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Atari – Eine bekannte Marke auf der Suche nach ihrem guten Namen

Neuanfang mit alter Kraft.

Eigentlich wollte ich mir bei Atari nur den Atari 2600+ anschauen. Ihr wisst schon: Die frisch angekündigte neue Version einer Konsole, mit der so manche Beinahe- und Tatsächlich-Rentner ihre Kindheit verbracht haben. OK, sowie so Einige aus der ihnen folgenden Generation. Das 2600 also. Mit seinen einfarbig ausgefüllten Pixeln, jedes gefühlt so groß wie ein Legostein, und seinem in Kunststoff-Lamellen eingelassenen, mehrkantigen Joystick.

Und das habe ich mir natürlich auch angeschaut, fand mich dabei aber schnell in einem längeren Gespräch mit David Lowey wieder, Ataris aktueller Senior Director of Sales and Marketing, als er nicht nur davon erzählte, dass die Hardware neben allen damaligen 2600-Spielen auch die des 7800 frisst und Atari sowohl Klassiker als auch brandneue Titel herausbringen wird. Er gab mir auch einen Einblick in die Strategie, die er und Wade Rosen seit zwei Jahren verfolgen – dem Zeitpunkt, zu dem Rosen die Geschäftsführung übernahm.

So sieht er aus, der neue alte 2600.

Der wechselhaften Vergangenheit des Unternehmens ist sich die aktuelle Führung immerhin bewusst und die würde sie ganz gerne hinter sich lassen. Wie? Indem man davon abgekommen ist, auf tausend Hochzeiten zu tanzen und ohne erkennbare Linie große Titel herauszubringen. Stattdessen konzentriert sich das Unternehmen inzwischen auf eine Art Pflege seiner eigenen Tradition und fängt dabei zunächst klein an. Ataris Vergangenheit habe ja nicht weniger als drei Jahrzehnte Videospielgeschichte mitgeprägt.

Und so sind es derzeit vor allem eher kleine Titel, die in irgendeiner Form neu aufgelegt oder als komplett neue Spiele modern interpretiert werden. Lowey erwähnt die Atari 50: The Anniversary Celebration und hebt die Recharged-Serie hervor, für die kleine Entwickler-Teams Klassiker wie Gravitar oder Yars modern verpackt haben.

Dem Ansehen hat diese bescheidene Fokussierung laut Lowey schon mal gutgetan. Hämische oder gehässige Reaktionen auf eine Ankündigung von Atari gebe es heute jedenfalls kaum noch – tatsächlich gefällt Vielen sogar die Art und Weise, mit der das namhafte Softwarehaus seine Tradition aufrechterhält und dabei gute Titel veröffentlicht.

Und diesem Anspruch ist es auch zu verdanken, dass der 2600+ kein Allround-Emulator ist, auf dem alles läuft, was Atari und andere Hersteller je herausgebracht haben. Immerhin kann man dort ausschließlich Module alter Bauart einstecken, auch wenn die heute bis zu zehn Titel beinhalten.

Ataris Senior Director of Sales and Marketing, David Lowey, stellte auf der gamescom den Atari 2600+ und die neue Strategie des traditionsreichen Unternehmens vor.

Komplett „alte“ Technik steckt also nicht im 2600+, weshalb es laut Lowey „ein gewisses Level an Emulation“ gibt. Praktische alle Spiele sollen aber exakt so laufen, wie man sie von früher kennt – wahlweise im ursprünglichen Format oder im (für mein Dafürhalten furchtbaren) gestreckten Breitbild. Und apropos Unterschiede: Unter anderem aus Gründen der Handlichkeit ist die Konsole auch nur etwa 80 Prozent so groß wie das Original.

So habe ich jedenfalls eine Runde Breakout gespielt, bei dem man wie früher über einen großen metallenen Schalter den Spielmodus selektiert. Das war schon deshalb cool, weil Lowey außerdem diese, separat erhältlichen, Drehscheiben-Controller parat hatte, mit denen man das Paddel, von dem die Kugel abprallt, von links nach rechts schiebt. Ich finde dieses haptische Spielgefühl ja klasse, auch heute noch! Und apropos Gefühl: Atari verbaut nicht zuletzt das gleiche Plastik wie damals in dem einzigen Knopf des Joysticks und anderswo.

Traditionspflege ist heute also angesagt. Weshalb Atari inzwischen auch ganz offiziell das Polymega unterstützt, anstatt krampfhaft nur seine eigene Hardware an Mann und Frau zu bringen. Aus demselben Grund haben Rosen und Co. übrigens auch MobyGames gekauft: Damit die Seite mehr noch als zuvor das IMDB der Videospiele werden kann.

Es macht richtig viel Spaß mit diesen Drehscheiben zu spielen. Dieses Spielgefühl gibt es sonst nirgendwo.

Abgesehen davon gehört inzwischen ja auch Nightdive Studios, das Klassiker wie Turok oder System Shock in unterschiedlich modernisierter Form herausgebracht hat und erst dieser Tage eine Neuauflage von Star Wars: Dark Forces angekündigt hat, zu Atari – was einfach daran liegt, dass Wade Rosen schon früh in Nightdive investiert hatte und sich die Vorstellungen beider Unternehmen in Bezug auf Retro-Gaming und Veröffentlichungspolitik so ähnlich sind, dass sich ein Zusammenschluss irgendwann wie von selbst ergab.

Das ist also ein ganz anderes Atari als jenes, das man aus den Jahren zuvor kannte. Zumal nicht nur an der Spitze inzwischen ein anderes Team die Zügel in den Händen hält. Mir hat zumindest nicht nur das Gespräch mit David Lowey Lust auf die kommenden Jahre gemacht, sondern ich bin tatsächlich auch gespannt darauf, wie sich die Spiele entwickeln.

Schon alleine deshalb, weil ich es als erstaunlich erfrischend empfand, mich neben all der online angebundenen, clever geschriebenen, taktisch ausgeklügelten Exzellenz vieler heutiger Spiele in die dicken Pixel eines Uralt-Jump-and-Run namens, nun: Mr. Run and Jump zu vertiefen, bei dem man mit gerade mal drei Eingaben – links, rechts und springen – seinem ausgebüxten Hund hinterher rennt. Und von dem es ebenfalls eine flotte Neuauflage in schickem Neon für moderne Plattformen gibt.

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