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Yakuza: Like A Dragon Test - Das J-RPG, das sich keiner vorstellen konnte.

Aber es funktioniert.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Like a Dragon verwandelt die Serie mit der vertrauten Verschrobenheit in ein JRPG. Ein Wunder, dass das so gut funktioniert. Tut es aber.

Yakuza: Like A Dragon Test. Dass eine etablierte RPG-Serie sich mal in Richtung Action-Spin-Off wagt, sicher, das kommt schon mal vor. Aber dass ein geliebter und anerkannter Prügler sich in ein Hardcore-Runden-J-RPG verwandelt? Korrigiert mich, wenn es nicht generell das erste Mal ist, aber ich kann mich zumindest nicht daran erinnern. "Mutig" ist kein Ausdruck und so ziemlich jeder dürfte sich erst mal gefragt haben, ob das denn jetzt so eine gute Idee war...

War es. Größtenteils, denn auch wenn das Team in Sachen Balance noch ein wenig üben darf, Yakuza: Like A Dragon hat mindestens so viel zu bieten wie seine Vorgänger und das nun auf frische Art und Weise. Vor allem aber darf jeder loslegen, egal wie viele oder wenige der Vorgänger ihr kennt. Like A Dragon wartet mit einer neuen Geschichte, frischen Figuren und einer neuen Stadt auf, alles Dinge, die der Reihe meiner Ansicht nach durchaus guttun. Vor allem, wenn sie sich so herzlich und mit Schwung in eine stellenweise herzerwärmende, stellenweise absurde, immer wieder mal relativ dunkle Geschichte stürzen. Eine, die nicht die Seele ihrer Figuren vergisst und bei der man fast das Gefühl hat, dass sie mit einem mitfiebert. Als würden die Entwickler hinter einem stehen und sich ehrlich drauf freuen, dass ihr endlich zu bestimmten Punkten kommt und sie erleben dürft. Man hört fast, wie sich das Team High-Fives gibt, wenn man mal wieder gebannt einer Story-Passage folgte und von ihr gefesselt kaum erwarten kann, wie es weitergeht.

Sicher, alles auf Mafia-Sitcom-Niveau. Es ist immer noch Yakuza und nicht Mario Puzo. Trotzdem, euer durch und durch sympathischer Held, der seinem Clan in jungen Jahren am ersten Tag des neuen Jahrtausends einen Gefallen tut und dann für fast 20 Jahre von der Bildfläche und hinter Gitter verschwindet, wächst einem schnell ans Herz. Seine Welt brach zwischendurch zusammen, dunkle Mächte ziehen die Fäden der sonst so netten Yakuza und es liegt an ihm und einer unwahrscheinlichen Allianz mit einem Ex-Cop, Ex-Doc und einer Immer-noch-Hostesse, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Jede dieser Figuren hat fast schon ihr eigenes Spiel verdient und in gewisser Weise bekommen sie es auch mehr als das in früheren Spielen der Fall war, wenn ein NPC auftauchte. Was uns zu dem Wechsel zum Rollenspiel zurückbringt.

So viel zu tun und in Like A Dragon hat es sogar einen Sinn

Innerhalb der ersten Stunden sammelt ihr eure Party im Rahmen der Story zusammen und falls ihr es nicht gleich verstanden habt, haut euch Like A Dragon noch ein paar alte Dragon-Quest-Referenzen mit dem Holzhammer drüber. Sogar ein paar Chiptune-Sound-Cues wurden entliehen, wenn ihr als Kleingruppe durch Kamarucho, Osaka und vor allem das noch mal weit größere neue Hauptgebiet Yokohama zieht. Eure Helden haben was über die Welt zu erzählen, sie diskutieren und streiten untereinander und erzählen sich manchmal Geschichten, während ihr mit ihnen im Gefolge zum nächsten Ort lauft.

Ein neuer Held, der das bekam, was man verdient, wenn man 2020 nach einer Dauerwelle fragt.

Welcher Ort das ist, da habt ihr natürlich wie immer jede Menge Auswahl. Das kann der nächste Story-Punkt sein - klar markiert, Rätsel sind für andere Spiele da - oder aber eines der zahllosen Restaurants. Oder ihr geht in die Arcade Out Run oder Virtua Fighter 2 (oder 5) spielen. Geht Karaoke singen, vergnügt euch mit den jungen Damen der Nacht, nehmt noch einen Drink und genießt wie immer den Ausflug in diese durch und durch japanische Postkarte, die alles so zeigt, wie es im realen Leben auf dieser Insel abläuft. Künstlerische Freiheiten inklusive natürlich, ihr seid immer noch ein Tourist und wollt was erleben. Wie immer, alleine dafür komme ich gern zu Yakuza und Like A Dragon ist da keine Ausnahme.

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Dank des RPG-Charakters des Spiels sind diese Nebenbeschäftigungen diesmal auch kein reiner Selbstzweck, da sie euch diverse Status-Boosts geben können und die Party-Chemie verbessern. Alles nichts Essentielles, aber doch immer das Gefühl, dass man eine Stunde spieltechnisch nicht "umsonst" verbrachte. Natürlich ist das Herz des Ganzen das Kampfsystem und auch wenn es im Grunde ein sehr simpel gestricktes Runden-System ist, gibt es doch ein paar nette Ideen und Aspekte, die es für die mit 40 bis 50 Stunden wie immer nicht kurze Laufzeit am Leben halten.

Rundenweise Prügel

Ihr habt die übliche Auswahl aus Attacke, Spezialfertigkeiten, Items und Flucht. Kennt man seit, nun, Dragon Quest. Da zitiert sich Like A Dragon schon ganz richtig. Auf dem Schlachtfeld stehen sich die Kontrahenten aber nicht ganz stur gegenüber, sondern bewegen sich ein wenig über das Feld und das hat auch seinen Sinn, wenn ihr zum Beispiel mit einem Charakter einen Gegner zu Fall bringt, dann rappelt er sich langsam wieder auf. Diese Zeit solltet ihr mit dem nächsten an der Reihe nutzen, um nachzusetzen und ihm einen kritischen Treffer zu verpassen. Es entstehen so immer wieder kleine Dynamiken, die den Ablauf auflockern. Daran hat auch der Block einen guten Anteil. Statt ihn als Parade im Menü auszuwählen, müsst ihr im richtigen Moment eine Taste drücken, was vom Timing her gar nicht mal einfach ist. Bei nicht weniger als 250 verschiedenen Gegnern, viele mit dezent eigenen Timings, ist es eine kleine Kunst, das zu meistern.

Nur falls ihr Sorgen hattet, dass die Kämpfe nicht absurd genug werden können.

Die 250 Gegner haben auch eine interessante Bandbreite. Ich befürchtete, dass es immer nur die gleichen Straßenschläger und Mafiosi sind, aber da sind schon ein paar skurrile Gestalten dabei. Teilweise frisch eingeölt und aus dem Saunaclub, teilweise aus wirren Anime-Fantasien oder gefühltem 80er-Trash-Kino entsprungen und doch immer wohl verortet in diesmal abwechslungsreicheren Vierteln Yokohamas. Ich will nicht sagen, dass jetzt jeder Kampf das große Fest war, aber dass es mich so lange am Laufen hielt, ohne dass ich je "Oh Gott, nicht noch ein Kampf!" rufen wollte, spricht für das System. Wer hätte gedacht, dass es, letztlich doch primitiv, wie es sein mag, so gut zu Yakuza passt.

Yakuza darf sich das Wort Level-Balance ruhig mal näher angucken

Was ich ankreiden muss, ist der bisweilen doch arg zufällige Einsatz der Umgebungswaffen. Manchmal schnappt sich euer Kämpfer direkt ein Verkehrshütchen und zieht es dem Gegner drüber, nur um dann das Fahrrad daneben den Rest des Kampfes zu ignorieren. Das funktionierte im guten alten Prügelsystem, wo ihr die Herrschaft über die Umgebung hattet, deutlich besser. Das größte Problem ist aber die Spielbalance nach hinten raus. Ich wurde zum Glück PR-seitig vorgewarnt, dass Kapitel 13 von 15 einen Sprung macht und ich zwischendurch ruhig ein klein wenig Grinden sollte. Machte ich auch, hier und da immer mal wieder eine Viertelstunde. Reichte nicht. Ich war Level 40 oder so, ich musste noch mal zehn drauflegen und so drei Stunden oder sogar mehr extra stupide leveln.

Die neuen Mini-Spiele wie Dragon Kart sind klasse, aber ich vermisse trotzdem nach wie vor den Scud-Race-Automaten in der Arcade.

Was das soll, ist mir nicht klar. Das Spiel lässt euch bis zu diesem Punkt durchkommen, scheint sogar fast zu einfach. Es gibt auch für lange Zeit nur wenige "Dungeons" - äußerst langweile Abwasserkanal-Level -, in denen man gezielt grinden kann und diese hat man auch noch schnell totgegrindet, weil sie als Areal nicht mitleveln. Und dann kommen plötzlich diese Bosse, die euch zeigen, wo der Hammer und der Rest des Werkzeugs hängt. Spielt also etwas gemütlicher, geht keinem Kampf aus dem Weg und lernt nebenbei die Buffs und ähnliche Dinge besser kennen, selbst wenn ihr sie da noch nicht akut braucht. Sonst helfen euch ab einem gewissen Punkt all die Reisbällchen und andere leckere Heil-Items auch nicht weiter.

Großes Drama, oft genug hart an der Grenze zur Peinlichkeit. Aber ohne sie auch nur einmal zu überschreiten.

Und als letztes muss ich mal sagen, dass Yakuza: Like A Dragon zwar passend zum Release der neuen Konsolen erscheint und es ist auch klasse, dass ich dank Series-X-Power praktisch keine Ladezeiten hatte, aber "schön" ist wirklich was anderes. Das ist kein Tech-Vorzeigespiel, was mich ein wenig ärgert. Die Spielwelt ist detailverliebt, die Schilder und Werbungen sind ein Fest für sich und doch erscheint alles mehr die ein PS3-Remaster als ein später Titel der letzten Generation, von der neuen mal ganz zu schweigen. Aber dann wiederum, hat das Spiel zu viel Herz und Charme, als dass ich mich von der rauen Hülle abschrecken lassen würde. Es reichte immer noch, dass ich vor der virtuellen SEGA Arcade Halle Kamaruchos fast schon eine kleine Träne im Auge hatte, nachdem ich heute die Nachricht lesen musste, dass SEGA sein Automatengeschäft abgibt. Emotionen triumphieren über Texturen.

Yakuza: Like A Dragon Test Fazit

Yakuza: Like A Dragon bewies Mut, das zu tun, was sie taten und das Ergebnis ist ein Spiel, das diesen Mut belohnt. Ich denke, dass es manchmal zwar spaßiger wäre, in alter Streets-of-Rage-Manier selbst zu prügeln, aber die Party-Dynamik dieser Chaoten-Truppe macht das allemal wieder wett und sie bereichert das Erlebnis ungemein. Zusammen mit einer wie immer liebevollen Geschichte um alles, was Yakuzas in guter wie schlechter Verklärung zu bieten haben, ist das hier eines der spannendsten J-RPGs der letzten Jahre. Diesen Satz zu einem Yakuza-Spiel zu schreiben fühlt sich selbst am Ende des Tests noch immer seltsam an, aber ja: Sie haben was riskiert und es hat funktioniert. Für die Fortsetzung dann wird noch ein wenig an der Balance geschraubt und man steht auf Augenhöhe mit dem von Hauptcharakter Ichiban Kasuga so geliebten Dragon Quest.


  • Entwickler / Publisher: Ryu ga Gotoku / SEGA
  • Plattformen: PC, PS4, Xbox One, Xbox Series X, PS5 (getestet auf Series X)
  • Release-Datum: 10. November, für PS5 am 16. Januar
  • Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
  • Preis: ca. 60 Euro, keine Mikrotransaktionen

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