Ashen: 'Unsere Intention war, ein Spiel zu entwickeln, das wir ebenfalls spielen möchten'
Im Gespräch mit Creative Director Derek Bradley.
Alles begann vor vielen Jahren mit drei Leuten. Ende 2013 entstand in Neuseeland das Entwicklerstudio A44 und hatte ein Ziel: "Im Grunde war unsere Intention, ein Spiel zu entwickeln, das wir ebenfalls spielen möchten", erzählt mir Creative Director Derek Bradley. Bis dieses Vorhaben abgeschlossen war, sollten noch einige Jahre ins Land ziehen. Im Dezember 2018 erschien mit Ashen das Debütprojekt des Studios nach fünfjähriger Entwicklungszeit. Und das, ohne vorher ein konkretes Datum zu nennen, im Rahmen der Game Awards.
"Es ist aufregend, so was geheim zu halten", sagt er. "Eine Menge Fans warteten auf Ashen und unsere Absicht war, ihnen eine Überraschung zu bieten, um die Veröffentlichung zu feiern. Es war ein besonderes Erlebnis, an den Game Awards teilzunehmen, bei denen Spiele als Ganzes gefeiert werden. Und es war eine tolle Plattform für diese Ankündigung, um eine große Zielgruppe zu erreichen."
Über die Jahre hinweg wuchs A44 ebenso wie das Spiel. Nachdem das komplette Team zusammengestellt war, ging es darum, alle Teile des Spiels zusammenzufügen, sie weiterzuentwickeln und am Feinschliff zu arbeiten. "Ähnlich wie in Ashen bauten wir in dieser Zeit unsere eigene Gemeinschaft auf", merkt er an. "Und das ist der Grund dafür, warum es so lange dauerte."
Die neuseeländische Spieleindustrie beschreibt Bradley als klein. In 40 Studios gebe es rund 550 Entwickler. Die dortige Industrie sei jung, wachse aber schnell - im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent. Dass Neuseeland (von hier aus) am anderen Ende der Welt liegt und ebenso weit entfernt von anderen Hotspots der Industrie ist, sieht er nicht als Problem. "Wir haben das Glück, dass es in Wellington ein reichhaltiges Ökosystem an fähigen Entwicklern und Künstlern sowie eine florierende Film- und Spieleindustrie gibt", erklärt er. "Wir würden mit Sicherheit fähige Entwickler dazu anspornen, hierher zu ziehen und dieses wunderschöne Land mit uns zu genießen. Neuseeland ist ein wundervolles, entspanntes Land. Ein toller Ort, um kreativ zu sein und Spiele zu entwickeln. Es lohnt sich absolut, hierher zu ziehen!"
Aus den anfänglich drei Mitarbeitern wurden im Laufe der Jahre rund 40 Stück, die eine gemeinsame Leidenschaft teilten: Die Entwicklung von tollen Spielen. Aufregend seien für ihn immer die E3-Messen sowie die Reaktionen der Leute auf Ashen gewesen. Je näher der Release rückte, desto mehr stieg dabei die Nervosität. Vor allem nach einer Entwicklungszeit von fünf Jahren. "Du hast Glück, wenn du ein solches Spiel in deiner gesamten Karriere veröffentlichst", sagt er. "Wie waren alle aufgeregt und gespannt, was die Leute über Ashen sagen."
Wie erwähnt ging es den Entwicklern darum, ein Spiel zu entwickeln, das sie selbst spielen möchten. Inspirieren ließen sie sich dabei von allen möglichen Dingen, die sie liebten - Spiele, Bücher und Neuseeland. "Wir versuchten Ashen mit allem zu füllen, woran wir Spaß hatten", merkt Bradley an. Als Quellen, die Ashen inspirierten, benennt das Studio Spiele wie Superbrothers: Sword & Sorcery EP, Shadow of the Colossus und The Legend of Zelda.
"Wir sind große Fans der Schönheit in der Trostlosigkeit und den Gefühlen, die das hervorruft", erläutert er. "Wir haben eine Menge Zeit in den Grafikstil investiert. Wir suchten was, das uns gefiel, die Zeiten überdauert und vor allem zu der Welt passt, die wir erschufen. Uns gefällt, wie diese Spiele an den gleichen Fäden ziehen und ihre Botschaft auf ihre eigene Art und Weise vermitteln."
Von Beginn an war Ashen als Spiel konzipiert, in dem es darum geht, Beziehungen aufzubauen. Eine frühe Idee, von der das Team begeistert war, sah vor, den NPCs Leben einzuhauchen anstatt sie alleine statische Questgeber sein zu lassen. Dabei kombinierte das Team einen passiven Multiplayer-Modus, mit dem jeder einen Dorfbewohner im Spiel eines anderen übernehmen kann, mit Hochrisiko-Kämpfen.
"Unser Ziel bestand in der Erschaffung einer Welt, die sich organisch anfühlt und in der du eine Reihe von Interaktionen mit Leuten erlebst", führt Bradley aus. "Einige davon sind flüchtig, was für sich genommen schon bedeutsam ist, andere bleiben den Leuten hoffentlich lange in Erinnerung. Die Welt ist brutal, daher ist unser Multiplayer rein positiv und kooperativ. Die herausfordernde Welt macht die Bindungen, die ihr aufbaut, umso bedeutsamer. Und wirkt sich positiv auf die Entwicklung des jeweiligen Dorfbewohners aus."
Der Gedanke hinter all dem ist, dass Spieler miteinander interagieren und dies nicht auf den ersten Blick realisieren. Sie sehen nicht den Avatar des anderen, vielmehr nimmt der zweite Spieler das Aussehen eines wichtigen Charakters in Ashen an. Damit möchten die Macher den Spielern das Gefühl geben, dass die Dorfbewohner sie auf ihrem Abenteuer begleiten anstatt den Spielern einfach Aufgaben zu geben.
Die Entwickler vergleichen das Kampfsystem in Ashen mit dem der Souls-Reihe. Das Studio habe mit Ashen aber nie versucht, wie Dark Souls zu sein. "Natürlich lieben wir die Spiele von From Software", sagt er. "Es war nötig, dass Ashen auf eigenen Beinen steht. Das erreichten wir, indem wir die Welt respektieren, die wir erschufen, und indem wir den Ausdauer-basierten Kampf als eigenes Genre betrachteten. In Ashen seht ihr eine trostlose Welt, wenngleich mit einem Hoffnungsschimmer. Wichtig war, dass der Kampf das widerspiegelt. Der Multiplayer (oder ein KI-Mitstreiter) macht dahingehend den größten Unterschied. Wenn dich ein anderer Spieler begleitet, spürst du sofort, wie dieser Hoffnungsschimmer durchscheint. Das sorgt für ein erfrischendes Spielerlebnis."
Die Wurzeln des Spiels haben sich von der Konzeptionierung bis hin zur finalen Version wenig verändert. Es ging immer darum, dass die Welt an vorderster Stelle steht und die Entwickler so erkennen lässt, was sie braucht. Im Hinblick auf die Spielwelt gab es Bradley zufolge wenig Abweichungen vom ursprünglichen Konzept. Je größer das Projekt ausfiel, desto mehr straffte das Team verschiedene Bereiche von Ashen, damit ein gutes Spielerlebnis erhalten bleibt.
Einzelne Herausforderungen, mit denen das Studio zu kämpfen hatte, könne er nicht hervorheben - dazu habe es insgesamt zu viele gegeben. Die Spieleentwicklung sei eine komplexe Angelegenheit, was keine neue Erkenntnis ist. Angesichts der Evolution des Spiels und des Studios während der Entwicklung sei der gesamte Entwicklungsprozess insgesamt aber recht reibungslos verlaufen. Bei beiden gab es im Laufe der Jahre radikale Veränderungen, die am Ende zu einem größeren und besseren Studio sowie zu einem größeren und besseren Spiel geführt hätten.
"Wenn, dann lernst du was aus jedem Spiel, an dessen Veröffentlichung du beteiligt warst", erzählt er. "Du lernst die brillanten Leute zu schätzen, die dich umgeben und eine so unglaublich komplexe Idee in die Realität umsetzen. Die E3 2017 war ein schönes Erlebnis für uns. Es ist immer unglaublich, wenn du als solch kleines Team einen Beitrag zur E3 leistest. Wir hatten die Aufgabe, sowohl eine spielbare Demo als auch einen Trailer für die Bühne zu erstellen. Zu dieser Zeit kam bei Ashen alles zusammen und daraus entstand das Produkt, das die Leute heute spielen. Wir überarbeiteten damals so viele Dinge und es war fantastisch, die Reaktionen der Entwickler und ausgewählten Tester zu sehen."
Ob sie denn zufrieden mit dem fertigen Produkt sind? "Ich bin überzeugt, dass wir als Entwickler ständig darüber nachdenken, wie sich Dinge verändern oder anders machen ließen", meint er. "Wenn du alle 40 Entwickler hier fragst, bekommst du nicht weniger als 40 verschiedene Antworten zu Sachen, die sie gerne ändern möchten. Wir sind aber unglaublich stolz auf das veröffentlichte Produkt. Es ist ohne Frage besser als das, was sich jeder von uns von unserem ersten Spiel erhoffte."
Die Zusammenarbeit mit der Band Foreign Fields für den Soundtrack kam dabei früh zustande. In den Anfangstagen von A44 stießen die damaligen zwei bis drei Mitarbeiter auf ein Video der Band, während sie nach Inspirationen für das Spiel suchten. Sie waren davon so angetan, dass sie unmittelbar Kontakt mit ihnen aufnahmen - der Rest sei Geschichte. "Eric Hillman kam an Bord und begleitete uns seitdem bei jedem Schritt", erläutert Bradley. "Er hat unglaubliche Arbeit geleistet. Vor allem wenn du bedenkst, dass es sein erstes Spiel ist! Auch die Arbeit mit [Fantasy-Autor] Mark Lawrence war absolut fantastisch. Er schrieb eine Menge tiefgreifende Dinge für die Spielwelt, die für uns während der Entwicklung wiederholt ein Maßstab waren."
Aktuell konzentriert sich das Team noch auf die Release-Version von Ashen und die Lösung vorhandener Probleme. "Natürlich liebt jeder hier das Ashen-Universum, das wir erschaffen haben", betont er. "Wenn sich die Gelegenheit ergibt, würden wir diese Welt ausbauen." Eine Welt, die für den Moment auf Xbox One und PC beschränkt ist. Derzeit gebe es keine Pläne, Ashen auf andere Plattformen wie die PlayStation 4 oder Nintendos Switch zu bringen.