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Assassin's Creed: Revelations - Ein alternder Held

Darby McDevitt über Ezio, Citizen Kane und Film Noir

EurogamerIst nicht gerade bei Assassin's Creed eine der größten Herausforderungen, eine gute Handlung und geschichtliche Genauigkeit unter einen Hut zu bringen?
Darby McDevitt

Es ist tatsächlich noch etwas komplizierter als das. Bei Assassin's Creed gilt es nicht nur die Qualität der Geschichte und die historischen Ereignisse zu beachten. Es gibt da eine ziemlich gute TV-Reihe über Heinrich VIII. - Die Tudors. Die Serie schert sich kaum mehr um historische Genauigkeit und setzt alles auf eine gute Geschichte. Es ist im Grunde eine große Seifenoper mit tollen Schauspielern und tollen Settings. Aber man kümmert sich da kaum noch um eine akkurate Darstellung und fasst schon mal die Ereignisse von 30 Jahren im Zeitraum einer Woche zusammen.

Wir haben dabei aber sogar noch ein drittes Element zu beachten - die Spielbarkeit. Wir müssen immer wieder inhaltliche und historische Komplexität dieser Spielbarkeit opfern. Eine Kultur wie die osmanische oder die byzantinische ist wahnsinnig komplex und muss immer wieder zugunsten der Klarheit beschnitten werden - der Spieler soll wissen, warum er gerade gegen wen kämpft. Das beginnt bereits bei den Uniformen der Gegner. Die konnten in der historischen Wirklichkeit ganz verschiedene Farben haben, aber den Spieler würde das nur verwirren. Am Ende greift er den falschen an, was sich im Spiel natürlich sehr negativ auswirkt. Daher müssen wir auf solche Aspekte verzichten.

Eurogamer Wie muss man sich denn die Arbeit an einem neuen Assassin's Creed dann vorstellen?
Darby McDevitt

Drei wichtige Faktoren gilt es also zu beachten: Zuerst versuchen wir, historisch so akkurat wie möglich vorzugehen. Wir betreiben viel Recherche und finden heraus, was an einer geschichtlichen Periode besonders interessant und reizvoll war. Wir tragen eine gigantische Menge an Fakten zusammen. Das ist dann der Punkt, an dem sich langsam eine Geschichte herauskristallisiert und wir nervös werden. Wir sehen, dass beispielsweise diese Figur zu diesem Zeitpunkt gestorben ist.

Dann überlegen wir, ob wir das vielleicht ein wenig schieben können, damit es besser in unsere Geschichte passt. Müssen wir zu weit schieben, dann streichen wir das Element, aber hält es sich in Grenzen, dann sind wir schon etwas flexibel. Sultan Bayezid II. und seine Mutter wären absolut faszinierende Figuren für unser Spiel gewesen. Aber er lebte damals eben nicht in Istanbul / Konstantinopel. Daher entschlossen wir uns dagegen, ihn einfach umzusiedeln. So entsteht auf jeden Fall langsam die Geschichte. Dann kommen die Designer ins Spiel. Wir verbinden das Spieldesign mit der Handlung und nehmen weitere Anpassungen vor, um sicherzugehen, dass die Handlung klar und verständlich ist. Ich hätte gerne noch die kulturelle Vielfalt der damaligen Zeit stärker betont, aber viel davon musste ich kürzen oder ganz streichen, weil Assassin's Creed ja auch noch spielbar sein soll.

EurogamerSpielt da auch möglicherweise die Gefahr mit hinein, den durchschnittlichen Spieler irgendwann inhaltlich auch zu überfordern? Besonders die erfolgreichen Ego-Shooter sind ja inhaltlich meist ziemlich simpel gestrickt...
Darby McDevitt

Unsere Teamleiter vertrauen uns schon soweit, als dass die davon ausgehen, dass wir verstehen, was ein gutes Videospiel ausmacht und welche Regeln dort befolgt werden sollten. Dabei haben wir eine goldene Regel: Das Spiel muss immer genau ein zentrales Ziel bieten, das alle anderen weniger wichtigen Aspekte überschattet. Selbst wenn der Spieler einmal nicht genau weiß, was er nun tun soll, dieses eine Ziel soll er immer vor Augen haben, selbst wenn er das Spiel mal für drei Wochen beiseite legt. Bei uns ist dieses Ziel, in Altairs Bibliothek zu gelangen und dafür die erforderlichen fünf Schlüssel zu finden. So können wir tatsächlich den Großteil der Spieler bei der Stange halten.

Assassin's Creed: Revelations - Hakenklinge-Trailer

Es gibt ja immer mal wieder Spiele, die einfach so großen Spaß machen, dass uns auch ihre unfassbar dümmliche Geschichte nicht mehr stört. Und das funktioniert in beide Richtungen - es kann schon sein, dass sich mal ein Spieler überfordert fühlt. Aber das Spiel an sich macht ihm so großen Spaß, dass er trotzdem weiterspielt, solange der grobe Bogen stimmt. Dann können auch die kleineren Geschichten in der Mitte des Spiels mal anspruchsvoller sein.

EurogamerWie hast du dir dieses Wissen erarbeitet?
Darby McDevitt

Das erste Spiel, an dem ich gearbeitet habe, war ein Handheld-Spiel. Das war Der Herr der Ringe: Die zwei Türme auf dem Game Boy Advance im Jahre 2001. Ich hab das Skript geschrieben, basierend auf dem Filmskript von Peter Jackson, und habe dann die Levels designt. Es war ein Spiel aus der Vogelperspektive, ziemlich Diablo-mäßig. Dabei habe ich auch gelernt, dass es eine ganze Menge Spieler gibt, die sich kein Stück für die Handlung interessieren und die einfach sofort wegdrücken, um gleich weiterzuspielen.

Daher ist es für mich sehr wichtig, das zentrale Plot-Element so früh wie möglich zu etablieren, dann kann ich später auch etwas freier schreiben. Wir sind ja ein AAA-Titel mit großer Kundschaft, sodass wir uns keine Fehler erlauben können - aber das sind so die Tricks, mit denen wir die interessanteren Plot-Elemente mit ins Spiel schmuggeln. Ich denke, wir haben wir eine ganz hübsche Mystery-Geschichte geschrieben. Revelations funktioniert etwas anders als die Vorgänger. Wir haben am Anfang keinen klar identifizierbaren Gegenspieler, aber mit der Zeit entfaltet sich die Geschichte. Ich hoffe, es funktioniert und die Spieler nehmen diese neue Richtung der Serie an.