Atomfall ist eine Endzeit-Überraschung, die ich so nicht auf dem Zettel hatte
Sniper Zero Apocalypse.
Der Norden Englands Anfang der 1960er Jahre: Vor fünf Jahren wurde Großbritannien von einer nuklearen Katastrophe heimgesucht – bis hier hin hält sich Entwickler Rebellion (Sniper Elite) an die reale Vergangenheit. Was das Studio allerdings für Atomfall hinzudichtet, das ist die Geschichte um eine Quarantänezone, die es so nicht gegeben hat. Und in der sich Ereignisse zutragen, die einer historischen Analyse wohl nicht standhalten würden.
Denn weil die dort Überlebenden in den vergangenen Jahren abgeschottet vom Rest der Zivilisation zurechtkommen mussten, hat sich ihre Gesellschaft in eine ganz eigene Richtung entwickelt. Es haben sich Fraktionen gebildet, die jeweils eigene Ziele verfolgen, und es sind Mutationen aufgetreten, die einige der Menschen auch äußerlich stark verändert haben.
Mehr wusste ich nicht, als ich auf der gamescom eine frühe Version von Atomfall gespielt habe – einen Teil des Einstiegs, wenn ich das richtig verstanden habe, bei dem man auch im fertigen Spiel nicht wissen wird, wer man eigentlich ist und warum man dort aufwacht, wo man es tut. Weshalb man sich erst einmal orientieren muss.
Denn in Atomfall dreht sich alles darum, den Geheimnissen in dieser Quarantänezone auf die Spur zu kommen. Ein Schauplatz, der weit davon entfernt ist, technische Maßstäbe zu setzen, dessen grüne Wiesen, dicke Felsen und steinernen Häuser zusammen mit dem intensiven Ton aber einen angenehm plastischen Schauplatz zum Leben erwecken.
Es tiefes regelmäßiges Brummen fährt da durch die bergige Landschaft, irgendein Leuchten sehe ich am Horizont und wie erwähnt habe ich keine Ahnung, warum sich all diese seltsamen Dinge dort zutragen.
Um das herauszufinden, kann ich ja von Anfang an tun und lassen, was ich will. Klassische Missionsziele gibt es nicht. Stattdessen finde ich einen Hinweis auf versteckte Vorräte, nachdem ich einfach mal den Berg hinaufgelaufen bin, hinter einem Wasserfall (Klassiker!) etwas Munition und in dem Wrack eines Helikopters die Koordinaten der erwähnten Vorräte gefunden habe.
Ich hätte das genauso gut verpassen und woanders noch ganz andere Entdeckungen machen können. Schwer zu übersehen war allerdings die alte Telefonzelle direkt vor mir, in der eine Stimme nur „Oberon muss sterben“ sagte und mich damit in diese nicht offene, aber weitläufige Welt entließ. Es gibt in Atomfall keinen roten Faden. Es gibt nur diese Hinweise, denen man in beliebiger Reihenfolge nachgehen kann, und die alle irgendwie verbunden sind.
Wie man dafür die acht großen Areale erkundet, bleibt einem komplett selbst überlassen, und das gilt auch für das Meistern der Herausforderungen, denen man dabei begegnet – was unter anderem bedeutet, dass man entscheiden muss, ob man an den zahlreichen Wachen vorbei schleicht, sie im Nahkampf ausschaltet oder mit einer der nach fünf Jahren recht rostigen Waffen.
Okay, rostig vielleicht nicht, aber gut in Schuss sind sie auch schon lange nicht mehr. Munition wird es für die alten Schießeisen sowieso nicht im Übermaß geben, denn Survival ist das von Rebellion ausgegebene Motiv. Wobei man sich übrigens nicht so stark spezialisieren kann wie in Sniper Elite, aber sehr wohl einen bevorzugten Spielstil entwickeln darf.
Weil es bei der Platzierung der Gegnergruppen ein prozedurales Element gibt, sollte man dabei immer auf Überraschungen gefasst sein. Ich erfahre das auf die harte Tour, während ich mich per Holzpaddel mit zwei ebenfalls auf Nahkampf ausgerichteten Feinden anlege. Da taucht nämlich plötzlich ihr versteckter Kumpel auf und erschießt mich einfach.
So schnell hätte ich meinen unhandlichen Revolver aber ohnehin nicht zur Hand gehabt und so zielsicher wäre mein Alter Ego auch nicht gewesen. Das ist ja kein ausgebildeter Spezialagent, sondern zumindest dem Anschein nach ein eher unbedarfter Normalo. Gut, als solcher hätte ich natürlich aufmerksamer Aufklärung betreiben sollen. Fakt ist jedenfalls, dass man Atomfall nicht als beschwingtes Run-and-Gun erleben soll.
Ach, und was die spielerische Freiheit angeht: Es gibt auch friedlich Gesinnte in der Quarantänezone und theoretisch könnte man selbst die erschießen. Ich weiß zwar nicht, warum man das tun sollte, als ich mitten in diesem vermeintlichen Nirgendwo einen Gitarre spielenden Mann treffe. Dass es möglich ist, zeigt aber, mit welchen Ambitionen Rebellion diesen postnuklearen Survival-Thriller erschafft.
Ich bin daher gespannt. Atomfall erinnert mich an Generation Zero, das auch ohne den Aufwand einer Triple-A-Produktion stimmungsvolle Action in einem ebenso trostlosen wie idyllischen Szenario inszenierte. Seine recht einzigartiges Atmosphäre hatte mich schnell in ihren Bann gezogen und ich freue mich nach diesem ersten Eindruck darauf, zu dem noch nicht genannten Releasezeitpunkt vollständig darin einzutauchen.