Assassin's Creed: Syndicate Test
Full of sound and fury, signifying nothing.
Assassin's Creed: Syndicate Test. Müde. So fühlt sich das Ganze an. Einfach etwas müde. Kein Wunder, wird doch jedes Jahr ein Assassine durch die bekannten Kletter-Bewegungen geschickt, jedes Jahr mit einem neuen kleinen Gadget im Gepäck, aber und das wiegt viel schwerer, mit all der Last von mehr als einem halben Dutzend Vorgängern im Gepäck. Die Bewegungsmuster, die Metahandlung, die Klamotten und vieles mehr. Eine Serie hat immer den Segen und den Fluch, dass sie sich auf ihre Vorgänger stützen kann und zu einem Teil eben auch muss. Aber man kann Assassin's Creed: Syndicate so einiges vorwerfen - und das werde ich auch gleich tun -, aber dass sie nach dem etwas schweren Start von Unity ihre Engine nicht im Griff hätten, das kann man ihnen nicht nachsagen.
Die neue Spielwiese des immer noch und scheinbar für immer andauernden Konfliktes zwischen Assassinen und Templern ist das London mitten in der wüst-viktorianischen Startphase der ersten Industrialisierung, das Jahr 1868. Das Szenario ist zwar ein echter Klassiker, hat aber in den letzten Jahren in der Fiktion auch sehr direkte Konkurrenz bekommen. Inzwischen wird London 18höhereXX meist mit dem Sci-Fi-Subgenre des Steampunks assoziiert. Nicht so hier und es mag für den einen oder anderen etwas ernüchternd zu sehen sein, dass dieses London, der Nabel der Welt zu der Zeit, von Pferdekutschen, Kinderarbeit in Fabriken und der Binnenschifffahrt der Themse beherrscht wird. Aber es sind eben nur sehr wenige Dampfmaschinen, Tesla-Projekte und ähnliche Zahnrad-Dampf-Mystik-angefeuerte Gerätschaften unterwegs. Es ist eine Vision dieses realen vergangenen Londons, die auf Authentizität setzt, und ohne Frage ist Ubisoft Quebec ein atemberaubender Entwurf dessen gelungen. Vielleicht wird der versierte Fach-Historiker in dem einen oder anderen Detail die Mängel sehen, für den Laien jedoch ist das auch am hohen Maßstab der Serie gemessen ein bisher unerreichter Setzkasten der Vergangenheit.
Die Liebe zum Detail lässt sich dabei leicht übersehen, wenn man gemäß dem Tempo der Assassinen über die Dächer flitzt, aber zumindest für eine Weile solltet ihr genau das nicht tun. Wandert durch die Straßen und beobachtet die Leute, hört euch ihre kleinen Dialoge und Einzeiler an, erfreut auch an ihrem immer natürlich im sehr engen Rahmen definierten Treiben. Eine Brandrede an der Häuserecke, eine Prügelei vor einem Pub, ein halbzüchtiges Pärchen auf einer Parkbank, eines, das sich auf dem brummenden Marktplatz streitet, und vieles, vieles mehr ist da, was einem leicht entgehen kann. Es geht noch tiefer. Ein gutes Beispiel für die Aufmerksamkeit für die Kleinigkeiten sind die oft und gerne auf Plätzen singen Chöre Londons. Das reicht von einem scheinbar etablierten Gentlemen-Chor, der "Rule Britannia" intoniert, bis hin zu einem Duo, welches das darbietet, was Kenner heute unter dem "Lost British Folk Song" verstehen und damals halt der Pop der Stunde war. Nehmt euch die Zeit, all das zu erkunden, es lohnt sich.
Solltet ihr das nicht tun, wäre das auch vor dem Hintergrund, vor dem es sich alles zuträgt, wirklich schade. London ist das Juwel in der Krone seiner Schöpfer. Assassin's Creed legte immer viel Wert auf seine Welt und der Detailgrad, die Art der Farbgebung, der Ausleuchtung, die Tageszeiten-Wechsel, die intelligente Komposition der Stadtviertel und ihrer Eigenheiten... London in Syndicate ist derzeit DIE Stadt, wenn es um Spielwelten geht. Sicher GTA 5 hat seine gewaltige Umgebung und ist als Austobespielplatz fast unschlagbar, aber nimmt man rein die Stadt kann nichts mit Syndicates Schöpfung mithalten. Wenn man diesem London etwas vorhalten möchte, dann ist es seine Lebensader, die Themse. Es war zu der Zeit teilweise so, dass dermaßen viele Schiffe dort unterwegs waren, dass man auch als Nicht-Assassine ohne Brücke trockenen Fußes den Fluss überqueren konnte und das Spiel setzt das um. Nur das Gewusel selbst funktioniert etwas zu gut. Eigentlich ist es eine Art überdimensioniertes Frogger, bei dem ihr von Schiff zu Schiff hüpft. Sterben kann man dabei nicht, aber die Ähnlichkeiten zum Klassiker drängen sich einfach auf und es sieht teilwiese zu lustig aus.
Trotzdem, es ist ein Fest hier durchzuschlendern, die Stimmungen zu genießen und all die versteckten Ecken dieser auf seine Art eben doch irgendwie mystischen Welt zu entdecken. Hey, sogar der Sammelkrams macht deshalb fast schon Spaß, so gut ist das hier. Diese in Unity schon ansatzweise zu sehende Verliebtheit in die Detailmöglichkeiten einer neuen Konsolengeneration leidet auch diesmal nicht darunter, dass der Zeitplan für die Engine scheinbar irgendwo ein wenig gestaucht werden musste. Syndicate läuft auf der Xbox One flüssig. Die 30 Frames dürften relativ stabil sein, zumindest solange man zu Fuß unterwegs ist. Beim Höchsttempo der Kutschen wird nicht nur der Umgebungsdetailgrad zurückgefahren, bei einem schnellen Umreißen einer Kurve lässt sich auch häufiger mal ganz gut sehen, dass die Feinheiten des Szenarios nicht ganz umsonst zu haben sind. Aber trotzdem, läuft und das sehr gut. Das Jahr blieb aufseiten der Engine-Entwicklung keineswegs ungenutzt.
So weit, so ehrlich gesagt fast schon phänomenal. Aber nun zu dem Teil, der mich zu meiner initialen Aussage der Müdigkeit der Reihe hinriss. Rein inhaltlich hätte ich eigentlich erwartet, dass man hier auf die Templer auf der Höhe ihrer Macht trifft. Ein sonst verdeckter Gegner, der in dem Netzwerk der Geheimbünde, Herren-Clubs und Schaltzentralen zwischen Parlament und Bank of London offen auf dem Parkett steht, der vor allen seine Macht auslebt und den Krieg für gewonnen erklärt. So verkauft es einem das Spiel auch in der ersten Stunde. London ist seit hundert Jahren fest in der Hand der Templer, Assassinen haben hier nichts verloren, die Besten der Besten würden scheitern.
Auftritt des durchaus sympathischen, wenn auch klischeehaften Geschwisterpärchens Frey. Er hitzköpfig, zum blinden Aktionismus neigend, sie bedacht, ausgleichend und mit einem Sinn für die mystische Seite des Jobs. In den nächsten Stunden zeigt sich, dass das völlig ausreicht, um einmal quer durch Medizinversorgung, Nahverkehr, Bank und Parlament zu marodieren, vor allem weil ihre Gegner eben nicht die unangreifbaren Machtpersonen sind, sondern so etwas wie die zweite Geige in allen Feldern spielen. London in der Hand der Templer? Eher eine mäßige Kleinverschwörung, über die ein Sherlock nur lachen würde und die hier auch nicht glorreicher endet. Es war dann doch nur ein austauschbarerer Bösewicht, der McGuffin X haben wollte. Wie schon so oft eine Nemesis vor ihm, krankt er daran, dass es praktisch nie einen Kontakt zwischen ihm und den Spielfiguren gibt. Ein paar böse Taten im Off und ein sehr vager Plan, irgendwie die Macht zu haben und unsterblich zu sein, schaffen keine Verbindung. Das macht jeder heutzutage. Oscar Wilde sagte in der ihm eigenen Art: „The man who can dominate a London dinner table, can dominate the world." Diese Nemesis hier hat zu keinem Zeitpunkt das Dinner im Griff. Assassin's Creed hatte da schon weit bessere Bösewichter zu bieten.
Bleibt als Konflikt der der beiden Geschwister. Erst hatte man den Eindruck, dass da sicher so eine Art KI-Koop-Spiel auf einen zukäme. Das legte sich ganz schnell und passiert praktisch die ganze Zeit hindurch nicht. Beide machen ihr Ding und sind auch nicht immer so glücklich über die Taten des anderen, aber man sieht sie ja auch in kaum einer gemeinsamen Szene. Umso überraschender, dass es dann zum Ende aus dem nichts angeblich ganz groß kriselt. Dass Spiele in ihrem Narrativen in Richtung Hollywood schielen ist nicht generell verkehrt. Aber das hier ist die Charakterentwicklung aus einem Action-B-Movie. Für eine Serie, die sich mit ihrer großen übergreifenden Handlung und ihren Figuren rühmt, einem Spiel, das eigentlich alle Zeit der Welt dafür hat, kommt Syndicate nicht über die müde B-Riege hinaus. Das gilt wiederum auch für die Bösen. Wisst ihr noch, die Sterbeszenen der Ermordeten? Es gab im Laufe von Assassin's Creed viele gute, einige wirklich denkwürdige Zeilen. Syndicate? Fehlanzeige. Sie starben, wie sie lebten: Als persönlichkeitsbefreites Abziehbild.
Gut also, dass das Gameplay auf sicheren Füßen steht. Nun, so sicher, wie das eben mit einer immer wieder aufgewärmten Variante einer im Kern nie wirklich funktionierenden Grundlage möglich ist. Die Bewegungen in der Reihe waren immer etwas langsam und ungelenk, Animationsphasen werden immer wieder stur abgearbeitet, egal, was der Spieler drückt, aber das war der Preis für das elegante Klettern an jeder Häuserwand. Daran hat sich wenig geändert. Wie in Unity gibt es nun drei Richtungen, in die der Assassine beim Rennen strebt. Drückt ihr nur den Trigger, geht es geradeaus, die eine Taste halten, lässt ihn nach unten klettern, die andere nach oben. Das klappt in Syndicate zu 95 Prozent der Zeit auch ziemlich gut. Manchmal hängt er an einer Kante, will er hoch, bevor er die Wand dahinter nach unten flitzt, manchmal nicht. Es ist mit wenigen Ausnahmen ein verlässliches System. Es sind die Details, bei denen es nach wie vor hakt. Immer noch gibt es gerade in engen Räumen oder verbauten Außenbereichen diese wundervollen Momente, in denen ihr den Bildschirm anbrüllt: „Mann, nicht auf die Mauer, bleib' davor. Oh Gott, doch nicht die Wand hoch! Na super jetzt stehst du auf der Mauer. Glückwunsch, die Wache hat dich gesehen! Mach doch mal, was ich dir sage!" Versucht das System ja auch, aber oft liegen halt die verschiedenen Möglichkeiten, was ihr in dieser eingezwängten Umgebung wollen könntet, so nah beieinander, dass Fehler fast selbstverständlich sind. Zur Ehrenrettung von Syndicate: Es war schon mal weit schlimmer als hier.
Der Kampf dagegen war nie gut und das ändert sich in Syndicate wenig. Konter und Quick-Time-Ausweichen bestimmen alles und wenn ihr auf die beiden entsprechenden Farbreflexe reagieren könnt, werdet ihr jeden Kampf gewinnen. Zumindest, solange ihr nicht zwei oder drei der etwas willkürlichen Level unter den Gegnern seid, was euch aus manchen Missionen und Gegenden bis zu einem späteren Zeitpunkt heraushalten soll. Das funktioniert, ist aber weder spannend noch anspruchsvoll noch sonst was. Ihr werdet aber auch gar nicht so oft kämpfen - müssen -, denn oft genug sollt ihr während einer Mission niemanden oder eben nur das Ziel töten und damit wird Stealth wichtig. Solange ihr im Schleichmodus seid, duckt sich euer Assassine hinter Mauern, schielt um Ecken, bevor er sie umrundet, und es erreicht zwar nicht die Stealth-Eleganz anderer Kandidaten, aber ja, damit kann man arbeiten. Schade nur, dass das in den Büschen verstecken aus Teil 3 und 4 nicht eingebaut wurde, in den Parkanlagen wäre es hilfreich gewesen.
Es gibt zwei neue Arten, von A nach B zu kommen, und die mit Abstand wichtigste ist der Greifhaken. Mit ihm spannt ihr in Sekundenbruchteilen eine Leine über Dächer und Straßen hinweg, zieht euch in Windeseile auf ein Dach und er leistet sowohl als Flucht- wie Angriffs- und Fortbewegungsmittel gute Dienste. Gute, nicht großartige. Das System, das man sich ausdachte, ist Assassin's Creed gemäß eine Automatik. Ihr seht einen Punkt an und das Spiel zeigt ein Ankersymbol an oder auch nicht. Es gibt kein manuelles Zielen. Für die meiste Zeit und vor allem als schnelles Reisemittel über die Dächer oder um auf ein solches zu kommen, funktioniert es gut. Es gibt zwar ein paar seltsame Regeln - das nächste Dach wird meist nur angepeilt, wenn ihr an einer Kante steht, um auf ein Dach zu kommen, müsst ihr nah aber nicht ganz nah an einer Hauswand stehen - aber mit denen arrangiert man sich mit der Zeit. Wo es dann kriselt, ist die Verlässlichkeit im Ernstfall. In einem großen Bahnhof würde ich zum Beispiel nicht planen mich von den Stahlträgern unter dem Dach nach unten zu bewegen, um in einem engen Zeitfenster eine Bombe zu zünden, und dann, bevor die Wachen mich sehen, wieder zurück auf die Träger zu katapultieren. Das kann funktionieren. Muss aber nicht. Fifty-fifty würde ich sagen. Auch aus einem Kampf mal schnell nach oben wegschießen klappt mal, dann wieder nicht. Ich hasse Systeme, auf die ich mich nicht verlassen kann, und dieses gehört leider dazu. Dann ignoriere ich es lieber. Schade, denn wenn es mal klappt, ist es eine wunderbare Bereicherung für dieses Spiel und die Serie.
Die andere Reise-Neuerung sind Pferdekutschen und für längere Strecken sind sie ein valides Mittel. Vor allem weil sie so unkompliziert sind. Wie Autos. Eigentlich... genau wie Autos. Seien wir ehrlich, Ubisoft hat Autos in Assassin's Creed eingebaut und mit einem Kutschen-Skin ausgestattet. Von mir aus, völlig okay, habe ich kein Problem mit. Es macht Spaß, damit unkompliziert durch London zu donnern, alles wegzurammen und sich Verfolgungsjagden mit der Polizei wie den Schurken zu liefern. Das Entern anderer Kutschen während der Fahrt ist denkbar simpel und wenn das alles nichts Neues ist, sondern schon seit jeher in der DNA des Open World verwurzelt... Das macht es hier nicht schlechter oder langweiliger. Einfach mal durch den Hyde Park zu marodieren und verschreckte wie geplättete Bürger Londons hinter sich zu lassen ist ein kleiner, anarchischer Spaß, den man sich gerne immer wieder mal gönnt.
So, wie ihr mit der Kutsche jeden überrollen könnt, dürft ihr natürlich auch so ziemlich jeden töten. Müsst ihr aber nicht. Ihr könnt eine Person oder einen Gegner, die euch nicht entdeckt hat, von hinten greifen und entweder ausknocken oder entführen. Dabei umgibt euch ein variierender Kreis, der die Aufmerksamkeit repräsentiert, die ihr auf euch zieht. Bewegt ihr euch sehr langsam, bleibt er klein und nur andere Gegner werden sehen, dass da was nicht stimmt. Die in London omnipräsenten Polizisten oder neutrale Wachleute reagieren nur, wenn sie in diesem Kreis stehen. So ist es dann zum Beispiel möglich, sich den Leiter der Bank von London zu greifen und direkt an den Wachen vorbeizumarschieren. Schön langsam, ruhig und vorsichtig. Der Entführte sagt sogar „Es ist okay, der da gehört zu mir", was der Situation die nötige Glaubwürdigkeit gibt. Es ist ein gelungenes Element, für das es sogar im Rahmen der üblichen Ubi-Turmbesteigungs-Kartenbefreiungs-Missionen eine eigene Kategorie gibt, bei der ihr Verbrecher kidnappt und der Polizei übergebt.
Diese Standard-Missionen umfassen neben besagten Entführungen eher schlichte Attentate, die Befreiung eines Bereiches von Gegnern auf rabiate Weise und die Rettung von zur Zwangsarbeit verdonnerten Kindern aus Fabriken - was in der Regel auch auf viele tote Gegner hinausläuft. All das spielt sich am Ende sehr gleich. Nutzt eure Gadgets und vermeidet den offenen Kampf, wo es geht. Das wäre nicht so wild, aber dank der übermächtigen Assassinen-Sicht, die praktisch vom Start weg alles anzeigt, auch Gegner weit weg hinter vielen Mauern, bleibt das eher simpel und gleichförmig im Ablauf. Überraschungen gibt es nur, wenn ihr sehr hastig und unüberlegt reinstürmt, was ihr irgendwann aus milder Langeweile auch zumindest ausprobieren werdet. Ansonsten heißt es: Schaltet die Wachen gezielt aus, die KI ist eh zu dämlich, um auf die lautlosen und super-präzisen Stealth-Wurfmesser zu reagieren, und kümmert euch dann um das eigentliche Ziel. Wiederholt das fünfzig Mal und London ist frei. Nun, fast. Es gibt ja noch die Hauptmissionen.
Diese spielen sich zum allergrößten Teil sehr ähnlich, abgesehen davon, dass sie eben in etwas mehr Handlung eingebunden sind. Oder vielmehr: Die Elemente sind die gleichen. Entführung. Attentat, ein wenig Schleichen, ein wenig Kämpfen, dazwischen mal ein Stückchen mit der Kutsche unterwegs. Man verlässt sich mehr auf seine Sandbox als auf eigene missionsspezifische Setpieces und das ist auch generell nicht verkehrt. Aber in dramatischen Momenten hätte man wohl doch manchmal die offene Welt aussperren sollen. Es ist sicher mehr Sandbox als sie es planten, wenn zufällige Gegner in eine eigentlich dramatische Szene wandern und diese etwas lustiger werden lassen, als das gedacht war. Herausstechen tun die jeweils letzten Missionen eines Kapitels insoweit als dass sie nicht nur etwas umfangreicher sind, sondern euch auch ein paar eigene Optionen geben. Ihr habt dabei in der Regel eine oder zwei Person, die euch hilft. Eine die ihr für eine besondere Attentatsmethode nutzt und natürlich das Ziel selbst. Dazu kommen mehrere Wege zum Ziel und wenn man diesen eigentlich gut strukturierten Missionen etwas vorwerfen kann, dann dass sie es zu deutlich machen, welche Optionen ihr habt. Es gibt nämlich kaum einen Grund anders an das Ganze heranzugehen und so fällt der Ablauf dann doch sehr viel definierter aus. Es ist das Gegenteil zu den etwas undurchsichtigen Missionen in Unity, für das nächste Mal bitte die goldene Mitte. Trotzdem und wenn im Ablauf auch nicht außerweltlich: Diese Missionen sind die Highlights des Spiels.
Die Nebencharaktere verfehlen diese Rolle diesmal. Ihr trefft auf eine Sippe aus Langweilern und das will bei diesen Namen was heißen: Unter anderem benötigen Charles Darwin, Karls Marx und Winston Churchill eure Hilfe, letztere in einem etwas eigenwilligen Randszenario im ersten Weltkrieg. Nun, man hört viel über Churchill und was für ein Mensch er war, aber wohl noch nie sagte jemand über ihn, dass er langweilig war. Nun, hier ist seine jenseits der Zigarre persönlichkeitsneutrale Rolle genau das. Das Szenario wurde wohl eingebaut, um die ja erst 1894 fertiggestellte Tower Bridge unterzubringen und sie sieht auch fantastisch aus. Das restliche London um sie herum ist ein cleverer Skin, der alles ein wenig moderner wirken lässt, aber die Missionen, die ihr spielt, sind genau die gleichen wie im Rest. Und das ist auch die größte Sünde der Nebenmissionen. Es sind nur weitere Standards und davon gibt es auch ohne sie wahrlich nicht zu wenige in Syndicate.
Bleibt noch das Gesammel und meine Güte, ihr habt zu tun, wenn das euer Ding ist. Alles ist brav auf den billig bei den Händlern zu holenden Karten eingezeichnet. Viel Spaß. Es ist Sammeln des Sammelns halber, jenseits der Freischaltung von Items, die ihr nicht wirklich braucht, solltet ihr hier nichts erwarten. Am nettesten sind noch die Geheimnisse Londons, wo ihr anhand eines Schnappschusses das eben nicht auf Karten verzeichnete Item finden sollt. Oder vielmehr... Es gibt eine Karte, auf der diese dann doch eingezeichnet sind. Für Echtgeld, direkt im spieleigenen Shop. Hey, Micropayment! Ja, es gibt sie und zwar zu allem. Ihr kauft die Lösung für die Geheimnisse, ihr kauft Erfahrungspunkte, ihr kauft Crafting-Material, es fehlt eigentlich nur noch der „I win!1!"-Knopf. Die gute Nachricht ist, dass ihr nichts davon braucht. Wenn ihr Syndicate normal durchspielt, dann steigt ihr im Level schnell genug mit, sodass es keinen Grind gibt. Die Missionen geben euch an Waffen und Ausrüstung, was ihr benötigt. Wenn ihr auch nur einmal 20 Minuten Kisten mit Ressourcen sucht, habt ihr genug, um das zu fertigen, was wirklich benötigt wird. Die einzigen Dinge, für die ihr wirklich viele Kisten suchen müsstet, sodass es sich "lohnen" würde, Echtgeld auszugeben, um schneller ranzukommen, ist auf der einen Seite viel Kosmetik und auf der anderen ein paar Zwischenstufen der Waffen. Das ist zwar, aber alles andere als wichtig für das Spiel. Und da Komplettisten, die all das haben wollen, eh alle verstreuten Kisten abrennen, wir nicht mal die das stören. Also, es gibt einen sehr umfangreichen In-Game-Shop und ihr braucht ihn in keiner Weise. Selbst wenn er das vage Gefühl hinterlässt, dass es viel von dem Level-Gedöns im Spiel nur gibt, um ihn zu rechtfertigen.
Ich wünsche allen Serien und Projekten von Ubisoft nur das Beste. Dass eine so groß und so gut wird, dass sie ihrem Zugpferd Assassin's Creed eine kreative Pause gönnen können. Keineswegs um alles umzukrempeln, aber um die mitgeschleiften Ecken und Kanten endlich mal rauszubekommen und vor allem, um zu wissen, wo man inhaltlich eigentlich hin will und in welchem Tempo. Syndicate ist schlicht erschöpfter Stillstand. Die eigentliche Handlung ist belanglos, die Figuren blass und auf der Metaebene rührt sich sehr wenig und nichts, was man nicht auch hätte weglassen können. Vor allem, wenn man es dermaßen lieblos dem Spieler vor die Füße wirft. Man will immer noch glauben, dass hinter all dem die große Verschwörung mit dem epischen Potenzial lauert. Wenn es Syndicates Mission war, zu verschleiern, dass dem so ist, dann Glückwunsch: Ziel erreicht.
Es ist ja eigentlich alles da. Die Technik wurde seit Unity geradegezogen. Die Stadt London ist absolut fantastisch umgesetzt. Nicht alle Spielmechaniken sind da, wo sie sein sollten, aber die Ergänzungen wie die Kutschen und die Entführungen sind gut ausgedacht und bereichern das Spiel. Es gibt immer wieder diese Momente, in denen ein Attentat oder eine Flucht gut gelingt und dann glänzt es auch ein wenig. Aber das alles ersetzt nicht das hier leider zu schwache Missionsdesign. In praktisch allen Kritikpunkten war Assassin's Creed Black Flag übrigens schon deutlich weiter, ich bin also sicher, dass die Serie mehr kann, sie hat es oft genug gezeigt.
Und trotzdem, in gewisser Weise kann ich es verstehen, wenn sich jemand doch zu Assassin's Creed: Syndicate hingezogen fühlt. Es geht mir nicht anders. Mit London 1868 hat Ubisoft eine so hinreißend gut aussehende, mit Leben, Feinheiten, Atmosphäre dicht gepackte und mit Illusionen gefüllte Traumwelt hingesetzt, dass man es nur bewundern kann. Macht den Sprung von Big Ben, wandert durch die Gärten von Westminster in die Straßen des Strand, schlendert durch Whitechapel nach Süden durch die City über die Themse und durch die Fabriken bis in die fast noch mittelalterlichen Vororte. Nehmt alles auf und lasst euch von der Kulisse verzaubern. Erwartet dahinter eben nur kein sonderlich spannendes oder ambitioniertes Spiel.