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Grand Slam Tennis

Matchball Wii MotionPlus

Ich gebe es zu: Meine Beziehung zu Grand Slam Tennis und seinem kleinen weißen Motion-Plus-Anstecker hatte keinen guten Start erwischt. Und das ist mir mittlerweile ein bisschen unangenehm, denn es war offenbar allein meine Schuld. Wegen nicht genau rekonstruierbarer, ganz bestimmt aber ein bisschen peinlicher Netzwerkprobleme hatte meine Wii schon laaaange kein System-Update mehr gesehen, mit dem Resultat, dass die Steuerung von EAs erstem Tennisspiel seit 15 Jahren zwar irgendwie funktionierte, gleichzeitig aber auch irgendwie nicht.

Gefühlvoll und gut platzierte Crossfeld-Bälle wechselten sich vorzugsweise bei wichtigen Ballwechseln mit totalen Katastrophenschlägen ab, Richtungen wurden nicht oder falsch erkannt und das Spiel verkaufte mir Topspins als Slices. Bei jedem zweiten Ballwechsel hatte ich das dringende Bedürfnis, die Wii-Fernbedienung der Anleitung entsprechend zur Kalibrierung mit dem A-Knopf nach unten zwei Sekunden auf dem Fußboden abzulegen - und draufzuspringen.

Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mich auf die angebliche Eins-zu-eins-Steuerung verlassen konnte. Genau deshalb wurde Grand Slam Tennis zu meinem ganz persönlichen John-McEnroe-Simulator. Nicht, weil der siebenfache Grand-Slam-Sieger exklusiv im Spiel vertreten ist, sondern weil ich - exklusiv - vor dem Spiel um mich getreten habe und meinen „Schläger“ an der am wenigsten gepolsterten Seite (fyi: oben!) knallend mit meiner Raufasertapete bekannt machte. Das konnte doch nicht ihr ernst sein.

War es auch nicht, denn nach dem Update funktionierte alles wunderbar. So wunderbar sogar, dass Grand Slam Tennis mittlerweile mein liebstes Tennisspiel ist. Vorweg muss man allerdings sagen, dass Grand Slam Tennis alles andere als das Wii-typische Pick-up-and-play-Spiel ist, das der niedliche Grafikstil vermuten lässt.

Es braucht Übung, Übung, Übung, bis jeder Schlag so sitzt, wie man ihn sich vorgestellt hat und man versteht, worauf es der Software bei der Interpretation der Bälle ankommt. Zum Glück begreift man GST mit jedem Spiel ein bisschen mehr und erschließt nach und nach die alles andere als versteckten Tiefen dieses wunderbar authentischen Tennisspiels.

Grand Slam Tennis - Motion Plus-Video

Die stecken anfangs leider vor allem darin, dass man ein bisschen auf sich selbst gestellt ist, weil Grand Slam Tennis sich nicht besonders gut erklärt. Deshalb tut man gut daran, das Nunchuck erstmal Nunchuck sein zu lassen, das Stellungsspiel der KI zu überlassen und sich gegen die geduldige Ballmaschine (ich nenne sie Agnes) auf die Ausführung seines Schwungs zu konzentrieren. Da man vor allem die Abneigungen der GST-Engine weder vom Spiel noch von der Anleitung erfährt, muss man sich nämlich einige Dinge selbst zusammenreimen.

Zum Beispiel die Eigenheit, dass das Spiel es nicht so gerne mag, wenn man zu ausladende Ausholbewegungen samt Verschiebung der Fußstellung vornimmt. Holt man nur weit genug aus, wird jede Rückhand auf dem Bildschirm schließlich irgendwann wieder zur Vorhand, was zwangsläufig für Missverständnisse sorgt.

Ebenso unerklärt wie wichtig ist es, die Wii-Fernbedienung zwischen den (Auf-)Schlägen möglichst neutral vor sich zu halten und bei dem eigentlichen Schlag weder zu hastig zu wedeln noch zu übertrieben zu gestikulieren. Hat man diese Dinge intus, ist man für den Karrieremodus schon gut aufgestellt. Was dann noch ein bisschen untergeht, ist hauptsächlich der Tennislogik geschuldet: Bälle, die zum Beispiel auf die Vorhand kommen, sollten auch mit einer Vorhand-Bewegung zurückgeschickt werden und umgekehrt bei der Rückhand. Dies aber nur am Rande und nur für diejenigen, die seit Wii Sports Tennis auf kurze, wackelige Reflexbewegungen konditioniert sind.

Befolgt man diese Regeln, was wirklich nicht allzu schwer ist, übernimmt man bald auch die Platzierung des Spielers per Nunchuck selbst und entdeckt fortan sogar noch weitere Tiefen, die aus Grand Slam Tennis ein unglaublich involvierendes Sportspiel machen. Die Vorstellung, zum Beispiel eine Next-Gen-Version von Grand Slam Tennis mit einer normalen, guten Buttonsteuerung zu spielen, fühlt sich für mich wie ein richtig schmerzhafter Rückschritt an. Dieses Spiel „geht“ in dieser Qualität nur so und mit dieser Hardware.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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EA Sports Grand Slam Tennis

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii

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