Venetica
Weihnachten in Venedig
Unter dem Radar heißt das wohl. Der PC-Release im Sommer wurde schon nicht gerade enthusiastisch verfolgt und auf der Xbox 360 landet das Action-RPG Venetica mit noch weniger Tamtam. Das machte natürlich stutzig. Und in Anbetracht der einen oder anderen PC-Umsetzung auf Konsole aus den Händen weniger geschulter Entwickler war das Schlimmste zu befürchten. Und schon die ersten, viel zu nah herangezoomten Texturen scheinen den Verdacht zu bestätigen.
Dass man auf der 360 Abstriche gegenüber einem hochgezüchteten PC machen muss, ist selbstverständlich. Aber einige der Texturen sind hier so unterirdisch, dass selbst ich, der nun nicht gerade ein Techfetischist ist, dieses leichte Zucken der Abscheu im linken Augenwinkel spürt. Interessanterweise scheint man bei Deck 13 dann im Laufe des Spiels dazugelernt zu haben und verzichtet nach dem Fehlstart weitestgehend auf die ganz üblen Ausfälle nach unten.
Am PC hatte Venetica wohl mit einigen extremen Hardwareanforderungen, zumindest in Relation zum Präsentierten, zu kämpfen. Auf der 360 kann da teilweise Entwarnung gegeben werden. Die Framerate bleibt weitestgehend stabil, was angesichts des im Vergleich zu den Genreanführen eher mittelmäßigen Gesamteindrucks letztlich aber auch selbstverständlich sein sollte.
Auch einige der Figuren lassen erkennen, dass sie mit mehr Konzept als Können umgesetzt wurden. Einfache Mimiken, wenig Details. Das sind nicht die Persönlichkeiten, die sich mit dem eigentlich gelungenen Comicstil Veneticas hätten schaffen lassen können. Zum Glück holen die guten Sprecher - ausnahmsweise ist die deutsche Vertonung sogar mal der englischen überlegen - diese Kastanien aus dem Feuer. Selbst wenn die mäßigen Details einiges an optischem Potenzial verschenken, ist doch vieles an Venetica, insbesondere die Schau-ins-Land-Momente, wirklich hübsch.
Bis ihr diese genießen könnt, müsst ihr jedoch erst mal durch einen sehr holprigen und überhasteten Start in das Spiel und die Geschichte finden. Innerhalb von drei Minuten erfahrt ihr im Stakkato, dass A) die Heldin eine Waise ist, B) mit einem Schwertkämpfer in einem italienischem Bergdorf verlobt ist, C) ihr Vater kein Geringerer als Tod persönlich ist, D) ihr Lover gekillt wird, und E) sie auf Geheiß von Vater nach Venedig muss, um den Oberbösen zu schlachten. Und das wirklich in einem Tempo, das keine Zeit für korrekten Satzbau übrig hat.
Für Fragen bleibt keine Zeit. Dass ihr in dieser kurzen Zeit auch noch die Grundzüge der Kampfsteuerung lernt, vertieft nun nicht unbedingt das Drama. Hat man das alles überstanden, heißt es erst mal durchatmen. Jetzt beginnt sich Venetica Zeit zu nehmen und entfaltet seine Welt und Geschichten im richtigen Tempo. Ein wenig Gut und Böse gehört heutzutage scheinbar zum guten Ton und ihr dürft euch mitunter fies oder gut, gerecht oder eigennützig verhalten. Am großen Ablauf ändert das nicht viel, aber das korrumpierte, trotz Bonbonfarben in seinem Herzen düstere Venedig nimmt dankbar eure Entscheidungen an und lässt sie euch ein wenig fühlen.
Eine endlos offene Welt bietet sich euch allerdings wirklich nicht. Die kompletten Schlauchläufe des Starts legt man später zwar etwas ab, trotzdem hätte ein wenig mehr Offenheit die eigentlich stimmige Welt von Venetica doch noch abgerundet. In diese Enge wurde dann auch noch ein wenig zu viel Gerenne von A nach B und zurück eingebaut, was mitunter am Spannungsbogen knabbert, aber ausarten tut es zum Glück nur selten. Bis zum Ende hin werdet ihr eine brauchbare, mit ihrem Goth-Comic-Flair halbwegs eigenständige Story genossen haben, deren missratenen Einstieg ihr bis dahin hoffentlich längst vergessen habt.