Battleborn: Warum der Vergleich mit Overwatch hinkt
Und neue Eindrücke aus der geschlossenen Early-Access-Phase.
Aus der Ferne sieht es nach schierem Wahnsinn aus, ein heldenbasiertes Actionspiel im selben Monat zu veröffentlichen wie Blizzard. Was hat 2K da geritten? Nun, eigentlich nur der Wille, sein eigenes Spiel zu machen und sich von der Konkurrenz nicht beeinflussen zu lassen. Was dabei herausgekommen ist, ist ein Titel, der trotz einer vergleichbar farbenfrohen Ästhetik und eines ähnlichen Fokus auf überzeichnete Charaktere mit asymmetrischen Fähigkeiten eine komplett eigene Identität hat. Die muss man persönlich nicht mögen, schon klar, aber ihm wegen der zeitlichen Nähe zur neuen Marke der Diablo-Macher die Existenzberechtigung abzusprechen, ist doch ein wenig voreilig.
Denn wenn man beide einmal spielte, merkt man, mehr Äpfel und Birnen geht nicht. Overwatch setzt strikt auf Versus-Modi und sucht seinen Spaß direkt unter der Oberfläche eines fantastisch aussehenden und in seiner Fortbewegung irre fließenden Shooters. Schnelle Kills in Matches überschaubarer Dauer. Die Ziele sind einfach zu erfassen - es ist die Sorte Erlebnis, die sich perfekt für zwischendurch eignet und gleichzeitig eine Lernkurve bietet, um auf lange Sicht nicht kurzatmig zu wirken. Es ist im Grunde ein einfach gestricktes Spiel, das sich nur zwischen den Partien um Progression und dann auch nur um kosmetische Individualisierung kümmert. Bei aller Albernheit wirkt es schlank und elegant, Simplizität als Stärke. Es gibt viel zu lieben an Overwatch, als ob das bei Blizzards Vermächtnis noch jemanden wundern würde.
Aber das bedeutet nicht, dass Battleborn im umkämpften Mai keine Chance hätte, sich inhaltlich deutlich von der Konkurrenz abzugrenzen: Es fühlt sich einfach komplett anders an, will andere Dinge. Zunächst einmal hat Battleborn eine Kampagne, die zu fünft im Koop-Modus gespielt werden kann. Im Versus ist es in seinen deutlich längeren Partien langsamer und gleichzeitig chaotischer, weil auf den Schlachtfeldern exponentiell mehr los ist als in Blizzards Ballerarenen. Der Spieler peitscht 25 Battleborn durch ihre eigene Charakterprogression, steigt als Kommandant der Kampfgeborenen selbst noch im Rang auf und Ausrüstungsgegenstände bieten neben den Kostümen und Taunts, die auch Overwatch in petto hat, auch in Sachen Spielbarkeit zu Felde taktische Anpassungsmöglichkeiten, die man einsetzen kann oder eben nicht.
Es ist ein stetes Tauziehen und ein Abwägen, wie man seinen Charakter im laufenden Kampf formt, wo man seine Verteidigung aufbaut und welchen Kurs man fahren will. Im Team gespielt, ist das hier beinahe genau so sehr ein Taktikspiel wie ein Shooter, wo sich Overwatch viel näher an Team Fortress bewegt. Battleborn ist - völlig wertfrei gemeint - komplexer, ohne kompliziert zu werden (das wiederum ist durchaus ein Kompliment). Ihm liegt es eben nicht an Schlankheit und Eleganz, sondern an Substanz. Beides sind vollkommen valide Wege, einen Mehrspielertitel mit bunten, comicartigen Helden auf die Spieler loszulassen. Ja, sogar im selben Monat, denn dort enden die Gemeinsamkeiten. Inhaltlich sprechen sie schlicht ganz andere Affinitäten an und können gut nebeneinander existieren. Zu sagen, eines von beiden wäre überflüssig, das ist, als würde man kein Deus Ex neben Half-Life dulden.
Ob das am Ende den Markt interessiert, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Ich für meinen Teil wollte nur einmal übersichtlich die Unterschiede klargestellt haben, nachdem ich seit Dienstag schon wieder reichlich Stunden in die geschlossene Early-Access-Phase von Battleborn (aktuelle Eindrucke zum anderen Spiel lest ihr in Markus' Overwatch-Vorschau) stecke. Neue Maps, ein neuer Level aus der Kampagne und ein frischer Spielmodus stehen hier aktuell zur Verfügung und bestätigen nur das Gefühl, dass dieses Spiel sein eigenes Ding durchzieht.
Nachdem ich mittlerweile mehr Stunden in diese Testphase gesteckt habe als in so manches Vollpreisspiel, muss ich allerdings sagen, dass mit eine Sache an Battleborns Progressionssystem ein wenig stört: die Art und Weise, wie man an Ausrüstung kommt. Schon jetzt macht mich die Aussicht, zum Verkaufsstart des Spiels die ganzen Story-Level noch einmal nach Ausrüstungsgegenständen abzuklappern, ein bisschen Grind-müde. Klar, auch bei Aufstiegen im Kommandorang bekommt man neues Loot und mit den überall erspielten Münzen kann man die Pakete auch im spielinternen Store erstehen (keine Mikrotransaktionen, nur Spielgeld!). Aber das stumpfe Kaufen von Beutepacks im Menü fühlt sich einfach nicht so gut an, wie im laufenden Spiel ein seltenes oder episches Ausrüstungspaket zu finden.
Natürlich, die Ausrüstung ist nur ein Teil der Progression und mit erhöhten Schwierigkeitsgraden werde ich vielleicht doch noch einigen Spaß aus dem Koop-Modus ziehen, aber eine Halbwertszeit hat er offenbar schon. Vermutlich liegt das nur in der Natur der Sache. Gleichzeitig habe ich jedoch irgendwie das Gefühl, Ausrüstung liegen zu lassen, die eigentlich nur auf mich wartet, wenn ich die Story nicht länger spiele als unbedingt nötig. Aber warten wir es ab. Dieses Spiel lebt ohnehin vor allem im Fünf-gegen-fünf und so oder so ist die Art und Weise, wie ein Online-Spiel wann welches Loot fallen lässt, stets ein durchaus beweglicher, formbarer Posten. Sobald 2K die gesammelte Interessentenschar auf Battleborn loslässt, wird sich sicher von selbst herauskristallisieren, wie diese gerne ihre Upgrades serviert hätte.
Mittelfristig ist es aber kein Problem, denn wie gesagt ist eigentlich das Gegeneinander Brot und Butter dieses Spiels. Zwar spricht auch der neue Koop-Level (den ihr oben im Einzelspielermodus im Video sehen könnt) dafür, dass Battleborn das Zusammenspiel der Figuren und seine lustigen Gegnerdesigns immer wieder gekonnt für Eskortmissionen oder Arenaschießereien mit kurzfristig wechselnden Zielstellungen remixt. Aber in erster Linie hatte es mir diese Woche der neue Capture-Modus angetan, bei dem es auf der ebenfalls frischen Tempelkarte ganz klassisch darum geht, mithilfe von Geschützen, Heilstrahlen und Bremslasern möglichst viele von drei Kontrollpunkten zu erobern und zu halten, bis der Punktezähler Vierstelligkeit erreicht.
Das kennt man im Grunde aus vielen anderen Games auch, betont hier aber nur noch einmal, wie viel Bewegung in diesem Spiel steckt. Atemlos watzt man von einem Haltepunkt zum nächsten und schlägt unterwegs die Schlachten, wo sie einen erwischen - und versucht, sie dorthin zu verlagern, wo man sie auch gewinnen kann. Die Maps sind und bleiben strikt symmetrisch, was die neuen Meltdown- und Incursion-Karten - Coldsnap und Echelon - einmal mehr belegen. Visuell wird hier viel Abwechslung geboten, die die großen, verzweigten Arenen lange frisch halten dürfte. Incursion bleibt mit seinen lang gezogenen, sich manchmal etwas ziehenden Maps ein wenig mein Sorgenkind, aber das sind in Sachen Balance vielleicht nur Millimeterfragen, die schon mit dem Launch ganz anders aussehen könnten.
Zudem konnte ich mehr Erfahrung mit weiteren Charakteren sammeln: Vogelmann Benedict stellt sich als zeitweise fliegender Favorit heraus. Todesroboter Isic und der verrückte Wissenschaftler Kleese sind ebenfalls erfrischend unkonventionell und Space Pinguin mit Mech-Anzug, Toby, könnte in Sachen Design ein neuer Fan-Liebling werden. Von riesig-humanoid über quaderhaft-vielbeinig bis hin zu klein, flink und vielarmig ist die Vielfalt Battleborns sehr beachtlich und diese grundverschiedenen Skills und Ultimates zu benutzen, ist sehr befriedigend.
Dieses Spiel ist immer noch ein dummes und gleichzeitig kluges, stellenweise sogar glorreiches Durcheinander. Nur gelegentlich kippt es in Richtung Unlesbarkeit, aber dann hat man meistens schon vorher was falsch gemacht, sich inmitten einer dichten Partikelwolke wiederzufinden. Ich bin nicht mal sicher, ob ein aufgeräumteres Design nicht am Ende doch auf Kosten des anarchischen Charmes ginge.
Also, da habt ihr es. Die Frage, wie sich Overwatch und Battleborn unterscheiden, ist hiermit hoffentlich fürs Erste geklärt: Beide gleichen sich weit weniger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat - und das ist gut so. Im Mai klopfen wir sie dann in ihrer finalen Version jedes für sich tiefergehend auf ihre individuellen Stärken und Schwächen ab.