, dass euch dadurch zehn Prozent eurer Einnahmen abhandenkommen? Auch einem mitfühlenden Monarchen dürften die meisten von uns erstmal positiv gegenüber eingestellt sein. Aber das führt häufig zu gesalzenen Anstiegen im Stress-Level, wann immer man sich gezwungen sieht oder auch nur versucht ist, mit harter Hand gegen seine Gegner durchzugreifen. Und Stress tötet. In Crusader Kings 3 des Öfteren buchstäblich.

Ihr seht: Diese Charaktereigenschaften sind keine Einbahnstraße, die nur dazu da sind, euren eigenen Handlungsspielraum abzustecken: Fast immer erschwert oder begünstigt ein Wesenszug eure Überlegungen und grundsätzlich immer reagiert die Gegenseite auch auf euch und euer Tun. Vasallen, Invasoren und argwöhnisch euch gegenüber eingestellte Nachbarmonarchen sind nämlich ebenfalls alle im selben Umfang facettenreich durchsimuliert. Euer Tun und Lassen als mittelalterlicher Social-Engineering-Simulator, der so lange läuft, bis das letzte Mitglied eurer Dynastie mit Anspruch auf Ländereien sein Leben lässt. Dann heißt es "Game (of Thrones) Over". Was auch immer ihr tut, es wird Teil eurer persönlichen Geschichte, die sich immer weiter fortsetzt und in euren Gedanken sehr lebhaft Monumentalfilm-artige Dimensionen annimmt.

'Werteste, wir sind hier nicht in Shelbyville!'

Besser als Game of Thrones

Ich kann nicht sagen, wie viele Stunden anteilig alleine auf das strategische Verheiraten meiner Nachkommen und Untertanen entfielen: Ausschau halten nach vererbbaren Talenten, vererbbaren Ansprüchen, etwaigen Bündnissen, die zu meinen Gunsten ausfallen könnten, und so weiter. Wie oft überraschte mich, was anschließend passierte! Für mich fühlte sich das mehr nach Rollenspiel an als so manches Loot-verliebte Spiel der letzten Zeit. Das hier - Könige Briain I bis XXIV - bin ich - nur eben mit schief sitzender Krone und einem Machtdurst, den ich bisher so nicht von mir kannte.

Natürlich - Bauen, sich vergrößern und Erobern sind zentraler Teil des Erlebnisses. Die Strategie- und Management-Ebene kommt dabei vor allem bei der Zusammenstellung eures Rates zum Tragen, unterstützen die sechs Mitglieder doch alles was ihr macht. Beruft einen Kanzler, einen Verwalter, einen Chefspitzel sowie einen Ratsmarschall und hofft, die jeweilige Kirche schickt euch einen brauchbaren Bischof, der euch gut leiden kann. Im Optimalfall habt ihr noch eine bessere Hälfte an eurer Seite, die einen Teil ihrer Vorzüge auf euch überträgt. Jedes Ratsmitglied, wozu auch eure bessere Hälfte gehört, könnt ihr mit jeweils drei unterschiedlichen Aufgaben betreuen und so an den Stellschrauben eures Reiches drehen.

Was soll schon Schlimmes passieren?

Euren Bischof lasst ihr zum Beispiel entweder den Draht zur Kirche pflegen (was die Ressource Frömmigkeit abwirft), Gemeinden anderen Glaubens zu dem euren konvertieren oder den Herrschaftsanspruch auf eine Gemeinde fingieren, die nicht eurer Kontrolle unterliegt, sodass ihr sie für euch reklamieren könnt. Euer Verwalter darf sich entweder auf das Eintreiben von Steuern konzentrieren, auf das Unterstützen von Bauvorhaben oder darauf, die eigene Kultur zu fördern. Euer Spitzel stört Komplotte gegen euch, fördert eure Komplotte gegen andere oder bringt Geheimnisse zutage, die man anderen gegenüber als Druckmittel einsetzt. So viel nur als Beispiel.

Der Schrecken des Krieges

Habt ihr es zu einem gewissen Auskommen gebracht, errichtet ihr an strategischen Stellen Burgen, gründet neue Städte oder Bistümer und rüstet sie (kostspielig) weiter auf, um mehr Steuern und Truppen zu erhalten. Und wenn es daran geht, eure Besitztümer auch gegen Ansprüche anderer zu verteidigen, lasst ihr Ritter einladen, eure Vasallen eingezogene Fußtruppen schicken und erstellt Kriegsvolk-Regimenter, um euch noch ausgewogener und schlagkräftiger aufzustellen. Das Einzige, was mich eigentlich weniger begeisterte, war die Kriegsführung an sich. Hier wird von euch nur gefordert, richtig abzuwägen, ob eure Truppen stark genug sind, um in den automatisch berechneten Gefechten gegen das feindliche Heer zu bestehen. Der Rest ist Formsache...

... bis auf die recht häufigen Momente, in denen es zu irrsinnigen Verfolgungsjagden kam, wenn die feindlichen Truppen nach einer Niederlage einfach flohen, um eine meiner weniger verteidigten Städte zu belagern. Dem kommt man mit der Zeit mit lokalen Armeen entgegen, wenn man das System erstmal begriffen hat. Aber das ist nicht unbedingt intuitiv oder komfortabel. Auch kann es sein, dass das Fehlen eines Spielziels, abgesehen von "erweitere deine Macht!", den einen oder anderen ein wenig orientierungslos zurücklässt. Aber das werden die Mods mit der Zeit sicher richten.

Auch weit nach Süden könnt ihr euch aufmachen!

Bis ins 15. Jahrhundert kann ein Durchlauf gehen und egal, ob es nun gut lief oder eher ... na ja ... mäßig - ich hatte durchweg viel Spaß, fieberte mit meinem ersten rechtschaffenen, aber leidlich erfolgreichen Regenten mit, bedauerte, wenn er Entscheidungen treffen musste, die ihn grämten, und war betreten, als mit seinem Ende nicht nur er mich verließ, sondern auch einige Herzogtümer, die nun anderen Regenten gehörten. Seinen missratenen Sohn, der an seine Stelle trat, lernte ich hingegen richtig hassen, auch wenn auch er zum Teil nur Opfer der Umstände war (und der Tatsache, dass ich auch seinem Charakter gemäß spielen wollte). Dieses Spiel setzt so viele unterschiedliche Gesichter auf, dass es eine Freude ist.

Technisch präsentiert sich Crusader Kings erstmals in 3D, mit einer stufenlos zoombaren Weltkarte, dreidimensionalen Regentenporträts, die auch altern, Krankheit und Verletzungen aufweisen können. Das mag optisch nicht unbedingt opulent wirken. Aber es ist aufgeräumt, stilecht und durchaus atmosphärisch, was die wundervolle Musik auch stützt, die genau zu wissen scheint, wann sie episch-aufwühlend oder melancholisch-brütend sein muss.

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Crusader Kings 3 Test - Fazit

Und hier sitze ich nun und denke schon beim Tippen an meine nächste Spiel-Session. Wie ich den Sprung von England auf den europäischen Kontinent schaffen soll, wie lange ich mich noch um die Teilnahme an den Kreuzzügen drücken kann und ob ich die Affäre meiner genialen, wunderschönen und weisen Frau Gemahlin mit meinem Kanzler weiter ignorieren soll. Wenn ich heute Abend schlafen gehe - wieder viel zu spät, keine Frage - werde ich mit einzelnen Entscheidungen hadern, mir zu bestimmten Winkelzügen selbst gratulieren, verspielten Ländereien hinterherweinen und Pläne schmieden, sie zurückzubekommen. Morgen am Schreibtisch geht der Zyklus von vorne los. Diese Sorte Spiel kommt nicht allzu oft.

Crusader Kings 3 ist wie ein gutes Buch, das ihr selbst schreibt: Euer Charakter ist eure Feder, das Umfeld, das ihr für ihn schafft, das Papier. Und die Art, wie ihr mit Familie, Freunden und Feinden umgeht, die Tinte, die all das zum Leben erweckt. Geschichte war selten spannender. Ich schlage vor, ihr schreibt mit!


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  • Entwickler / Publisher: Paradox
  • Plattformen: PC
  • Release-Datum: 1. September
  • Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
  • Preis: ca. 50 Euro, keine Mikrotransaktionen

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