Bayonetta 2 - Vorschau: Ein Stift-Massaker als Selbstläufer
Auf der Wii U wird optisch ansprechend gehext. Und sowohl Anfänger als auch Profis dürften Spaß haben.
Warum fahren Autos eigentlich noch nicht von alleine? Die Frage geht mir durch den Kopf, während ich mit wildem Wischen und Tippen Bayonetta 2 auf dem Bildschirm des Wii-U-Controllers spiele. Es gibt Leute, für die ist Autofahren eine Kunst. Ein Sport. Sie lieben es, mit hundert Sachen auf regennasser Fahrbahn um enge Kurven zu driften. Es ist noch nicht einmal schwierig, Autofahren zu lernen. Aber seinen Wagen zu beherrschen, wie Rallyefahrer oder Formel-1-Piloten, das erfordert Talent, Ausdauer und rigoroses Training.
Mit Bayonetta, Devil May Cry und anderen Spielen dieser Gattung verhält es sich genauso. Jeder kann sie auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad durchpflügen, aber nur wenigen ist es gegeben, nicht enden wollende Kombos aus dem Ärmel zu schütteln, während Dutzende Gegner wirkungslos ins Leere boxen. Einen solchen Tanz selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad so mühelos aussehen zu lassen, als wäre man ein Seehund im Wasser - dafür muss man üben, üben, üben, bis die Finger dick mit Hornhaut überzogen sind.
Für derartige Profis wäre die Touchscreen-Steuerung von Bayonetta 2 eine Beleidigung ihres Könnens. Als ob man einem Tour-de-France-Sieger ein E-Bike anbieten würde. Oder als ob Formel-1-Piloten den Grand Prix mit autonom fahrenden Rennwagen bestreiten müssten. Was für die einen Komfort bedeutet, ist für die anderen ein Betrug an ihrer Leidenschaft.
Wii Uiuiui, das schaut überraschend gut aus
Ich hab die E3-Demo von Bayonetta 2 anlässlich eines Termins bei Nintendo in Frankfurt am Main ausprobiert. Einmal mit den Analogsticks und Buttons des Wii-U-Controllers, einmal mit dem Touchscreen und Stift. Nutzt man den Controller auf die klassische Art, fühlt man sich sofort heimisch. Steuerung, Attacken, Ausweichen - alles wie gewohnt.
Die Bildwiederholrate schaut sowohl auf dem großen Bildschirm, als auch auf dem kleinen Screen des Handhelds nach flüssigen 60 fps aus, ohne dass mir sichtbare Kompromisse in Sachen Optik aufgefallen wären (Off-TV Play wird unterstützt). Der Titel hat nichts von der lieb gewonnenen Reizüberflutung eingebüßt, die das Genre ausmacht. Insofern können Fans beruhigt aufatmen.
Wählt man die Eingabe mit Stift und Touchscreen, wird das Spiel subjektiv zum Selbstläufer. Theoretisch zeigt man mit dem Stift, wohin Bayonetta laufen soll, tappt auf Gegner, um sie anzugreifen - die Art der Attacke wählt das System selbst - oder man malt einen Strich aufwärts für Sprünge. Mit einem Wisch nach rechts und links wird ausgewichen. Stimmt das Timing, wird die Zeit verlangsamt. Leuchtet die Anzeige für die 'Umbra Climax' auf, muss man auf das Symbol klicken, um kurzzeitig besonders harte Treffer zu landen oder Monster zu beschwören.
Für die Umstehenden muss ich dabei ausgesehen haben wie ein Arzt auf zehn Litern Espresso, der während eines Erdbebens Rezepte unterschreibt.
Sofern ihr aufmerksam gelesen habt, wird euch das "Theoretisch" im letzten Abschnitt aufgefallen sein. Denn in der Praxis kritzelte ich einfach nur chaotisch auf dem Bildschirm herum. Für die Umstehenden muss ich dabei ausgesehen haben wie ein Arzt auf zehn Litern Espresso, der während eines Erdbebens Rezepte unterschreibt.
Jedenfalls war das Ergebnis - dank des obligatorisch reduzierten Schwierigkeitsgrads im Touchscreen-Modus - ein Kombogewitter, wie man es von einem echten Bayonetta-Könner erwartet. Wollte ich gegenüber ahnungslosen Mitmenschen mit meinen Reflexen angeben - das wäre mein Spielmodus.
Darf 'Einfach' echt so einfach sein?
Natürlich sehe ich das Kalkül von Platinum Games und Nintendo hinter diesem Schachzug. Ziel war es offenbar, Bayonetta 2 auch für absolute Casual-Spieler zugänglich zu machen. Leute, die selbst vom leichtesten Schwierigkeitsgrad überfordert wären, solange sie Analogsticks und Knöpfe gleichzeitig koordinieren müssen. Natürlich wollte man aber auch die Veteranen nicht vergraulen, also hat man dem Titel die Option gelassen, wie gewohnt mit dem Pad auf hohem Schwierigkeitsgrad zu spielen.
Ob jemand, der jede Art von spielerischer Herausforderung scheut, wirklich zu Bayonetta 2 greift? Ich denke eher nicht. Außer vielleicht, er ist auf die spektakuläre Inszenierung scharf. Dass aber so jemand prinzipiell die Möglichkeit hat, den Titel durchzuspielen, darf man tatsächlich als Fortschritt betrachten. Könnte einige Konsolen-Neulinge auf den Geschmack bringen.
Ich erwarte allerdings jetzt schon mit Grausen hunderte Youtube-Videos nach dem Motto: "Schaut her! Mein fünf Jahre alter Sohn meistert Bayonetta 2", und wäre nicht einmal überrascht, wenn diverse Katzen den einen oder anderen Endboss legen. Aber hey: nicht dass ich hier jemanden auf dumme Ideen bringe. Kleintiere und - ganz besonders - Kinder sind eindeutig nicht die Zielgruppe. Lieber selbst spielen, sobald der Titel 2014 erscheint.