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Tiny Tinas Wonderlands im Test: Von Cringe, Fürzen und ganz viel Magie

Vieles macht Tiny Tina's Wonderlands toll, in anderen Bereichen lässt der Titel nach.

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Tiny Tina's Wonderlands weiß mit seinen Zaubern zu überzeugen, leider fehlt der typische Borderlands-Charme.

Tiny Tina's Wonderlands hat gemischte Gefühle in mir ausgelöst. Ein paar Dinge macht der Loot-Shooter hervorragend, bei ein paar anderen habe ich mir innerlich ein wenig an den Kopf gefasst. Ein chaotisches Abenteuer durch und durch eben, bei dem allerdings ein Kernaspekt des Franchise ein wenig auf der Strecke bleibt.

Der Cringe von Tinas Sidekicks macht mich fertig

Da ich bisher jeden Teil der Shooter-Reihe gespielt habe und besonders der zweite Teil für mich das Maß aller (Borderlands-)Dinge ist, bin ich nicht gerade erwartungslos in die Wunderlande gesprungen. Direkt in der Startsequenz machte sich schon ein mulmiges Gefühl im Bauch breit, als die Helden der Geschichte vorgestellt wurden. Neben Tiny Tina würfeln der schmierig-charmante Ritter Valentine und Roboter Fred, der immer einen möchtegern-coolen Diss gegen Valentine auf den metallischen Lippen hat und vor allem mit kühler Logik an Tinas Tabletop herangeht.

Na ja und dann wären da noch wir selbst. Ein unbeschriebenes graues Blatt, das neben Prinz Charming und einem vorlauten Blechhaufen irgendwie sympathisch wirkt. Diesen dürfen wir im Charakter-Editor selbst gestalten, ihm ein wenig Farbe geben. Gesicht, Haare, Rüstung, Namen und die ersten Werte dürfen wir unserem Schützling verpassen, ehe er das Spielbrett betritt. Die Auswahl hier ist für richtige Rollenspielverhältnisse sicher etwas mager, aber das Spiel ist und bleibt ein Shooter, der sich der Thematik wegen nur einiger RPG-Elemente bedient. Dafür kann sich der Editor auch sehen lassen.

Ein bisschen Lore bringt Tiny Tinas Wonderlands auch gleich in den Editor mit rein.

Die Story ist simpel: Wir bekämpfen den bösen Drachenlord, der die Wonderlands bedroht und sind dabei Tiny Tinas Willkür als Dungeon Master ausgesetzt. Das dauert etwa 20 bis 30 Stunden, wenn ihr euch an die Missionen der Hauptstory haltet. Gearbox Software versucht mit diesem Ableger an das beliebte DLC "Tiny Tinas Assault on Dragon Keep" aus Borderlands 2 anzuknüpfen und dem Spiel dabei ein paar Tabletop-Twists zu verpassen. Das gelingt an einigen Stellen besser als an anderen.

Ein Spiel, drei Welten

Optisch bleibt Tiny Tina's Wonderlands dem Franchise mit seinem Cell-Shading-Look treu und poliert diesen noch etwas auf. Es gibt viele hübsche Details wie die Einhorn-Truhen, blubbernde Bierdosenflüsse und crispy-cleane Snacks, die irgendwie ihren Weg auf das Spielbrett gefunden haben. Nach einer kurzen Einführung geht es dann ab ins Game.

Das Spiel ist in drei verschiedene Welten eingeteilt. Einmal der Spieltisch an dem wir mit Tiny Tina und ihren Cringe-Freunden sitzen, die sich nur in Zwischensequenzen offenbart. Darin spielen könnt ihr nicht. Spielbar ist die Oberwelt, die es uns ermöglicht als klobige Figur mit übergroßem Kopf in Third-Person über ein 3D-Spielfeld zu laufen. Da die Kamera hier fest mit den Bewegungen unseres Charakters verknüpft ist, fühlt sich das Umherlaufen und Umsehen doch etwas gewöhnungsbedürftig an.

Mit Tiny Tinas Brettspielkumpels wurde ich einfach nicht warm.

Unser gewohntes First-Person-Gameplay gibt es dann hinter den vielen Eingängen, die uns in die verschiedenen Gebiete führen. Auch Zufallsbegegnungen im hohen Gras der Oberwelt sind möglich und teleportieren uns in einen kleinen Dungeon, wo dann einfach nur ein paar Gegner weggefetzt werden. Auf Dauer wird das etwas eintönig, aber die XP farmen sich ja auch nicht mit Luft und Liebe. Nach jedem Kampf in einem solchen Gebiet erhaltet ihr Loot - gerne auch blaue und violette Gegenstände. Damit wird nach wenigen Stunden kaum noch gegeizt. Ein Portal bringt euch dann wieder zurück in die Oberwelt.

Generell fehlt es dem Spiel gerade zu Beginn ein wenig an Abwechslung. Es dauert verhältnismäßig lange, bis neue Gegnertypen eingeführt werden. Genügend feindlich gesinnte Fantasy-Figuren unterschiedlicher Rassen gibt es definitiv, leider wechseln sich diese zu selten ab, was den Eindruck der Eintönigkeit erzeugt. Auch die verschiedenen Welten sind sich optisch ähnlicher als ich es mir gewünscht hätte. Hübsch sind sie, keine Frage, aber abgesehen von ein paar witzigen Einfällen und kleinen Easter-Eggs sieht man sich irgendwann daran satt.

Da mal reinfallen...

Wie Gearbox das Spiel doch noch zurechtzaubert

Nicht einmal Tiny Tina tröstet mit ihren Sprüchen darüber hinweg. Ihr fehlt ein wenig der Sprengstoff in ihrer Art, die Verrücktheit, mit der sie Bomben in Hasenkuscheltiere steckt, um damit einen Zug entgleisen zu lassen - immerhin lässt sie uns mit einer Zugbrücke flirten. Das kommt schon eher an die alte Tina ran, deren Gehirn mal zu einer gründlichen Untersuchung geschickt werden müsste. Später stoßen wir noch auf andere Altbekannte, von denen mich einer mit seiner unfassbar stimmigen Questline (ihr werdet noch sehen, was es mit "stimmig" auf sich hat) wirklich zum Lachen gebracht hat.

Tiny Tina's Wonderlands ist wirklich kein schlechter Titel, auch wenn der Humor an vielen Stellen einfach nicht zieht. Der Loot-Shooter hat viele andere Qualitäten, auch wenn er etwas vom Zauber seiner älteren Franchise-Vorgänger eingebüßt hat. Apropos Zauber: Diese Neuerung des Tabletop-Abenteuers bringt super viel Dynamik in die Kämpfe und macht riesigen Spaß. Mit einer kürzeren Abklingzeit könnt ihr damit Feuerpfützen, Eispfeile, Dämonenwölfe und sonstige magische Merkwürdigkeiten auf eure Gegner loslassen. Die Action-Skills, die von der jeweiligen Klasse abhängen, sind aber immer noch der stärkste Zauber.

Dieser Pilz ist nichts für schwache Nasen.

Und ja, das Plural war absichtlich gewählt, denn ihr könnt euch pro Klasse zwischen zwei Action-Skills entscheiden und diese beliebig wechseln. Eine sogenannte Klassengroßtat steht euch ebenfalls zur Verfügung. Das kann ein feuerspeiender Mini-Wyvern sein, der euch zur Seite steht, ein Giftwolken pupsender Pilz (mein Favorit!) oder großzügige Krit- und Zauber-Buffs. Im späteren Verlauf der Geschichte dürft ihr sogar eine Zweitklasse wählen. Diese deutlich größere Anpassung an den eigenen Spielstil ist für mich eines der Highlights von Tiny Tina's Wonderlands.

Ich habe das Gefühl, in Sachen Gameplay viel entdecken zu können. Es gibt viele lustige Skill-Punkte zu verteilen und bereits innerhalb eines Baumes mehrere Schwerpunkte, die sich komplett unterschiedlich spielen. Das wird so schnell nicht langweilig. Auch bei den Waffen gibt es ziemlich unterschiedliche Kaliber, mit denen ihr Pfeile, Plasmakugel oder gute alte Bleimunition in Skelette, Orks und wilde Wasserkreaturen versenken könnt. Besondere Waffeneffekte, wie das Einfrieren von Feinden, heben den Spaß beim Schießen noch einmal um ein Vielfaches an.

Auch der Waffen-Wumms fehlt nicht

Die meisten Waffen wissen mit ihrer Schlagkraft zu begeistern - bis auf die Armbrüste. Die sind eine lustige Idee, ersetzen aber die Pistolen, was in kleinen popeligen Holzpfeilchen resultiert, die sich einfach so gar nicht nach der schweren mittelalterlichen Waffe anfühlen, die eine Armbrust sein sollte. Der Nahkampf mit großen Schwertern und Äxten hat mich vom Spielgefühl her wiederum überzeugt. Die Wucht der Schläge ist gewaltig, auch wenn der Schaden oft nicht ganz hinterherkommt und etwas schlapper ausfällt als man es sich mit vollem Körpereinsatz vorstellt. Episch sieht es auf jedenfall aus.

Loot gibt es wirklich viel in Tiny Tina's Wonderlands. Doch nur die legendären Waffen bringen interessante Effekte mit.

Die legendären Waffen lassen etwas auf sich warten. Meine Erste bekam ich auf Level 18, danach flatterte aber auch gleich ein goldenes Schild hinterher. Die besonderen Effekte können sich wirklich sehen lassen. Eine Schrotflinte, die nach einem Bosskampf droppte, lässt beispielsweise nach jedem Schuss einen Pfeilhagel auf Gegner in einem ausgewählten Feld niederregnen. Einige kleinere Bosskämpfe sind recht einfach, die größeren erfinden die Mechaniken zwar nicht neu, aber machen dennoch Spaß und erfordern auch auf etwas früheren Leveln bereits einiges an Konzentration. Damit kein Spieler das Gefühl hat, Tinas Tabletop sei zu leicht oder zu schwer, gibt es drei Schwierigkeitsstufen. Koop mit bis zu vier Personen gibt es auch.

Ein ziemlich passendes Feature finde ich die D&D-Würfel, die überall verteilt auf der Karte herumliegen und euch zufälligen Loot bringen, nachdem ihr sie geworfen habt. Also doch einfach wie ein Loot-Kiste, aber viel, viel cooler. Stärker werdet ihr auch durch das Setzen von Skillpunkten. Das läuft genauso ab, wie es Borderlands-Spieler gewohnt sind. Hier werden Begleiter verstärkt, Regenerationen ausgewählt oder Magazine vergrößert. Zusätzlich erhaltet ihr Punkte für "Heroische Attribute". Hier könnt ihr Krit-Chance, Abklingzeiten und weitere rohe Werte aufbessern.

Tiny Tina's Wonderlands - Das Fazit zum Test

Tiny Tina's Wonderlands macht in Sachen Gameplay fast alles richtig und ziemlich viel Spaß. Besonders die Zauber bringen einiges an Würze in das altbewährte Loot-Shooter-Rezept. Alles ist auf das Fantasy-Thema zugeschnitten, seien es die Waffen, die Gegner oder die Fähigkeiten. Viel zu gerne verwandle ich Gegner in ein Skaf oder höre das Pupsgeräusch meines Pilzlings. Ab und zu erinnert sich das Spiel eben doch an den Humor seiner Vorgänger.

Leider ist das nicht durchgängig der Fall. Tinas klischeehaften Mitspieler lassen meine Augen öfters rollen, wenn sie einen mittelmäßigen Witz im Nachhinein erklären und auch der eigene Charakter schwächelt hin und wieder in Sachen Humor. Ein wenig knackiger könnten die Sprüche schon sein. Wer darüber und auch über die etwas eintönig wirkende Welt herübersehen kann, wird mit Tiny Tina's Wonderlands seinen Spaß haben. Trotzdem, mit Tiny Tinas Wonderlands hat sich Gearbox wirklich und weitestgehend erfolgreich um ein frisches Erlebnis mit spaßigen Gameplay-Elementen bemüht, die das Franchise so noch nie geboten hat.

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