Assassin's Creed 2
All killer, no filler?
Hinweis: Auf der Suche nach Hilfe zum dritten Teil? In unserer Komplettlösung zu Assassin's Creed: Brotherhood werdet ihr fündig.
Wer uns schon vor zwei Jahren gelesen hat, weiß vielleicht, dass mein Verhältnis zu Assassin's Creed 1 ein wenig schwierig ist. Ich wollte es lieben, konnte aber nicht. Und das Spiel war schuld. So viel war klar. Unter seiner blendenden Hülle, in seinen oberflächlich so dicht bevölkerten und lebendigen Städten herrschte für mich nichts als Ödnis. So toll das Szenario auch war, Ubisoft machte einfach nichts daraus und degradierte geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten in Jerusalem, Damaskus und Akkon zu wunderschönen Klettergerüsten, auf denen es niemals mehr zu entdecken gab als die dem Spieler jeweils abgewandte Seite.
Und auch die immer gleichen Füllaufgaben waren einfach nicht meine Vorstellung von Spaß. Das war gleich doppelt tragisch, denn interessante Mechaniken gab es in Assassin's Creed zuhauf. Wie zum Beispiel das damals noch neuartige Free-Climbing, das in den Folgejahren so viele Spiele nahezu 1:1 übernehmen sollten. Oder das interessante Kampfsystem, das einem wieder gehörigen Respekt vor Schwertern und Dolchen einflößte. Darüber hinaus fehlten aber einfach die Inhalte, die das für mich bisher schönste Spiel überhaupt auch zu einem der besten hätten machen können.
Nicht dass Ubisoft es nötig hätte, es mir unbedingt recht zu machen. Schließlich haben sie vom ersten Teil auch so schon wer-weiß-wie-viele Millionen Exemplare verkauft. Trotzdem wurde der Hersteller in seiner Öffentlichkeitsarbeit vor dem Launch des zweiten Teils nicht müde, zu betonen, dass für das zweite Kapitel der Assassinen-Saga wirklich alles besser und abwechslungsreicher werden sollte. Und tatsächlich ist Assassin's Creed 2 in wirklich allen Belangen das bessere Spiel. Doch wie viel besser ist es wirklich?
Natürlich bietet Assassin's Creed 2 das gleiche Klettern-Schleichen-Killen-Gameplay in frei begehbaren mittelalterlichen Städten wie der Erstling. Gleich zu Beginn macht Ubisoft aber eine ganze Menge besser: Zwar ist das letzte, was die Reihe gebraucht hätte, noch mehr Desmond-Gameplay (tatsächlich bekommen wir im Vergleich zum Debüt nur etwa halb so viel Desmond zu sehen), trotzdem bekommt er zusätzlich zu der „Laufen"-Taste seines mörderischen Ahnen endlich mal etwas Profil und vor allem Antrieb. Dasselbe passiert mit dem Hauptdarsteller des Mittelalter-Verschwörungs-Dramas, das sich im Inneren des Animus 2.0 abspielt, in dem es sich Desmond von nun an bequem macht.
Ezio ist - anders als der stoisch-störrige Altair im ersten Teil - noch kein Assassine, wohl aber sein Vater. Als seiner Familie auf die übelste denkbare Weise mitgespielt wird, tritt er in die Fußstapfen seines alten Herren. Allerdings nicht als unverbesserlicher Weltenretter nach dem Kodex der Assassinen, sondern zunächst nur aus Rachegelüsten. Und die sind in bester Videospiel-Tradition einfach ein wunderbarer Anlass, sich meuchelnd und kletternd durch mehrere kleine und große Städte der italienischen Renaissance zu schlagen.
Der größte Verdienst von Ubisoft Montreal ist, dass sie es nun endlich auf ansprechende Art und Weise geschafft haben, ihren Ausschnitt aus der Vergangenheit mit Leben und Kontext zu füllen. Es sind nicht nur die ungezählten unterschiedlichen Passanten, die den Metropolen Florenz und Venedig, aber auch den kleineren Ortschaften wie Forli und San Gimignano ein lebhaftes Antlitz verleihen. Es sind vor allem die Städte selbst, die nun zum freien Erkunden nicht nur einladen, sondern regelrecht dazu ermutigen. Daraus zieht das Spiel seine größte Faszination.
Es ist schon erstaunlich, wie sehr zum Beispiel der Florenzer Dom Santa Maria del Fiore oder der Palazzo-Medici ihren Originalen ähneln - und das ist auch später in Venedig nicht anders, etwa auf dem Markusplatz. Die weltberühmte Rialtobrücke befindet sich in Assassin's Creed 2, das Ende des 15. Jahrhunderts spielt, korrekterweise sogar noch im hölzernen Rohbau. Doch ohne Initiative für den Spieler, sich diese Gebäude genauer anzusehen, wären auch sie nur virtuelle, begehbare Postkarten. Ubisoft geht daher noch einen Schritt weiter.