BattleForge
Strategie im Sammelwahn
Wie zu groß geratene, überdimensionierte Eichhörnchen sitzen Tausende Männer, Frauen und Heranwachsende auf gewaltigen Müllhalden moderner Entertainment-Produkte. Hunderte Tonnen Plastik in Form von Ü-Ei-Figuren, Modell-LKWs, Star-Wars-Devotionalien und Table-Top-Spielzeugen versperren die Sicht auf die gutbürgerliche Einbau-Schrankwand Eiche-Braun. Ganze Wälder mussten ihr Holz für Superhelden-Comics, Auto-Kataloge und Sammelkarten opfern.
Alles was sich katalogisieren, in Regale stellen oder in einen zeitlichen Kontext setzen lässt, wird gesucht, gekauft und gehortet – bei mir sind es Comics, Filme, Warhammer-Bücher und, oh Wunder, Computer- und Videospiele. Angetrieben von der Lust nach Perfektion werden Tausende Euro aus dem Fenster geworfen, um mit einem neuen Objekt der Begehrlichkeiten dem eigenen Leben Sinn zu verleihen.
Dieser mächtige Sammeltrieb, der seit Urzeiten die Menschen bewegt, spielt auch bei Spielen eine wichtige Rolle. Insbesondere Rollenspiele leben von dieser Suche nach dem perfekten Ausrüstungsgegenstand, der nächsten, epischen Rüstung oder einem besonders mächtigen Schwert. Doch der Höhepunkt dieser perfiden Spielmechanik stellen Sammelkarten dar.
Hier wird das einfache Feature zum tragenden Element. Egal ob Magic, Pokemon oder Vampire, für ein paar Euro bekommt der geneigte Süchtige ein paar Karten geliefert, die mit viel Glück in seine Sammlung passen. Und die er anderen Wahnsinnigen im Spiel um die Ohren pfeffern kann. Ein wenig Karton, eine Spielidee und ein paar hübsche Bildchen, fertig ist die Lizenz zum Gelddrucken.
Der Echtzeitstrategie-Sammelkarten-Mix BattleForge hat deshalb gleich zwei Vorteile: Zum einen müssen keine Bäume für die Tausenden digitalen Karten sterben, was Euch garantiert ein paar ökologische Karma-Punkte einbringt.
Und zum anderen verwandelt sich jede Karte im Rahmen der Spielregeln in ein dreidimensionales Monster, ein mächtiges Bauwerk oder einen vernichtenden Zauberspruch. Statt ein paar netten Bildchen bekommt Ihr also einen echten Gegenwert, wenn Ihr für ca. 20 Euro 2.000 Battleforge-Punkte erwerbt und diese in acht Boosterpacks zu je acht Karten umwandelt.
Um das Spielprinzip an all die Sammelkarten-Wahnsinnigen und Fantasy-Fans da draußen zu verkaufen, verpackt der deutsche Entwickler EA Phenomic (SpellForce-Reihe) das Ganze in eine wilde Story um Götter, Titanen und die namensgebende Battleforge. Eine komplexe, über einhundert Seiten lange Hintergrundgeschichte mit Dutzenden Figuren, Fraktionen und Nebenschauplätze, durch die Ihr in einer angegliederten Chronik stöbern könnt und müsst. Wenn Ihr sie verstehen wollt. Denn statt die Geschichte mit prächtig designten Zwischensequenzen, Ingame-Dialogen oder einer einigermaßen stringenten Missionsstruktur zu erzählen, liefert BattleForge Story-Häppchen, die durch zusammenhangslose Missionen und seitenlange Texte weitererzählt werden.
Auch beim Gameplay wurden jede Menge Genre-Konvention aus dem Fenster geworfen. BattleForge mischt schnelle, Basen-lose Gefechte mit einem Karten-System á la Magic the Gathering, das genauso viel Planung vor dem Gefecht wie mittendrin erfordert. Die klare Trennung zwischen Single- und Multiplayer-Modus wurde aufgehoben.
Stattdessen sind die Welten in einem steten Fluss. Der Spieler kämpft immer online, gemeinsam und alleine, mal gegen den Computer, mal gegen einen menschlichen Mitspieler. Ohne Internetanschluss läuft gar nichts. BattleForge ist ein Strategie-MMO, wie es im Buche steht und macht für Offline-Spieler auch keine Ausnahme.
Vor jeder Echtzeitstrategie-Partie haben die Gameplay-Götter die Zusammenstellung eines Decks aus 20 virtuellen Karten mit Zaubersprüchen, Spezialgebäuden, Fern- und Nahkämpfern gesetzt. Ein paar Dutzend Karten werden mitgeliefert, der Rest wird Online getauscht, verkauft oder direkt im Shop erworben. Vier unterschiedliche Elemente bestimmen dabei die Ausrichtung. Feuerkarten sind vor allem für die Offensive geeignet, richten viel Schaden an und überwältigen den Gegner mit ihrer puren Kraft. Eis-Karten setzen auf eine starke Verteidigung, Natur-Einheiten sind Meister im Heilen und das Zwielicht-Deck setzt auf Hinterlist. Mischt Ihr die Elemente, müsst Ihr auf besonders starke Karten verzichten. Doch dazu später mehr.
Nachdem Ihr Euer Deck parat habt und Euch auf dem nur dürftig erklärten Hauptmenü umgeschaut habt, müsst Ihr Euch auf einer Weltkarte eine Mission aussuchen. Anfangs stehen nur wenige zur Auswahl. Manche davon bestreitet Ihr alleine, manche mit bis zu drei Partnern im Co-Op-Modus. Jeder Sieg lässt neben Upgrade-Karten für Euer Deck neue Missionen erscheinen. Leider verliert Ihr nach einer Weile etwas den Überblick. Die verschiedenen Erzählstränge verlieren sich im Nirvana der Weltkarte. Noch schlimmer: Euch ist egal, was mit den krude gezeichneten Charakteren passiert. Es werden zwar stets abwechslungsreiche Aufgaben geliefert, doch wie auch beim Gameplay werden die Hintergründe dürftig an den Spieler weiter gegeben.