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Assetto Corsa auf PS4 und Xbox: Nur im Autodromo ist es schöner

Fahrgefühl und Realitätsnähe fantastisch, Schadensmodell… vorhanden?

"Es hat schon seine Vorteile, die Büros direkt über einer Rennstrecke zu haben"; da können wir einfach mal runtergehen und den Mechanikern der großen Rennställe über die Schulter schauen. Da können wir direkt sehen, was sich geändert hat an den Motoren, wo noch Tuning betrieben wird", erklärt Stefano Casillo mit einem breiten Grinsen. Der Mitbegründer und Chefentwickler der italienischen Kunos Simulazioni werkelt mit seinem überschaubaren Team von gerade mal 30 Mitarbeitern an der Konsolenversion von Assetto Corsa. Nach einigen Verschiebungen, soll es dann Ende August wirklich soweit sein und die PS4 und Xbox One als weiterer Hort der Hardcore-Fahr-Simulation dienen.

Über mir die Entwicklerbüros von Kunos, vor mir ein stattliches Aufgebot an echten Boliden. Ich befinde mich auf der Rennstrecke Autodromo Vallelunga, ein paar Kilometer vor den Toren Roms. Um die Realitätsnähe der Rennsimulation auch wirklich würdigen zu können, dürfen einige Kollegen und ich, erst einmal die Rennstrecke selber befahren und uns dann an das virtuelle Vallelunga aus Assetto Corsa begeben. Ich schiele mit schweißnassen Händen auf den McLaren MP4-12C. Ein todschickes Fahrzeug mit Flügeltüren und einer Beschleunigung von gerade mal 3 Sekunden von Null auf 100.

Jedem Auto sein Cockpit gehört heute dazu.

Mein Wunsch nach dem Fahrerplatz, wird aber nur mit einem milden Lächeln bedacht. Ich darf drei Runden auf dem Beifahrersitz verbringen, ein geübter Pilot rast in einem Höllentempo über die gut 4 KM lange Strecke und lässt mich jede, aber auch wirklich jede, der zehn Kurven im Magen spüren. Gut, das hätte ich wahrscheinlich jetzt so nicht gekonnt. Selber ran darf ich dann in einem Nissan GT-R, der sich, trotz seinen weit über 500 PS, als ein sehr gut beherrschbares Automobil erweist. Ich halte mich strikt an die Vorgaben meines Beifahrers, bremse nach einer Geraden von über 200 Km/h auf die angezeigten 60 KM/h herunter. Wahrscheinlich sieht meine Fahrt von Außen betrachtet wie ein gemütliches Cruisen aus, ich fühle mich aber wie der König der Welt und genieße meinen ganz persönlichen Geschwindigkeitsrausch. Kann das Assetto Corsa auch bieten? Mutig, uns einen so direkten Vergleich anzubieten.


  • Erscheint für:
    PS4, Xbox One, PC (erhältlich)
  • Veröffentlichung
    26. August 2016
  • Angespielt auf PS4

Schalensitze, Force-Feedback Lenkräder, Schaltung, Gas- und Bremspedale. Der Gamer-Aufbau vor den Bildschirmen im Testraum könnte besser nicht sein. Wenn schon Simulation, dann auch bitte mit der bestmöglichen Peripherie. Also, lege ich mich in den Sitz und lege ein paar Rennen über das virtuelle Vallelunga hin. Der Wiedererkennungswert ist enorm. Kein Wunder, werden die Strecken doch größtenteils Laser vermessen und jede Unebenheit, jedes Steinchen, penibel genau erfasst. Der Detailgrad der Fahrzeuge, in der Außen-, sowie in der Cockpitansicht, ist ebenso fantastisch. Nicht das ich wohl jemals einen BMW Z4 GT3 selber besitzen werde, aber die Optik und das Gefühl kommt schon verdammt nah an das, was ich gerade in dem Nissan GT-R erleben durfte.

Ein Foto oder ein Screenshot aus Assetto Corsa? An der Rennstrecke Autodromo Vallelunga, befinden sich die Studios des Entwicklers Kunos Simulazioni. (Es ist ein Foto.)

"Man muss nicht das Spiel erlernen, sondern das Auto beherrschen", gibt mir Casillo mit auf den Weg. Wahre Worte, denn in kaum einem anderen Spiel, pardon Simulation, wie die Italiener nicht müde werden zu betonen, steuern sich die digitalen Rennboliden derart unterschiedlich. In Assetto Cora hat jeder Wagen seinen ureigenen Charakter, seinen individuellen satten Sound, sein eigenes Streckenverhalten, so, wie man es heute erwartet. Kann ich den Wagen beherrschen, lasse ich in den Rennen meine 16 Konkurrenten hinter mir. Habe ich die Feinheiten der realistisch umgesetzten Fahrphysik, die an meinem Lenkrad zieht und zerrt, nicht im Griff, lande ich im Grün, drehe mich in peinlichen Pirouetten oder fahre dem Feld hoffnungslos hinterher. Assetto Corsa ist anspruchsvoll, hat eine steile Lernkurve für jedes Fahrzeug, verlangt echtes Fahrkönnen und volle Konzentration. Es fühlt sich aber zumindest erst einmal nicht nach Arbeit an. Nur nach Vergnügen. So soll das sein.

So spielt man Assetto Corsa: Mit Rennsitz, Lenkrad, Schaltung und Pedalen.

Technisch machen die Konsolenversionen eine gute Figur. Stabile 60 Bilder pro Sekunde bei 1080p auf der PS4 und Xbox One sorgen für butterweiche Animationen. An den üppigen Optionen und der künstlichen Intelligenz der Konkurrenten gibt es keine Zwangsabstriche gegenüber der PC-Version zu finden. Aber ganz ohne Nörgeln geht es nicht. So hübsch die Fahrzeugmodelle und Strecken auch sind, die Bauwerke der Umgebung sind nicht mehr als hässliche Klötzchen, die detail- und bewegungsarmen Zuschauerdummys zum Wegsehen. Irgendwo muss man ja sparen. Gut, konzentriert man sich eben auf die Piste, muss man eh, wenn man nicht im Kiesbett landen will.

Was mich aber zudem noch irritiert hat, ist die Umsetzung des Schadensmodells. Die soll nicht nur Karosserieschäden sichtbar, sondern auch mechanische Probleme bei wilden Fahrten fühlbar machen. Die Gangschaltung kann demoliert werden, Reifenschäden führen zu Traktionsproblemen. Alles realistisch. Aber mein Versuch, mit voller Absicht meinen Wagen zu schrotten, führte zu einem eher demoralisierenden Ergebnis. Auch wenn ich zum zehnten Mal mit Vollgas ein Streckenhäuschen ramme, mehr als ein Sprung in der Scheibe oder ein paar zarte Dellen im Lack waren nicht sichtbar. Fahren ging auch noch, ohne dass ich wirklich Beschleunigungs- oder Steuerungsprobleme bemerkt hätte. Vielleicht habe ich doch noch eine der unzähligen Hilfen aktiviert gehabt, die es mir als Anfänger leichter machen sollen. Aber so fühlte es sich mehr nach "Gran Turismo", als nach einer Hardcore-Simulation an. Der Weg in die sehr zahlreichen Optionen wird dann zum Release hoffentlich noch mehr bieten als das.

Schwer kaputtzukriegen.

Im direkten Vergleich, echtes Auto gegen digitales Pendant, kommt Assetto Corsa schon verdammt nah ran an die Pistenrealität. Mit dem richtigen Setup aus Rennsitz, Lenkrad und Pedalen zeigt die programmierte Fahrphysik ihre Möglichkeiten und lässt mich ein Rennen erleben. Wie es sich mit Standard-Controller auf dem Bürostuhl im Spielzimmer fährt, konnte ich nicht ausprobieren. Aber auch wenn sich die Macher noch so viel Mühe geben, da wird einiges an Emotionen auf der Strecke bleiben. Manche Dinge lassen sich nicht simulieren, jedenfalls nicht so einfach. Trotzdem, Assetto Corsa protzt zwar nicht mit einem riesigen Fuhrpark wie die Quasi-Konkurrenz von "Forza" und "Gran Turismo", bietet aber deutlich mehr Individualität. Jeder Wagen ist anders, muss neu erlernt werden zu beherrschen. Und das macht für mich den ganz großen Reiz aus.

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