Assassin's Creed 3 - Test
Ein angemessener Abschluss dieser Generation - im Guten wie im Schlechten.
Vor allem die Befreiungs-Missionen selbst in den Städten sind sehr langweilig, in der Regel ist es ein Kampf gegen ein paar Wachen, selbst wenn es meist im korrekten Kontext zur Haupthandlung geschieht und etwas einfallsreicher ist als "verprügle den Ehemann". Das Gute ist, dass sie Folgemissionen und auch Geschichten für Verbündete freischalten, die dann selbst weit mehr glänzen als der Weg zu ihnen. Sonst schicken euch Laufburschen-Aufträge, Sammeleien und ähnliche Dinge durch die Gegend und so seht ihr auch was von dieser etwas mehr. Aber es ist teilweise schon ein wenig Beschäftigungstherapie, denn eine bleibende Auswirkung hat das alles kaum. Ein paar weniger Wachen in einem Templer-Bezirk sind nett, aber kaum bewegend. Das Gute ist wohl, dass nichts davon gespielt werden muss. Die Handlung setzt nicht voraus, dass ihr jeden Turm erklettert und Assassin's Creed 3 geht hier sogar noch weiter als seine auch schon in diese Richtung strebenden Vorgänger. Wenn ihr wollt, könnt ihr es fast als lineares Action-Adventure erleben.
Wenn nicht, dann sind die Lichtblicke die ausgearbeiteten Missionen, mit denen ihr eure Basis - ein Herrenhaus mit Werkstätten in der Umgebung von Boston - ausbaut und ein paar andere inhaltlich interessante Aufgaben, die am mitunter am Rande kleine, nette Stories erzählen, selbst wenn ihnen spielerisch sehr selten etwas Neues einfällt. Und ich muss zugeben, selbst wenn die Nebenaufgaben eigentlich genauso immer wieder gleich gestrickt sind, wie man es aus der Reihe kennt, es fühlt sich nicht ganz so sehr danach an. Die Streuung ist geschickter und die Landschaft versteckt es ein bisschen besser. Das ändert wenig an der Substanz, aber sich besser zu fühlen, selbst wenn es keinen echten Grund dazu gibt, ist ja auch etwas.
Und zwei echte Ausbrüche aus mitunter banaler Missions-Tristesse gibt es auf jeden Fall: die Seekämpfe und die "Hinkebein"-Piraten-Missionen. Ich wusste vor allem erst nicht, was ich von den Schiffen halten sollte. Minigames in Assassin's Creed waren bisher immer gefährlich, das Tower-Defense in Revelations war furchtbar oder zumindest empfand ich es so. Aber Schiffe-Versenken hat noch nie so viel Spaß gemacht wie in AC3. Der Seegang, das Gefühl für die Größe und das Gewicht des Schiffes, nichts davon ist realistisch, aber es passt trotzdem auf den Punkt. Drei Geschwindigkeiten und ein sehr großzügiger und leicht planbarer Schusswinkel suggerieren zu keinen Moment Simulations-Anspruch egal welcher Art. Aber es macht einfach für die Viertelstunde, die so eine Schlacht zu See dauern kann, endlos Laune.
Es sind dabei die kleinen Details, die überzeugen. Grafisch sowieso, sie sind vielleicht der schönste Teil eines auch sonst sicher alles andere als hässlichen Spiels. Was ich jedoch meine ist zum Beispiel der Wellengang, der auch schon mal euren Kahn retten kann. Der Gegner hatte mich komplett im Breitseitenvisier, ich wusste, das Ende war nah und dann schob sich im Sturm ein Wellenberg zwischen uns, der seinen Kugelhagel mit einem Schmatzen verschluckte. Ich gewann Zeit für eine Kehre und konnte so das Blatt noch wenden. Nichts davon war geplant oder gescriptet, die Physik von Wasser und Schiffen funktioniert einfach. Wenn Sid Meier noch mal ein Pirates! machen sollte, muss ihm Ubisoft diese Engine für die Seeschlachten überlassen. Sie schulden es der Menschheit oder so.
Das zweite Highlight ist der Pirat Hinkebein oder vielmehr seine Hinterlassenschaft. Das Spiel quält euch erst zu langen Wandereien über die Karte, um ein paar markierte Schätze einzusammeln, aber für diese gibt es dann Zusatz-Missionen, die es in sich haben und mindestens auf einem Level mit den Assassinengräbern liegen. Sucht die Schätze, auch wenn s nicht immer nur Freude mach, einfach zum X auf der Karte zu wandern. Die Belohnung durch kurze, aber spektakuläre Szenarien, wie etwa einem imposanten Schiffsfriedhof und ähnlichen optischen Highlights, rechtfertigt dies locker. Aber auch dieser Spaß täuscht nicht immer darüber hinweg, dass die meisten dieser Missionen mit den optionalen Zielen im Härtegrad gestreckt werden mussten, um nicht zu simpel zu sein.
Wo man jedoch deutlich angezogen hat, das sind die Kämpfe. Waren diese in den ersten Spielen der Reihe noch ein schlechter Witz, der sich nur langsam besserte - euch aber immer gut aussehen ließ -, haben die Wachen der Briten und Patrioten dramatisch dazugelernt. Sie warten sogar gezielt auf den Augenblick, in dem ihr den Feind vor euch attackiert, nur damit seine beiden Kameraden euch in den Rücken fallen und wieder in die Defensive zwingen können. Zwei weitere dagegen halten Abstand und legen mit den Musketen auf euch an. Endlich habt ihr einen guten Grund, offene große Kämpfe zu meiden, denn selbst wenn ihr das System beherrscht, eine Überzahl kann und wird euch oft genug auseinandernehmen.
Die Schusswaffen sind dabei ein wichtiger Faktor. Sie bedeuten spielerisch übersetzt eine automatisch erfolgreiche Attacke, ein mächtiges Werkzeug also. Geht ihr in einen Kampf, habt ihr jedoch nur einen Schuss im Vorderlader und diesen im Kampfgetümmel in Ruhe nachzuladen, ist oft genug schlicht unmöglich. Schafft eine Wache es nicht, ihre Muskete abzufeuern, könnt ihr sie aufheben und den Schuss nutzen, aber danach ist auch wieder Schluss. Es ist ein weiterer Faktor, den Kampf spannender zu gestalten und meist funktioniert das gut.
Manchmal jedoch könnte man auch hier verzweifeln und zwar, weil euch das Spielsystem wieder nicht genug Kontrolle gibt. In einem Kampf mit einem Verbündeten und zehn Widersachern gibt es oft genug die Gelegenheit, einem der Gegner in den Rücken zu fallen, weil er gerade mit eurem Freund beschäftigt ist. Oder zumindest theoretisch, denn praktisch ist es fast unmöglich, rechtzeitig den richtigen Feind anzuvisieren und den Angriff auszuführen. Bevor ihr von eurem aktuellen Gegner abgelassen habt, euch neu orientiertet und dann endlich loslegen könnt, sieht die Situation schon wieder anders aus. Scheinbar ist das Kampfsystem nicht immer in der Lage, dem neuen, höheren Anspruch gerecht zu werden. Zumindest bedurfte es erst wehrhafter Feinde, um zu zeigen, das in Zukunft auch hier eine Überarbeitung dringend nötig ist.
Das restliche Arsenal ist nicht gänzlich unbekannt. Der Tomahawk ist nicht so viel anders als ein Schwert. Die Reichweite ist kürzer, die Waffe ist schneller. Die obligatorischen versteckten Klingen funktionieren wie immer, Seil-Dolche sind dabei und natürlich die seit Brotherhood bekannten Verbündeten. Ihr könnt sie den revolutionären Mob aufwiegeln lassen, um Wachen abzulenken oder sie direkt auf den Feind hetzen. Kennt man, hat bisher gut funktioniert, ist hier nicht anders. Und die Kills selbst haben immer noch die Wucht, die einen guten Treffer in der Serie schon immer zu einem befriedigenden Ereignis werden ließen.
Technisch jedoch sind Teile des Zaubers einfach verflogen. Es ist das Ende der Generation und ich bin mir sicher, dass aus der Hardware kaum mehr herauszuholen sein dürfte, als die Entwickler es hier taten. Aber es ist auch klar, warum die Seeschlachten, die vielleicht fünf Prozent der Spielzeit ausmachen, im Vorfeld so oft gezeigt wurden. Sie sehen schlicht beeindruckender aus, als die hohe, aber schon auf mittlere Distanz kaum noch detaillierte sonstige Spielwelt. Es gibt weniger Pop-Ups als zuletzt, die Framerate läuft meist stabil und (fast) flüssig , aber in der Not stellenweise auch gern mal nicht ganz so sehr. Das Tearing hält sich dagegen wirklich in Grenzen. Aber beeindruckend ist es heutzutage und so viele Spiele in die Serie hinein nur noch sehr phasenweise.
Das liegt zum Teil auch an der Architektur. Wenn man all die Wunder der Renaissance und mehr hinter sich hat, sind weder das frühe Boston noch New York mit ihren eher flachen, zwei- oder dreistöckigen Backstein- oder Bretterbauten so richtig spannend. Die Kirchen sind fast bescheiden, die Wucht der alten, europäischen Städte fehlt. Schön ist dagegen, dass es ein paar echte Versatzstücke gibt, die nicht nur der Spielwelt entrissen worden sind, sondern eigens für diese Missionen entworfen wurden. Die Szenerien wirken generell nicht belebter - das waren sie schon immer -, aber sie wirken lebendiger. Die Leute scheinen untereinander etwas mehr zu interagieren. Händler tauschen sich aus, sogar der Hauch von Revolution scheint in der Luft zu liegen.
In der Wildnis, die wirklich gewaltige Ausmaße hat und trotz in der Tiefe schnell auftretender Detaillosigkeit auch visuell vermittelt wird, übernimmt diese Rolle die Tierwelt. Spielerisch sind die Überfälle gelegentlicher Großtiere während der Jagd, Bären oder Wölfe beispielsweise, eher mau und sogar größtenteils auf Quick-Time-Events ausgelegt. Für die Atmosphäre jedoch leisten sie ungleich mehr. Es fühlt sich nach einer noch ungezähmten, aber schon angegangenen Wildnis an, es tut das, worin Assassin's Creed immer gut war: Es bringt euch in das Zeitalter und dessen Stimmung und lässt euch darin einfach auch mal ein wenig Krams machen, der von spielerischer Seite nicht großartig sein mag, aber sich einfach richtig anfühlt.
Zum Multiplayer, der aus Brotherhood und Revelations gut bekannt ist, gesellte sich der Wolf Pack Modus, in dem ihr mit bis zu drei weiteren Spielern einen NPC jagen müsst und das durch 25 Runden. Kills bringen euch in den nächsten Level, spektakuläre Kills mehr Punkte. Schnell, relativ taktisch, sehr unterhaltsam. Team-Domination ist eine Variante von Capture the Flag, ihr holt euch ein Terrain und verteidigt es im Anschluss. Immer gut für zwischendurch, aber das trifft es für den Multiplayer weitestgehend eh. Trotz seiner Auslieferung auf einer eigenen 360-Disc - auf der PS3-Version ist alles auf einer Scheibe - ist es nach wie vor nichts, mit dem ihr Nächte zubringen werdet. Mehr ein Vergnügen für Zwischendurch, wenn auch ein immer wieder unterhaltsames, das die eh schon stolze Spielzeit noch erweitert. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, wie lange alle Solo-Dinge zusammen reichen, nach 30 Stunden war ich sicher noch nicht am Ende und dann tauchten nach dem Abspann auch noch Glyphen-Rätsel auf ... Content-Mangel ist so oder so sicher kein Problem dieses Spiels.
Um die Micro-Transactions müsst ihr euch übrigens keine echten Sorgen machen. Im Einzelspieler-Modus kommen sie erst gar nicht vor, im Multiplayer schalten sie nichts frei, was ihr nicht eh bekommen würdet, diese Aussage scheint bisher zuzutreffen. Habt ihr es eilig, zahlt ihr Geld, sonst spielt ihr einfach und es machte jetzt nicht den Eindruck, als würde es Jahre dauern alles so freizuschalten. So ganz habe ich den Sinn, Level zu kaufen, ohnehin nie verstanden. Ihr spielt am Ende sowieso mit und gegen Spieler eures Levels. Ihr betrügt also euch und eure Mitspieler, aber sonst? Keine Ahnung, muss jeder selbst wissen. Wollt ihr Ubisoft einen Gefallen tun, dann gebt Geld aus, sonst lasst es. Für das Spielvergnügen ist es nicht relevant.
Assassin's Creed 3 ist ein angemessener Ausklang für die Serie in dieser Generation und damit irgendwo auch für die Generation selbst. Rein erzählerisch, von seiner Geschichte und den Figuren her ist es der stärkste Teil, aber auf spielerischer Weise zeigt es all die alten Stärken und Schwächen. Vor allem bei Letzteren scheint es sogar phasenweise bestrebt zu sein, diese noch einmal in den Vordergrund zu rücken. Sei das nun im Kampf, wenn es zeigt, dass dieser nie darauf ausgelegt war, dass die Feinde sich wehren, oder in den Verfolgungsjagden, wenn Connor auf einmal von einer Wand herabbaumelt, anstatt zu rennen.
Fast alles davon ist Ballast, den Assassin's Creed seit dem ersten Teil mit sich herumschleppt. An Verbesserungen gegenüber den ja schon etwas gerade gezogenen direkteren Vorgängern hat Teil 3 nicht viel zu bieten. Es ist und bleibt ein Spiel, das euch Spaß mit seinen Bewegungsautomatismen haben lässt, euch aber gelegentlich auch mit ihnen ärgert. Gleichzeitig lädt es euch viele, viele Spielstunden auf Erkundungstouren ein, auf denen es am Ende aber nicht wirklich so viel zu entdecken gibt.
Das alles gehört zu Assassin's Creed, wie wir es kennen und wie es viele von uns auch immer noch mögen. Man spielt es die allermeiste Zeit mit großer Freude und in kleinen Phasen mit großem Ärger. Wenigstens kehrte die große Langeweile des ersten Teils nie wieder zurück. Unterm Strich zählt aber eben, dass es tatsächlich ein Ende ist. Eine großartige Geschichte wird hier mit interessanten Motiven, Konflikten und Protagonisten gesponnen und auch die "große" Handlung wird endlich aufgelöst. Sie bleibt am Ende hinter den Geschichten aus dem Animus zurück, aber trotzdem solltet ihr auch sie gesehen haben.
Vielleicht ist es der perfekte Abschluss. Aber sicher ist auch, dass in der nächsten Generation eine neue Generation von Assassinen nachwachsen muss, die gewillter ist, das Grundgerüst anzufassen - und ihre brillanten Geschichten auf dem Rücken einer wirklichen Weiterentwicklung weiterzuerzählen.