Banjo-Kazooie: Schraube Locker
Dänenplastik Reloaded
Um ein Beispiel zu nennen, galt es, eine große Statue vor angreifenden Flugzeugen zu schützen. Ihr könnt es mit einem wendigen, mit Kanonen bestückten, schnellem Wagen probieren, der die Angreifer rechtzeitig unter Feuer nimmt. Trickreich, aber machbar. Oder Ihr entwerft eine Kreuzung aus Garage und Panzer, kippt die Statue kurzerhand um und stellt Euch schützend über sie. Hoffentlich habt Ihr genug Platten an der Oberseite verbaut. Ich selbst löste das Problem, indem ich einen Transportheli entwarf, die Statue kurzerhand einlud und die zwei Minuten des Angriffs einfach durch Ausweichmanöver in der Luft überstand. Gut, dass die Statue erst in der drittletzten Sekunde herunter fiel und noch nicht am Boden aufschlug, als der Zähler auslief… gewonnen ist gewonnen.
Nicht jede der grob geschätzt 100 Aufgaben und Minimission lädt zu so viel Kreativität zu. In einem simplen Autorennen macht es sich sicher am Besten, einfach ein schnelles Geschoss zu konstruieren - eine recht eindeutige Grundprämisse, die den Freiraum bei den Details bietet. Über Langeweile werdet Ihr nicht klagen können. Rennen, Sammeln, Verteidigen, Angreifen, Suchen, Bringen, Holen und eine Reihe Aktivitäten, die sich nicht direkt kategorisieren lassen. Beispielsweise Dinge in der Richtung von „aufblasbare Schafe hüten“. Nur sehr selten wird es vorkommen, dass Ihr bei den im weitesten Rahmen der Freischalterei auswählbaren Challenges zwei ähnliche in Folge spielt.
Auf der einen Seite bringt dieses System der in riesenhaften Leveln verteilten, frei herauszupickenden Aufgaben viel Freiheiten für das mit, worauf Ihr Lust zu spielen habt. Auf der anderen Seite zeigt es Schraube Locker deutlich als das, was es ist: Ein großer Sandkasten.
So gewaltig die schieren Ausmaße der Areale ausfielen, so zahlreich die Aufgaben sind, Schraube Locker fühlt sich dennoch nie nach einem großen Spiel an. Ihr erledigt stets Kleinigkeiten und selbst die gelegentlichen Endkämpfe gegen die böse Hexe fühlen sich klein an. Nie stellen sich Eure Vehikel wirklich großen Herausforderungen, die länger als die paar Minuten dauern.
Ab der Hälfte des Spiels zieht der Schwierigkeitsgrad drastisch an und für vieles werdet Ihr eine ganze Reihe von Versuchen brauchen, bis die richtige Mischung aus Handwerk und Geschick gefunden wurde. Das ist nicht das Problem. Einen echten, längeren Level oder eine fortschreitende Storyline kann trotzdem keines der Minigames ersetzen. Ihr arbeitet Euch durch die Aufgaben, schaltet neue Welten, Level und Minigames frei, aber es ist kein fließender Prozess, sondern ein Abarbeiten nach Nummern. Ihr wisst vom Start weg, wie viele Herausforderungen bis zum „Sieg“ zu sammeln sind. Der gesamte Weg durch das Spiel ist von Anfang an vorgezeichnet. Überraschungen? Fehlanzeige.
Damit eignet sich Schraube Locker allerdings wunderbar als Spiel für zwischendurch. Einfach ein wenig schrauben, herumforschen und vielleicht ein wenig sammeln. Und Rares Talent für ironische Eigenliebe genießen. Seitenhiebe auf Ghoulies schlechte Verkaufszahlen hier, Pinata- und natürlich Banjo-Anspielungen dort, die optische Schönheit funktioniert in der Größe wie in den Details. Selbst wenn hier und da winzige Ecken der Welt ein wenig wie N64-HD wirken oder kleine Ruckler die Freude an Showtown und dem Multiplayer-Splitscreen etwas trüben.
Das Lego-Kisten-Feeling tritt im Multiplayerteil so richtig zu Tage. Motto: „Mein Rennwagen ist viel besser als Deiner!“. Nun, beweist es - in einer Vielzahl kleiner Games, die Ihr On- und Offline mit anderen Spielern teilen dürft. Es kann ein echtes Vergnügens sein, aber nur sofern ambitionierte Baumeister aufeinander treffen. Einfach nur mit generischen Fahrzeugen zu spielen, langweilt schnell. Als Spiel für zwischendurch mit einem Freund, dem man einfach das zweite Pad in die Hand drückt, funktioniert Schraube Locker daher nicht besonders gut. Ihr müsst zu lange erklären, wie denn jetzt was funktioniert.
Wertvoller als die eigentlichen Onlinespiele dürfte die Möglichkeit sein, Blaupausen freizugeben oder die Werke anderer zu testen. Und kommt Ihr mal nicht weiter, hat vielleicht schon jemand ein simpel zu speicherndes Video bereitgestellt, das seine Lösung zeigt.
Die Zielgruppe von Banjo-Kazooie: Schraube Locker zu definieren, fällt leicht. Mochtet oder mögt Ihr dänische Plastiksteine und wollt diese Liebe ungebremst digital in einer farbenfrohen Welt ausleben, dann ist dies Euer Spiel. Seid Ihr dagegen auf der Suche nach einem harten Jump´n´Run mit knackigen Endgegnern, endlosen Leveln und hegt keine Bauambitionen, dann werdet Ihr mit dem Retro-Release des Originals auf Live Arcade sicher besser hüpfen.
Rare tobt sich in ihrer eigenen Kreativität aus und setzt Euch auf einen Spielplatz aus, ohne jedoch übertrieben viel Rahmen zu bieten. Es als Rohbau zu bezeichnen, dem der Inhalt fehlt, ginge sicher zu weit. Einige Schritte in die Richtung wagt Schraube Locker aber schon. Gut, dass Euch die all die Herausforderungen und Basteleien sehr lange beschäftigen und mit dieser Rare-eigenen Magie erfreuen, bevor Ihr das feststellt.
Banjo-Kazooie: Schraube Locker ist ab dem 14. November nur für Xbox 360 zu haben. Zu einem freundlichen ca. 50 Euro-Preis. Und in den USA sogar für 40 Dollar. Das ist wohl der „Bye Bye Bush“–Freudenrabatt, den man sich dort gönnt.