Astro Bot im Test: Ein verchromter Sackboy als Mario-Terminator - hättet ihr es gedacht?
Wundertüte aus der Zukunft.
Erledigen wir den unangenehmen Part als Erstes: Astro ist verdammt niedlich, aber er ist kein Sackboy. So rein auf Maskottchenebene betrachtet, lag mir der filzige Handpuppencharme von Media Molecules Sackjungen entschieden mehr. Und dann ist da der leicht verdächtig stimmende Fakt, dass Astro mal eben fast dieselben Dimensionen hat wie Sackboy und auch dieselbe Lust, sich zur Erheiterung anderer als alle möglichen PlayStation-Charaktere zu verkleiden. Es ist fast, als wäre er ein und dieselbe Fig… Moment mal!
Könnte es etwa sein, dass Astro Bot einfach ein Sackboy aus der Zukunft ist? Ja, ich denke, das ist fortan mein Kopf-Kanon für diese Reihe: Die Evolution der Sackleute geht jahrhundertelang friedlich weiter, sie entdecken die Wunder der Robotik und der Raumfahrt, bis am 21. Oktober 3015 ein Spieler im PlayStation-3-Emulator von LittleBigPlanet 2 eine funktionierende Zeitmaschine erschafft, durch die die kleinen Maschinchen in unsere Zeit zurückreisen. Denn, heiliger Bimbam: wie sehr können wir angesichts der Weltlage eine Aufheiterung gebrauchen!
Gute Laune in Serienproduktion
Genau das ist Astro Bot, so als Paket gesehen. Man sagt das so oft, bei dieser Sorte farbenfrohem Hüpfer. Sie seien ein Quell der Freude, manchmal – wenn sie wirklich sehr gut sind – kommen dann noch Adjektive wie “übersprudelnd” oder “superkalifragilistischexpiallegorisch” zum Einsatz. Ich würde vermutlich sagen, dass Astro Bot ein Spiel mit Bubble Tea in den Adern und Knisterkaugummi im Mund ist und damit denken, dass ich eigentlich für heute Feierabend machen könnte.
Aber ja: Astro ist halt einfach ziemlich, ziemlich gut. Das zu erklären, dahinter steckt bei einem einfach gehaltenen und vorwärtsgerichteten Hüpfer, wie das hier einer ist, keine Wissenschaft. Es ist die Gattung wunschlos-glücklich Jump-and-Run, die man im Grunde kaum besser machen kann und für die sich alle, außer Nintendo offenbar, wahnsinnig mühen müssen, um sie auf die Beine zu stellen. Dass Team Asobi nicht den Eindruck erweckt, dafür außerordentlich ins Schwitzen gekommen zu sein, das imponiert.
Ich habe natürlich keinen Einblick in die Entstehungsgeschichte dieses Titels. Aber Astro Bot macht den Eindruck eines Spiels, das mit Zettel und Stift seinen Anfang hatte. Als Liste an Dingen, die einfach Spaß machen, befriedigend sind oder einfach idiotische Wunschträume darstellen, von denen man weiß, dass sie in der Realität nicht umsetzbar sind. Diese Liste hat ein Team mit viel kindlicher Freude Tag um Tag verlängert, Dinge draufgeschrieben, wie “mit Hunderten bunten Bällen eine Wasserrutsche runterschlittern”. Oder “bis zur Hüfte in raschelnden Zuckerstreuseln zu versinken und bei jeder Bewegung regenbogenfarbene Streuselfontänen zu verspritzen”. Kram, wie “einen Slide entlang einer Wäscheleine zu vollführen und dabei klickend die Wäscheklammern zu rasieren”, “die Faust bis zum Handgelenk in klebrigen Sirup zu stecken” oder “sich wie ein Schwamm mit Wasser vollzusaugen und dabei riesengroß zu werden”.
Das geht noch lange so weiter und als jeder im Team wusste, dass es so langsam mal reicht, fingen sie erst richtig an. Sie integrierten all den sympathischen Quatsch in einen Hüpfer, dessen haptisches Feedback jegliche physische Interaktion mit angemessenen und oft erstaunlich subtilen Schütteleffekten quittiert. Eine Welt zum Anfassen, Dagegentreten, Eindellen, Packen, Drehen, Wenden und Schütteln. Man ist schon sehr “dabei”, wenn Astro auf die Suche nach seinen versteckten Freunden geht, als hätte er zu viel Rayman gespielt. Die größte Hilfe dabei sind die wechselnden Gadgets, von denen man in jedem Level nur eines findet, das dann den gesamten weiteren Verlauf der Stage prägt und in der Anwendung fast ausnahmslos sehr lustig ist. Sei es nun der Oktopus, der sich wie ein Heliumballon aufbläst und euch in die Lüfte trägt, oder die Boxhandschuhe, die nicht nur ordentlich austeilen, sondern auch Dinge für euch aus der Ferne greifen können. Cooles Zeug dabei!
Ich will gar nicht so sehr auf Einzelheiten eingehen, denn viele der größten Lacher, die mir dieses Spiel schenkte, sollt ihr ungebremst auch selbst erleben können. Das gilt auch für die vielen, vielen kleinen Astro-Kumpel, die ihr finden müsst und die zentrale Währung fürs Vorankommen im Spiel darstellen. Gut ein Drittel der 300 Figuren, vielleicht mehr, so meine Schätzung, sind mit viel Liebe zum Detail als Helden der PlayStation-Geschichte modelliert und sie verpassen einem regelmäßig einen schönen Nostalgie-Kick, wenn man sie findet. Da sind einige “Deep Cuts” dabei und Sachen, die man lange nicht mehr sah. Dass man im Hub-Bereich an einem Spielautomaten gegen Münzen noch animierte Accessoires für sie “gewinnt”, ist für Leute, die schon seit der ersten PSX-dabei sind, die Kirsche auf dem Cupcake.
Technisch und künstlerisch ist Astro Bot sowieso über jeden Zweifel erhaben. Gerade die Effektarbeit, wenn man etwa wieder kurz die Zeit eingefroren hat, oder die Physik mit Tausenden bewegten Objekten die CPU zum Rauchen bringt, können sich sehen lassen. Das Spiel mit den Dimensionen gelingt Astro ebenfalls mit Bravour und so wirken riesige Charaktere und Objekte auch so, während die Texturen die Stofflichkeit der Levelbestandteile bestens rüberbringen. Noch dazu in 60 FPS.
Astro Bot - Fazit
Wie fasst man das also zusammen? Die unweigerlichen Einwände, Astro Bot sei auch “nur” ein Mario-Derivat, kann ich jetzt schon kommen hören. Und wenngleich sie durchaus zutreffen, so ist Astro dennoch eines der besten Spiele dieser Sorte. Gelten lassen würde ich höchstens, dass Astro ein grundlegend verzeihenderes Spiel als die meisten Marios ist, das einigen Spielenden einen Tick zu einfach sein könnte. Viele Gegner schubsen euch nur und alles, was das Spiel vor euch versteckt, ist auch weniger als sportliche Aufforderung gemeint, euch anzustrengen. Stattdessen ist es gerade so gut vor euch verborgen, dass ihr es findet, bevor ihr mit dem Suchen aufhört.
Bei Astro soll es immer weitergehen, während Mario euch auch gerne mal den Latzhosen-Hintern versohlt. Natürlich hat auch das Sony-Maskottchen ein paar Level, die euch prüfen, eine perfekte Choreografie einfordern. Und sie sind cool. Aber sie findet ihr meist abseits des Weges. Im Kern ist das nicht sein Ding und sowohl Astro als auch ich sind vollkommen fein damit. Vor allem, wenn man Nachwuchs hat, mit dem man sich den Controller hin- und herreichen kann, ist Astro Bot eines der Wohlfühlspiele des Jahres. Und hat man keinen Nachwuchs, ist man sich halt zur Not selbst Kind genug.
Astro Bot also: Ein Spiel, für das es sich gelohnt hat, einen verchromten Sackboy durch die Zeit zurückzuschicken.
Astro Bot | |
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