Assassin's Creed 4 – Black Flag
Ick heff mol en Assassin-Vierteiler sehn … to my hooday
Nach dem Abschluss des Desmond-Handlungsbogens und der mittlerweile gelinde gesagt leicht überforderten PS360-Generation an Spielgeräten kann man es Spielern nicht verdenken, die das nächste Assassin's Creed gern als kompletten Neustart auf den Konsolen der kommenden Generation gesehen hätten. Doch darin liegt schlicht die Krux eines Flaggschiff-Franchises. Auf 55 Millionen verkaufte Exemplare bringt es die Reihe jetzt, zuletzt griffen zwölf Millionen Fans zu einem gelungenen dritten Teil. Und wenn Ubisoft diesen Trend fortsetzen will, was sie angesichts des hohen Produktionsaufwandes müssen, steht eine Nicht-Berücksichtigung der gut 150 Millionen Current-Gen-Geräte schlicht außer Frage.
Damit das also vom Tisch ist: Das Spiel erscheint zwar bestätigterweise auch auf der PlayStation 4, sieht aber auf jeglichem gezeigten Material entschieden nach Current-Gen aus. So wie es ist, bekommen wir auf der PS4 in diesem Herbst also vermutlich eine Grafikqualität, die mit der der PC-Version der letzten Ausgabe vergleichbar ist. Schick, aufwendig, aber doch sichtlich von dieser Welt. Das ist vollkommen okay so, aber in der Hinsicht etwas schade, wenn man bedenkt, wie sehr diese Reihe lange Zeit als technisches Aushängeschild dieses Hardware-Zyklus fungierte. Neben Gears of War hat kein weiterer Titel dermaßen den Look der "Generation Achievement" geprägt und es sieht im Moment nicht danach aus, als wäre es für PS4 und Durango wieder ein Spiel mit diesem Schriftzug.
Auf zu neuen Ufern
Das setzt sich auch auf spielerischer Seite fort. Mit Black Flag, das Ubisoft am vergangenen Dienstag in Düsseldorf vorstellte, wird Assassin's Creed sein Gesicht deutlich verändern, in Struktur und Erzählung gewohnte und eingefahrene Gewohnheiten angenehm aufbrechen und in Sachen Freiheit neue Türen aufstoßen. Und doch ist noch nicht ganz klar, ob das vierte, eigentlich aber sechste Spiel der Serie in Gänze den Umbruch repräsentiert, den sich einige Spieler erhoffen. Thematisch hat man dabei insofern alles richtig gemacht, als dass die wenigsten damit gerechnet hätten, wo es dieses Mal hingehen wird. Piraten sollen das große Thema sein, 40 Prozent des Abenteuers auf hoher See stattfinden und erstmals in der Geschichte der Serie tut man einen Schritt zurück in der Zeit, wenn das Spiel den Fokus auf den Vater Haytham Kenways, Edward, legt. Der macht Anfang des 18. Jahrhunderts mit seinen Kumpels Blackbeard und Benjamin Hornigold die Wasser um die Westindischen Inseln als Freibeuter unsicher.
Sagt ihr uns in den Kommentaren, was ihr von dem Szenario-Wechsel haltet. Dem Spiel selbst muss man jedenfalls zugutehalten, dass die Konzentration auf die Umsetzung der Seefahrt und Piraterie dafür sorgte, dass die Entwickler Assassin's Creeds Begriff von Freiheit grundlegend überdachten. Die gesamte Spielwelt der Westindischen Inseln rund um Kuba, Jamaica und Haiti bis zu den Bahamas hinauf ist vollkommen frei und ohne Ladezeiten erkundbar. Wo frühere Assassin's Creeds mit Ladebildschirmen und Unterbereichen - gerade zwischen den normalen Stadtmissionen und den Seeschlachten in Teil drei - häufig arg segmentiert wirkten, herrscht nun maximale Freiheit ohne Pause. Spielfluss und Immersion kommen, wenn denn alles klappt, nicht mehr regelmäßig ins Wanken wie ein nüchterner Seemann an Land, man will den Spieler dazu auffordern, einfach aufs Geratewohl in See zu stechen.
Hier guckt ihr dann mit eurem Fernrohr Seefestungen, verlassene Schatzinseln oder eventuelle feindliche Schiffe aus, mit denen ihr dann Verfahren könnt, wie ihr wollt. Springt jederzeit einfach so von Bord, um ein kleines Eiland zu erkunden oder nach versunkenen Schätzen zu tauchen - ja, auch Unterwasser wagt sich Edward. Oder ihr blast zum Angriff auf eine spanische Händler-Schaluppe oder gegnerisches Militär und erbeutet auf diese Weise unterschiedlichste Waren und Ressourcen. Euer Schiff, die Jackdaw, baut ihr unterdessen im Verlauf des Abenteuers zur schwimmenden Festung aus und besetzt sie mit einer möglichst kompetenten Crew.
Viel zu tun und lassen
50 verschiedene Schauplätze gibt es zu entdecken, einschließlich dreier voll ausgewachsener Städte, Havanna auf Kuba, Kingston auf Jamaica und Nassau auf den Bahamas. Daneben laden aber auch Dschungel-Abschnitte, Maya-Ruinen, Plantagen und Fischerdörfer zu ausgiebigen Raubzügen und Wale warten darauf, harpuniert zu werden, wenn ihr es übers Herz bringt. Laut Creative Director Jean Guesdon, mit dem wir uns im Anschluss an die Präsentation unterhielten, wird es die abwechslungsreichste Spielwelt in der Serienhistorie. Angesichts der karibischen Flora und Fauna und Städte mit spanischem (Havanna), englischen (Kingston) und ... piratischem Einfluss (Nassau) ist das nicht so schwer zu glauben. Versteckte Höhlen wurden auch am Rande erwähnt, aber ich bekam im Frage-und-Antwort-Spiel mit den Verantwortlichen das Gefühl, dass es anstatt eines Herrenhauses (Teil 2) oder der Siedlung aus Teil 3 dieses Mal vielleicht eine eigene Piratenhöhle geben könnte, die neben der Jackdaw als zweite Heimat dient.
50 verschiedene Schauplätze gibt es zu entdecken, einschließlich dreier voll ausgewachsener Städte, Havanna auf Kuba, Kingston auf Jamaica und Nassau auf den Bahamas.
Interessant dabei war auch, wie die Progression in der Welt anscheinend geregelt ist. Als Guesdon davon spricht, bestimmte Orte dadurch zugänglich zu machen, dass man etwa zuerst ein besonders gefährliches Bewacherschiff ausschaltet, liegt ein Hauch von Metroidvania in der Luft. Es ist eine natürliche Gliederung der Umgebung, eine ganze Spielwelt anstatt einfach nur separater Punkte auf einer Karte, die nicht wirklich parallel existieren. Auch die See-Schlachten selbst sollen von dieser Offenheit profitieren. Springt doch einfach ins Wasser, schwimmt auf die Rückseite eines feindlichen Schiffes und fallt der Crew von dort in den Rücken. Entscheidet selbst, ob ihr unentdeckt über die Masten stealthen wollt, um den Kapitän per Luft-Attentat auszuschalten oder euch als Teil einer gewaltigen Karperoffensive springend oder von einem Seil baumelnd in empfindliche Bereiche eines Kahns vorkämpft.
Bis hierhin klingt der Gedanke eines AC in der Karibik des 18. Jahrhunderts wie eine ganz und gar ausgezeichnete Idee, so befremdlich und weitab vom geheimbündlerisch-weltverschwörerischen Rest das Szenario zunächst auch erscheinen mag. Wie so oft sind es in einem Spiel dieser Reihe die Kern-Elemente, bei denen man den Fortschrittswillen ein wenig in Zweifel ziehen darf. Wenn Guesdon davon spricht, dass Edward Kenway ein Pirat sei, der mehr oder weniger zufällig in den Konflikt zwischen Templern und Assassinen stolpert, um dann von Letzteren ausgebildet zu werden, befürchtet man einen erneuten Tutorial-Marathon, wie er schon in AC 3 für erfahrene Spieler in den ersten fünf Kapiteln des Spiels zur Geduldsprobe wurde. Der International Brand Manager Carsten Myhill und sein Kreativkollege versicherten mir jedoch, dass sie den Spieler direkt in die Action werfen wollen und der zentrale "Gameplay-Loop" sofort zur Verfügung stehen werde. "Die Spieler sollen das Spiel spielen, wie sie wollen, ohne dass wir ihnen zu sehr über die Schulter schauen", ergänzt Guesdon.
Ducken verboten
Nun liegt es in der Natur der Sache als Current-Gen Entwicklung, dass sich das Spiel nicht aller Eigenheiten entledigen kann, die so manchem in der Vergangenheit sauer aufstießen. So kann Edward sich etwa immer noch nicht auf Knopfdruck ducken, um aus dem Sichtkegel von Wachen zu verschwinden. Derartige Improvisation ist nicht gefragt. Stattdessen wollen Guesdon den Stealth-Ansatz über das Level-Design wieder in den Vordergrund stellen. Woran liegt es, dass Assassin's Creed seit jeher eine Serie ist, die sich von außen erneuert, also durch neue Randelemente, anstatt aktiv den Kern anzugehen? "Wir müssen einfach eine Balance finden zwischen existierenden Systemen, von denen wir wissen, dass die Spieler sie mögen und neuen Systemen, die wir brauchen, um das Erlebnis jedes Jahr wieder aufzufrischen", so Guesdon. "Einige Erlebnisse sind weniger überzeugend, andere wieder mehr, wie zuletzt die Schifffahrt. Daher dachten wir auch, dass dieses Element ein ganzes, eigenes Spiel verdient hätte."
Vielleicht erklärt auch eine gewisse Angst, bestehende Systeme und KI mit einer nicht unwesentlichen Umstellung der Fähigkeiten-Palette des Helden zu sabotieren, diesen eher konservativen Ansatz. Dennoch ist sich Guesdon sicher, dass Leisetreter in AC IV wieder ihre Freude haben werden. "Was das Stealth angeht, haben wir dieses Mal unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben uns mit großer Geduld alles angesehen, was wir an den vorherigen Spielen gut fanden. Stealth war definitiv etwas, von dem wir wollten, dass es ein wichtiger Teil dieses Spieles ist", beruhigt er die Fans, denen in der Vergangenheit die Möglichkeit zu lautlosen Attentaten etwas abgingen.
"Das Szenario ist dafür wirklich gut geeignet. Denn wir haben all diese Städte, aber auch all diese natürlichen Umgebungen, in denen man selbst die Beute ist. Man muss also Stealth auf zwei verschiedenen Ebenen einsetzen. Man ist mal Jäger, mal Gejagter". Besonders intensiv habe man sich die offenen Attentats-Szenarien des ersten Teils angesehen und die Borgia-Türme von Brotherhood, da diese mit einer gewissen Freiheit geglänzt hätten, die andere Teile vermissen ließen. Man soll nun häufiger wieder selbst einen bevorzugten Weg zu einem Ziel suchen können und so seine Vorgehensweise optimieren. Neue Verstecke - Häuserecken und bestimmte Türen sollen nun eine größere Rolle spielen - und überarbeitete Reaktionen der Wächter-KI sollen die Flexibilität der Spielsysteme unterstützen.
Herausforderung versus Massenmarkt
Ein anderer Kritikpunkt an der Reihe war schon immer, dass die Kämpfe zu einfach sind. Das sieht auch Guesdon so, denn neben 'Exploration' - Erkundung - war auch 'Challenge', also Herausforderung, eines der Schlagwörter auf dem Event. "Auch daran arbeiten wir. Wie auch zur See haben wir verschiedene Feindes-Archetypen. Wir werden diverse Typen von Soldaten und Wachen einführen, die sich unterschiedlich verhalten. Daher musst du für jeden von ihnen eine andere Strategie anwenden", erklärt er. "Der Kanonier versucht etwa, dir fernzubleiben, aus der Distanz auf dich schießen und dich so zwingen, in Bewegung zu bleiben und schnell zu sein, um ihn zu erreichen. Den Brutes musst du erst die Verteidigung durchbrechen, ansonsten sind sie unbezwingbar." Das klingt nun gerade im letzten Fall nicht unbedingt neu. Aber wir nehmen ihn beim Wort, dass es sich im finalen Produkt dann doch frisch und anders anfühlt.
Besonders intensiv hat man sich die offenen Attentats-Szenarien des ersten Teils angesehen und die Borgia-Türme von Brotherhood, da diese mit einer gewissen Freiheit geglänzt hätten, die andere Teile vermissen ließen.
Immerhin scheint ihm tatsächlich die Spieltiefe am Herzen zu liegen: "Es geht darum, diesem Teil des Gameplays Tiefe hinzuzufügen. Wir sind natürlich ein Spiel für den Massenmarkt, weshalb wir es damit nicht übertreiben können, aber obwohl wir Intuitivität und Zugänglichkeit erhalten wollen, wollen wir es mit einer gewissen Spieltiefe ausstatten". Eines bestimmten Automatismus hat man sich im Zuge dessen entledigt: "Das Aiming ist ein gutes Beispiel, denn wir haben jetzt freies Zielen eingebaut. Edward kann bis zu vier Pistolen tragen, weil jede davon nur einen Schuss hat", eine Eigenart für die auch der berüchtigte Captain Blackbeard bekannt war, der hier offensichtlich eine Art Mentor für Kenway darstellt. "Aber er kann in den Kämpfen damit tolle Kombinationen ausführen. Außerhalb der Kämpfe kann man jetzt völlig frei zielen, ganz geduldig ein Ziel wählen und im richtigen Moment abdrücken."
Totale Erinnerung
Eine weitere nicht unwesentliche Umstellung in Sachen Ablauf hebelt schließlich einen anderen, alten Makel aus und macht neugierig auf die Zukunft: Desmonds Rahmenhandlung war trotz Weltenretter-Ambitionen immer nur ein blasser Schatten dessen, was im Inneren des Animus passierte. Seine Charakterisierung war bemüht, die Figuren zu schwach, um einen Plot dieses Maßstabes zu stemmen. Da es ohne Animus aber scheinbar nicht geht, schnitt Ubisoft für Teil vier zumindest den Mittelsmann aus der Gleichung, und so ist es in Black Flag der Spieler selbst, der bei Abstergo Industries in die Erinnerungsmaschine steigt.
Ein Zugeständnis, das Desmond tatsächlich die Reihe an Größerem hinderte? "Nein, dabei ging es nicht darum, ob Desmond interessant ist oder nicht", widerspricht Guesdon. "Für viele, viele Leute, ist Desmond bis hierhin der Hauptcharacter. Aber er hat seine Rolle gespielt. Er hat getan, was er zu tun hatte". Nun sei schlicht die Frage gewesen, wie es weitergehen sollte. "Es ist das perfekte Timing. 2012 ist die Assassin's-Creed-Welt mit der echten Welt verschmolzen. Die Welt, in der wir jetzt leben, ist die Assassin's-Creed-Welt", spielt er darauf an, dass sich die Zeitlinie der Fiktion nun mit der echten überschneidet. "Und wenn du es selbst bist, der sich in diesem Universum bewegt, eröffnet das Tonnen an Potenzial. Fürs Erste musst du dir selbst ausmalen, was das bedeutet. Aber wenn man an Konnektivität denkt, die vernetzte Welt, in der wir heute leben," sagt er mit verschmitztem Gesichtsausdruck, als er sein Mobiltelefon hochhält, "das eröffnet Tonnen Potenzial".
Obwohl Guesdon noch nicht verraten wollte, welche Bedeutung die Vernetzung unserer Welt für die von Assassin's Creed haben wird, so schloss er doch zumindest aus, dass die Attentäter-Reihe und Ubisofts kommender Next-Gen-Titel Watchdogs im selben Universum spielen. "Wenn einige Leute, da eine Verbindung sehen, ist das toll, denn schließlich kommen wir vom selben Publisher. Aber Watchdogs ist Watchdogs und Assassin's Creed ist Assassin's Creed".