Assassin's Creed: Revelations - Test
Türkisch Pfeffer
Besonders in den lineareren Abschnitten, in denen man das Innere einer Gruft oder Kathedrale erkundet - ähnlich den Romulus- oder Assassinen-Gruften aus den Vorgängern, nur dieses Mal homogener in die Kampagne eingebunden - glänzt das Spiel nämlich mit wirklich spektakulärer und sehr spannender Inszenierung. Man fühlt sich positiv an Uncharted erinnert, wenn unter Ezios Last ein gigantisches altes Holzgerüst langsam einknickt und einige Griff-Partien wegbrechen. Hier besteht die Welt endlich nicht mehr aus unverwüstlichen Klettergerüsten.
Zwar baut das Spiel die meisten seiner Missionen unter freiem Himmel immer noch aus den Basis-Elementen Klettern, Finden mit anschließendem Begleiten/Verfolgen/Befragen oder Töten zusammen, doch auch auf der offenen Weltkarte setzt Ubisoft noch einige Glanzpunkte bei den Aufträgen und Attentaten. So etwa auf der Flucht aus einer lichterloh brennenden Hafenanlage oder bei einer Infiltration inmitten eines blutigen Aufstandes. Hier macht die Reihe das Meiste aus ihren Mitteln, während die Massenkeilereien mit vielen neuen Konter-Animationen einmal mehr nur schwer zu ertragende, aber dafür umso befriedigendere Kills geradezu zelebriert. Eine kleine Portion Taktik kommt ebenfalls dazu, weil einige Gegner sich gegen normale Konter-Finisher mittlerweile gut schützen. Killchains müssen also bevorzugterweise an den hartnäckigeren Feinden vorbei gestartet werden.
Erwähntes Bombenbau-Feature wollte mich hingegen, wie im Vorfeld schon befürchtet, nicht so recht packen. Zwei bis drei zusätzliche interessante Optionen liefert euch das leicht verständliche Crafting-System zu Felde, während die meisten anderen Effekte im Grunde aber auch auf anderem Wege erzielt werden könnten. Auf welche Art und Weise ich die Wachen nun von ihrem Posten bekomme, kann mir eigentlich egal sein, das Resultat ist das gleiche.
Neben der Kampagne warten im Spiel-Hub, der Animus-Insel, auf der Desmonds Unterbewusstsein gefangen ist, noch fünf Tore, die man durch das Finden von Datenfragmenten öffnet. Dahinter je eine seichte Ego-Knobelei nach Portal'schem Vorbild. Statt mit transdimensionalen Türen zum Verschießen jedoch mit Bauklötzen, mit denen ihr euch durch Gefahrenzonen und Strömungen hindurch in einen Zielbereich bastelt. Eine eher meditative Übung als großes Gehirntraining. Mit interessanter Fantasie-Architektur und abgehobenen Sphärenklängen, aber ziemlich stimmungsvoll wird hier Desmonds Vorgeschichte erzählt, bevor dann im 2012er Nachfolger offensichtlich sein Handlungsfaden zu einem Ende geführt wird.
Technisch gesehen schafft es der betagte Basis-Programmcode von AC immer noch, einige tolle Ansichtskartenmotive einzufangen. Mir erschienen Texturen und Beleuchtung sogar etwas stärker als im Vorgänger und insbesondere die Gesichter der Protagonisten sind nun aufwendiger modelliert. Der Preis ist allerdings eine alles andere als leistungssportlerische Performance. Die Bildrate ist immer noch in Ordnung, aber keinesfalls besser als zuvor. Und wer der Serie bisher wegen des Tearings fern geblieben ist, wird auch dieses Mal nicht bekehrt. Insgesamt ist Assassin's Creed aber nach wie vor ein attraktiv aussehendes Spiel, keine Frage. Das Alter der Engine kommt eher an anderer Stelle zum Tragen.
"Burka-tragende Free-Runner sind immer für einen Lacher gut."
Sicher, das war schon in der letzten Ausgabe so, aber mittlerweile stört es mich doch, wenn regelmäßig dramatische Momente durch störende Ladebildschirme vom anschließenden interaktiven Part unterbrochen werden. Auch wer einen angebotenen Auftrag ablehnt, darf erstmal einige Sekunden die Totale Ezios im leeren Animus-Raum anstarren. Ja, sogar vor den Abspann-Credits musste ich noch eine Ladepause über mich ergehen lassen. Dazu kommt der übliche KI-Wahnsinn mit pflichtbewussten Nichtschwimmer-Wachen, die sich in Wassernähe öfter Mal selbst aus dem Leben stolpern. Im Hintergrund bricht zudem hin und wieder mal himmelschreiender Irrsinn aus, wenn man gerade todernst versucht, auf einem verschwörerischen Spaziergang wichtige Missionsdetails zu besprechen. Burka-tragende Free-Runner sind aber immer für einen Lacher gut, weshalb ich hier mal Fünfe gerade sein lasse, auch wenn wir hier nicht in Saints Row sind.
Den Mehrspieler-Part hat Ubisoft lobenswerter Weise beachtlich erweitert. Es ist zwar immer noch nicht das Freizeit fressende Mutiplayer-Monster, neben dem man kein anderes mehr braucht oder gar will. Trotzdem bleibt das um Deathmatch und eine Capture-the-Flag-Neuauslegung ergänzte, methodische Katz-und-Maus Assassin's Creeds aber eine der clevereren Alternativen am Markt. Sogar ein paar Details über die Templer erfährt man in Zwischensequenzen, die eigens für den Mehrspieler-Part erdacht wurden.
Im letzten Jahr attestierte ich Brotherhood: "Mit dieser Engine kann man definitiv kein besseres Assassin's Creed mehr machen". Eine Feststellung, die sich mit Revelations nun trotz der Fortschritte in Sachen Inszenierung bewahrheitet. Die Jahre stecken nicht nur Ezio Auditore in den Knochen, sondern auch den Spielmechanismen selbst. Die beherrscht man im einzelnen beinahe schon im Schlaf, weiß um ihre Eigenheiten und schmunzelt über ihre Zicken. Andere offene Spiele wirken da stellenweise einfach etwas frischer, das jüngst erschienene Batman: Arkham City etwa fällt einem hier als erstes ein. Red Dead Redemption wirkt weniger automatisiert, lebendiger, während sich inFamous 2 eine Idee unverkrampfter steuert.
Mit einer unterm Strich durchaus runden Kampagne, einem im Rahmen der gewohnten Abläufe ungemein unverbrauchten, riesigen Schauplatz und einigen Umstellungen im Detail steht aber auch das vierte Assassin's Creed im vierten Jahr noch auf kräftigen Beinen. Und die tragen auch Spieler mit etwas übergewichtigen Erwartungen zielstrebig durch das umfangreiche Spiel. Wem die Reihe bisher etwas bedeutet hat, der sollte nicht verpassen, wie Ezio Auditore da Firenze ein letztes Mal seine Kutte überstreift.
Assassin's Creed: Revelations ist ab dem morgigen 15. November für Xbox 360 und PlayStation 3 erhältlich, die PC-Version folgt am 1. Dezember.