Assassin's Creed 2

Im ersten Moment passiert gar nichts. Dann beginnt die Wache zu torkeln. Unser Ziel wundert sich, was passiert, spricht seinen Bodyguard an und macht einen Schritt auf ihn zu. Ein Fehler. Vollkommen verwirrt sieht der Bewacher in seinem Schützling einen Angreifer, holt mit seiner Hellbarde aus und erschlägt ihn. Mission erfüllt. Keiner hat eure Beteiligung mitbekommen.

Doch Patrice hat noch nicht genug. Auf Knopfdruck wirft er ein paar Münzen in die Menge, die sich von der Gier angetrieben in die kreisende Waffe des wahnsinnigen, sterbenden Ritters stürzt. „Na, sieht das nach genug Abwechslung aus?“, fragt mich der grinsende Patrice. Sprachlos kann ich einfach nur nicken.

Die Präsentation ist aber noch nicht zu Ende. Zum Abschluss führt Patrice mir noch eine der Nebenmissionen vor, die ihr bis auf wenige Ausnahmen nicht zwingend abschließen müsst. Ezio muss ein paar Passanten schmieren, damit sie die Wachen vor einer Kirche ablenken. Blitzschnell schlüpft er über das Geländer hinein und rammt ihnen von hinten seine Doppelklingen in den Nacken. In einer dunklen Ecke findet er einen Totenkopf-Schalter, der eine Treppe in die Katakomben freigibt. Einem Abschnitt, der sich Novellas Straße schimpft.

Auf einmal verwandelt sich Assassin's Creed 2 in eine Art Prince of Persia. In den dunklen Gängen, Kavernen und Zisternen, muss Ezio sein ganzes Klettergeschick beweisen. Fast wie in einem Jump'n'Run gilt es, einen Weg durch das komplexe System zu finden. An einer Stelle muss er zum Beispiel eine Wache jagen, die sonst sein Kommen ankündigt. Immer wieder fallen Tore zu, die den offensichtlichsten Weg versperren. Ist er zu langsam, muss er gegen mehrere Gegner auf einmal kämpfen. Erwischt er den Flüchtling schnell genug, kann er sie nach und nach ausschalten.

Sein Ziel: Er muss im Auftrag einer Familie ein Treffen der Templer belauschen. Eine Versammlung mit historischem Hintergrund: „Es geht um die Pazzio-Verschwörung,“ erklärt Patrice. „Damals wollten die Templar Lorenzo de Medici ausschalten, einen der Herrscher über Florenz.“ Nach dem er die Verschwörer belauscht und sich in einem Sarkophag ein wichtiges Siegel abgeholt hat, geht es wieder an die Oberfläche. Patrice erklärt: „Es wird in jeder Stadt solche Abschnitte geben, die einen vollkommen anderen Ansatz haben. Mehr Linearität und mehr Inszenierung, um das Spiel deutlich abwechslungsreicher zu gestalten. Insgesamt kann man vier bis fünf Stunden Zeit in diese Nebenmissionen investieren.“

Von den angeblich viel interaktiveren Zukunftssequenzen gab es leider nichts zu sehen. Dafür sahen die Kämpfe deutlich dynamischer aus. Durch die unterschiedlichen Waffen, die Möglichkeit Angriffe anzutäuschen und die unterschiedlichen Kampfstile der Gegner, dürfte diesmal nicht so schnell Langweile aufkommen. Eine wirklich beeindruckende Leistung.

Patrice Désilets Begeisterung ist ansteckend. Nach viel Skepsis im Vorfeld hat er mich spätestens zur gamescom überzeugt. Wenn nichts mehr schief geht, steht uns nicht nur ein erstklassiges Action-Adventure ins Haus, sondern vielleicht sogar ein „Spiel des Jahres“. Denn Ubisoft Montreal hat sich wirklich jeden Kritikpunkt vorgenommen und ihn mit Stumpf und Stil ausgemerzt. Das Endergebnis sieht nach einem wahrhaft epischen Meisterwerk aus, das selbst Open-World-Platzhirsch Grand Theft Auto IV den Spitzenplatz streitig machen könnte.

Natürlich bleiben, ohne selbst Hand angelegt zu haben, noch einige Fragen offen. Vor allem, wie sich die deutlich umfangreicheren Möglichkeiten steuern und ob der Spieler damit nicht schlicht überfordert wird. Auch zum Thema Story lässt sich noch wenig sagen. Gerade die Zukunftssequenzen aus dem ersten Teil, aber auch ein langweiliger Verschwörungsplot in der Renaissance, könnten dem Titel am Ende noch ein Bein stellen. Bevor die Champagner-Korken knallen, heißt es also noch abwarten. Doch: Die Weichen für einen mehr als würdigen Nachfolger sind gestellt. Hoffen wir, dass Patrice zurecht stolz ist.