Baphomets Fluch 5: Der Sündenfall, Episode 1 - Test
Kaum in Fahrt, schon vorbei. Ich hänge am Cliff und grüble über Wischmopps in Jackentaschen.
Adventures - wo sonst kann man sich volle Kaffeebecher in die Sakkotasche stecken, ohne hinterher ein Vermögen für die Reinigung blechen zu müssen? Nicht anders verhält sich das in 'Baphomets Fluch: Der Sündenfall', obwohl die Entwickler von Revolution Software das Gepäck ihrer Helden stets klein zu halten versuchen. Manchmal fast zwanghaft.
Da steht der gute alte George Stobbart vor einem Schreibtisch voller nützlicher Dinge und weigert sich vehement, irgendetwas davon einzustecken. Tintenfüller, Reißzwecken oder Klebeband? Jeder andere Adventure-Recke hätte sofort zugegriffen. Nicht aber Stobbart. Damit könne er sich ja "die Tasche versauen", so sein Argument. Lustig. Fünf Minuten zuvor schob er noch bedenkenlos ein fettiges Pizzastück in seinen Anzug. Dort ist Platz für eine Flasche Cola, Kaltwachsstreifen, Decken, Brecheisen, Kekse, Whisky, rostige Ketten, Kakerlaken, Diamantringe, Drähte, Wollknäuel, Statuen und andere Kostbarkeiten - nur eben nicht für den Füllfederhalter. Vielleicht wäre es ehrlicher gewesen, den Kerl metahumorig antworten zu lassen: "Sorry, das steht nicht im Skript."
Das hätte mir die Immersion auch nicht mehr verhagelt als die sonstigen Zaubertricks der Hauptfiguren. Stobbarts Partnerin Nicole 'Nico' Collard schießt einige Szenen später den Vogel ab: Da schrubbt sie den Boden ihres Zimmers mit einem Mopp, um einen Blutfleck zu beseitigen. Als George durch die Tür tritt, lässt sie den Wischer mit Stumpf und Stiel in ihrem Blazer verschwinden. Einfach so! Beiläufig! Als ob das völlig normal wäre! Ist den Animationskünstlern das Geld ausgegangen, oder weshalb konnte Nico den Mopp nicht in einer Ecke entsorgen?
Ich weiß: Ein magisches Inventar gehört zur Logik des Genres und ich würde mich normalerweise nicht weiter daran stören. Doch hier beißt sich der gedankenlose Einsatz dieser Spielmechanik mit dem pseudo-realistischen Verschwörungs-Krimi-Szenario. Als ob Dan Browns Romanheld Robert Langdon mal eben die Mona Lisa mitsamt Rahmen in seine Hosentasche stopft.
Einmal Sakrileg zum Mitnehmen, bitte.
Wäre das der einzige Makel an 'Baphomets Fluch: Der Sündenfall' (oder wie es im Englischen heißt: Broken Sword: The Serpent's Curse), ich würde die Sache mit dem Inventar als kleinen Fauxpas abhaken und das Adventure uneingeschränkt empfehlen. Die Geschichte wurde mit zahlreichen realen Fakten unterfüttert. Dank der soliden Recherche fühlt man sich in ihren starken Momenten an Dan Brown oder Agatha Christie erinnert:
Versicherungs-Ermittler Stobbart und die Journalistin Nico laufen sich in einer Pariser Galerie über den Weg, als der Galerist vor ihren Augen erschossen und ein scheinbar wertloses Bild namens "La Malédiction" gestohlen wird. Gemeinsam verfolgen die routinierten Adventure-Veteranen die Spur des geheimnisvollen Mörders und kommen dabei einer Verschwörung um die Gemeinschaft der Gnostiker auf die Spur. Mord, Diebstahl, Sabotage, inkompetente Polizisten, Affären, Tarnfirmen, Fälscher, religiöse Orden, zwielichtige russische Magnaten, die sich mit Muammar Al-Gaddafi fotografieren lassen und das drohende Weltende - dieser Plot enthält alle Zutaten für einen Hollywood-Blockbuster. Trotzdem bleibt der Spannungsbogen ernüchternd flach, obwohl das Spiel sogar in einem Cliffhanger endet. Laut Revolution-Chef Charles Cecil reichte der Stoff nämlich für zwei Spiele. Da man aber bereits einen Release in 2013 versprochen hatte, entschied man sich für die Zwei-Episoden-Lösung. Das Finale soll Januar 2014 erscheinen.
Leider gibt es noch diverse Scharten, die mich stören: Die hölzernen Animationen der Protagonisten, die stotternde Engine während der Dialogsequenzen, ein paar unlogische Plot-Stopper, die ausgesprochen kurze Spielzeit und eben auch die Aufteilung des Titels in zwei Episoden. Zusammengenommen machten mir diese Punkte die zuvor so liebevoll aufgebaute Atmosphäre wieder kaputt. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier nicht genügend gefeilt wurde und man den Titel (oder zumindest den ersten Teil) zu früh rausgehauen hat. Da das Projekt mit 771.560 Dollar fast das Doppelte der angepeilten Finanzierung auf Kickstarter sammelte, finde ich Letzteres besonders enttäuschend.
Wenigstens hat man sich bei Revolution Software die Kritik an den beiden direkten Vorgängern zu Herzen genommen. Man verabschiedete sich von 3D-Engine, hakeliger Steuerung, ungeschickten Kamerawinkeln und fummeligen Action-Adventure-Einlagen und kehrte zurück zu den Wurzeln mit gezeichneten Hintergründen und einer Point-and-Klick-Steuerung. Wer Teil eins und zwo mochte, der darf sich darüber die Hände reiben.
Die steifen Bewegungen der Figuren erinnern an Billigmachwerke koreanischer Animationsfilm-Fließbänder.
Die gezeichneten Hintergründe wirken authentisch und beeindrucken durch ihre Detailfülle. Die Protagonisten wurden hingegen allesamt in 3D gerendert und als 2D-Sprites in die Spielwelt platziert. Keine Spur mehr vom 'Don-Bluth-für-Erwachsene', wie Alex das in seiner Vorschau treffend nannte. Die 3D-Modelle sind natürlich budgetfreundlicher - nicht unerheblich bei einem Kickstarter-Titel. Doch während ich den etwas sterilen Look der Charaktere noch verschmerzen könnte, erinnern mich ihre steifen Bewegungen an die Billigmachwerke koreanischer Animationsfilm-Fließbänder. Außerdem kommen zu viele und zu kurze Schleifen zum Einsatz: Sitzen die Helden beim Kaffee, schlürfen sie alle fünf Sekunden abwechselnd aus der Tasse. Stehen sie herum, gucken sie pro Minute zigmal auf ihr Smartphone. Erinnert an die schrulligen Ticks, die man aus Loriot-Cartoons kennt.
Die Animationen schauen aber nicht nur hölzern aus - sie werden auch lästig. Die Figuren müssen ihre begonnenen Animationsphasen immer erst zu Ende bringen, bevor man mit ihnen sprechen oder interagieren kann. Wenn Stobbart Sergeant Moué anspricht und dieser erst noch seinen Notizblock einstecken muss, wirkt das einfach nur unpassend und zeitraubend. Genauso wird schnell nervig, dass die Helden manche Handlungen mehrfach wiederholen oder von Punkt A zu Punkt B gehen müssen und sich die nötigen Animationsphasen nicht überspringen lassen. Zudem scheint die Engine Probleme beim Nachladen der richtigen Soundfiles zu haben. Die Sprechpausen während mancher Dialoge sind jenseits von Gut und Böse.
Blättere um, verdammt!
Die Rätsel-Bandbreite reicht von simplen Dialogpuzzeln bis hin zu knackigen Denksportaufgaben, für die man Stobbart und Nicole gleichzeitig bemühen muss. Man darf allerdings nicht selbstständig zwischen den Helden wechseln, sondern wird vom Skript in die jeweilige Haut gesteckt. Die Synchronsprecher in Deutsch, Englisch und Französisch (jederzeit umschaltbar) leisten solide Arbeit.
Gut gefallen hat mir, dass ich für manche Puzzles tatsächlich Papier und Stift bemühen musste, und mit stupidem "Klick-auf-alles" nicht weitergekommen wäre. Auch toll, dass das Smartphone im Inventar regelmäßig zum Einsatz kommt, um sich mit den anderen Charakteren auszutauschen und damit neue Dialogoptionen freizuschalten. Manche Rätsel rissen mich allerdings aus dem Fluss, weil ich einen umständlichen Lösungsweg wählen musste, obwohl im Inventar sinnigere Gegenstände auf ihren Einsatz warteten. Ein No-Go sind außerdem Rätsel, bei denen man pixelgenau einen bestimmten Punkt mit der Maus erwischen muss, damit sich der Zeiger in das erforderliche "Zahnradsymbol" zum Interagieren verwandelt. So habe ich gefühlte Ewigkeiten nach der richtigen Stelle gesucht, um die Seite einer Mappe umzublättern.
Vorbildlich funktioniert dafür die Hilfefunktion. Die bietet einem auf Wunsch abgestufte Hinweise von schwammig bis exakt, sodass kein Rätsel ungelöst bleibt. Doch auch wenn ihr diese Krücke meidet, werdet ihr vermutlich nicht länger als fünf Stunden bis zum Abspann brauchen. Der kommt ein bisschen abrupt und just, "wenn es endlich richtig spannend wird." So stehe ich am Schluss mit einem Inventar voll ungenutzter Gegenstände da und habe mehr Fragen als Antworten. Vielen Dank. Weiter geht's nächstes Jahr.
Damit sind wir bei der eigentlichen Krux von 'Baphomets Fluch: Der Sündenfall' angelangt. Der Titel wirkt noch unfertig, der wohlrecherchierte Plot kommt zu spät in Gang und das plötzliche Episoden-Ende wirkt daher alles andere als befriedigend für ein 20-Euro-Spiel (Steam). Auch wenn ich über kleinere Plot- und Logikschnitzer oder Animations-Murksereien hinwegsehen kann: Drei bis vier knackige und ein paar Pillepalle-Rätsel sind mir nicht so viel Geld wert. Nostalgische Gefühle hin oder her. Für sich alleine betrachtet, bleibt die erste Episode milder Durchschnitt. Erst das Gesamtpaket im nächsten Jahr dürfte das Adventure wieder herausreißen. Ganz ungeduldige Fans können natürlich trotzdem schon zugreifen, falls sie das Projekt nicht sowieso auf Kickstarter unterstützt hatten. Immerhin gibt es den zweiten Teil umsonst für die Käufer von Episode eins. Demnächst folgt außerdem eine Umsetzung auf iOS, Android und PS Vita.