Baldur´s Gate Enhanced Edition – Test
Ein echter Klassiker wurde teurer, aber nicht unbedingt besser.
Ich bin hundertprozentig für eine vielleicht nicht ganz zeitgemäße Überarbeitung - 3D muss nun wirklich nicht sein -, aber doch eine nicht nur in der Auflösung leicht hochgezogene, sondern wirklich neu modellierte Version von Baldur´s Gate. Etwas, worüber wir dann wunderbar streiten können, ob es denn nun besser ist oder nicht, schöner oder nicht, besser funktioniert oder nicht. Und ehrlich gesagt ist es auch das, was ich von der Enhanced Edition in gewisser Weise erwartete. Aber nicht bekam, denn es ist eine in der Auflösung leicht hochgezogene Version, aber sonst hat sich erstaunlich wenig getan.
Es gibt eigentlich keinen Grund, so eine neue Fassung des Spiels zu veröffentlichen, die eigentlich sonst kaum mehr schafft, als ein paar Inventar-Ideen aus dem zweiten Teil aufzunehmen, drei neue Charaktere in den Mix zu werfen und einen etwas zu losgelösten Horde-Modus zu präsentieren. Das ist mit der Enhanced-Version geschehen. Die Lage würde anders aussehen, wenn das Original kaum zu ergatterndes eBay-Gold wäre und, selbst wenn man es abschoss, ohne eine Hypothek aufzunehmen, kaum zum Laufen zu bewegen wäre.
Wozu eigentlich der ganze Aufriss?
Das ist nicht der Fall. Ihr bekommt eine CD-Version recht günstig und könnt sie mit ein wenig Geduld zum Laufen bringen. Geht auch unter Windows 8. Aber wozu, schließlich gibt es die Freunde von Good Old Games, die Baldur´s Gate ebenfalls mit dem Tales-of-the-Sword-Coast-Add-On als Komplettpaket mit Soundtrack und Handbüchern regulär für 10 Dollar verkaufen, also ziemlich genau die Hälfte der für die Enhanced Edition geforderten 20 Dollar. Packt noch ein paar Community-Mods dazu und ihr habt sogar die Auflösung. Die Enhanced Edition bietet einfach ziemlich wenig, was es nicht für kleineres Geld eh schon gäbe.
Würde es wenigstens perfekt laufen, würde ich nicht einmal etwas sagen, aber auch das ist nicht der Fall. Es stürzte auf drei verschiedenen PCs immer gerne mal wieder ab. Mal wechselte es das Gebiet und verabschiedete sich, mal reichte ein Ausflug in das aufgeräumtere Inventar. Gut ein Dutzend oder mehr Hänger in ebenso vielen Stunden liegt weit über meiner GoG-Installation. Wirklich stabil läuft nur das Black-Pit-Abenteuer, der besagte Horde-Modus, der euch in 15 Runden gegen immer stärkere Monster antreten lässt. Dieser Modus findet komplett außerhalb der eigentlichen Handlung statt, insoweit muss ich wenigstens nicht entscheiden, ob er gut oder schlecht eingebunden wurde. Er ist einfach nur angetackert. Ganz nett und gar nicht mal schlecht erzählt, aber auch nicht der große Kracher. Da spiele ich lieber noch mal eine Runde Icewind Dale.
Die Wegfindung ist immer wieder eine Katastrophe. Meistens läuft alles gut, nur damit dann wieder zwei aus der Party an einer Ecke, Tür oder sonst was hängenbleiben und nur befreit werden können, indem man immer wieder vor und zurück geht. Die alte Option für eine bessere - und damals hardwarehungrige - Wegfindung gibt es nicht mehr, es scheint also das Beste zu sein, wozu die Enhanced Edition in der Lage ist. Ein paar Mal kam es vor, dass die ganze Party immer komplett angewählt blieb, was den ganzen Kampf ruinierte und auch nicht endete, bevor ich das Spiel neu startete. Schwach. In freudiger Erwartung vieler schöner Patches. Bis dahin: schwach. Das Original hat nicht mit diesen Dingen zu kämpfen.
Tropfen in den Ozean
Die neuen Zwischensequenzen sind nett, aber kaum relevant. Die drei neuen Figuren sind gut geschrieben und vor allem auch so vertont, aber in einem derart gewaltigen Spiel kaum mehr als ein Tropfen in einen Ozean. Es ist schön, sie zu haben, aber kaum ein entscheidendes Kriterium. Etwas, was man verbessert nennen könnte, störte mich: Nicht erkundete Gebiete sind im Original schwarz und nicht zu sehen. In der neuen Version sind nur die NPCs und Monster ausgeblendet, die Landschaft ist ausgegraut erkennbar. Ich empfand das komplette Offenlegen von Schwarz zu sichtbar als befriedigender, aber diese Wertung überlasse ich gerne jedem selbst.
Selbst im Multiplayer wurde nichts groß verändert. Neue wie alte Version brauchen eine direkte IP-Verbindung, einen Browser oder ein Hub für offene Spiele, die vielleicht noch Helden suchen, gibt es nicht. Ihr müsst euch also nach wie vor mit Freunden absprechen und diesen etwas umständlichen Weg der Verbindung gehen. Es funktioniert, aber das tat es vor Jahren auch schon. Eine Lobby soll irgendwann in einem zukünftigem Update folgen. Wann genau, ist noch unbekannt.
Mein Urteil dürfte damit klar sein: Diese Enhanced Version ist nicht mal annähernd "enhanced" genug, um wirklich relevant zu sein. Das Original ist beliebig verfügbar und lauffähig und sogar mit nur wenig Mühe auf den gleichen grafischen Level für höhere Auflösungen zu bringen. Die Black Pits, die neuen Figuren, die handgezeichneten Zwischensequenzen, das ist alles fein, aber es macht das Spiel weder besser noch wirklich anders. Sorry und so leid es mir tut. Die Welt brauchte die Baldur´s Gate: Enhanced Edition so nicht. Es ist eine vertane Chance, das Spiel wirklich aufzupolieren. Das wäre riskanter, spannender und vor allem in irgendeiner Weise relevant gewesen. So? Wozu? Good Old Games hat wahrscheinlich bald wieder seinen Weihnachts-Sale, da könnt ihr dann Baldur´s Gate 1 und 2 zusammen mit Planescape und Icewind Dale für das gleiche Geld schießen.
Eine Sache gibt es dabei jedoch zu beachten: Die Enhanced Edition hat das deutsche Sprachpaket dabei, Good Old Games bietet das nicht. Wenn ihr es sonst auf Deutsch spielen wollt, müsst ihr eine deutsche Version auf CD irgendwoher kaufen. In diesem Falle könnt ihr der Enhanced Edition einen Aufschlag im Geiste geben, auch wenn das natürlich die anderen Schwächen nicht wirklich mildert.
Jetzt zu der Wertung da unten: Es ist immer noch Baldur´s Gate und damit ein bis heute spielenswertes Erlebnis, gerade was die Party-Dynamiken, Texte und taktischen - manchmal auch vom Würfelglück etwas zu abhängigen - Kämpfe angeht. Ende der 90er ein großer Schritt für das damals siechende Hardcore-RPG-Genre, heute immer noch ein echtes Vergnügen für jeden, der seine Rollenspiele groß, anspruchsvoll und vor allem ganz klassisch im Setting mag. Die folgenden Spiele wie sein Nachfolger oder das unsterbliche Planescape überboten diese Vorlage dann noch einmal, aber auch im Angesicht dessen kann Baldur´s Gate immer noch sehr gut auf seinen eigenen Füßen stehen. Und sobald die Enhanced Edition endlich stabil läuft, noch ein paar Macken ausbügelt, dann bekommt sie auch die Wertung, die das Spiel eigentlich verdient. Und selbst dann ärgere ich mich über diese vertane Chance, etwas Mutiges und Interessantes zu schaffen. Denn selbst wenn sie vernünftig läuft, braucht eigentlich niemand diese Ausgabe wirklich.
In Kürze werde ich mich in einer Retrospektive nochmal Baldur´s Gate und den anderen AD&D-Spielen inhaltlich ausführlicher widmen.