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Bei Amiga-Grafik bin ich hilflos: Loop Hero weckt ungekannte Karten-Gelüste in mir

Neues Futter für Slay-the-Spire-Süchtige!

Ich hätte nicht gedacht, dass mir das mal passieren würde, aber ich mag auf einmal Karten-basierte Videospiele. Slay the Spire und Steamworld Quest haben bei mir die Tür zu dieser Welt aufgestoßen und Loop Hero ist jetzt der Titel, der kurzen Prozess mit mir macht: Karten sind auf einmal ein Plus für mich. Welch' Wunder, wie man sich auf seine "alten Tage" doch noch zu ändern vermag, wenn man nur den richtigen Input bekommt.

Bisher hielt ich Karten-Mechaniken immer für eine unnötige Krücke aus der Welt der "Spiele zum Anfassen". Unnötig, weil Videospiele eigentlich Jahrzehnte daran gearbeitet haben, die mechanischen Prozesse, die hinter ihnen stecken, immer besser zu verstecken. Sie mittels Karten sichtbar zu machen, war für mich nie der Sinn der Übung und nicht das, wofür ich ein Videospiel erlebte. Sie störten schlicht die Immersion. Und jetzt sind da Spiele wie Loop Hero und belehren mich, dass es nicht immer darum geht und man manche Dinge einfach auf die altmodische Art machen sollte.

Inhalt

Als hätte man beim Ausmisten ein verlorenes Amiga-Spiel entdeckt

Passend dazu erzeugt Loop Hero, dem - wie könnte es anders sein - Devolver als Publisher auf die Sprünge half, auf den ersten Blick ein wohlig warmes Gefühl in der Bauchgegend. Zumindest, wenn man mit einem Amiga zuhause aufgewachsen ist. Detaillierte, aber grobe Pixelart in überschaubarer, eher erdiger Farbpalette. Check. Eine stilisierte Draufsicht, in der der strahlende Held noch ein einfarbiges, kaum animiertes Figürchen, sein durfte, das nur ein paar gute Mittagessen vom Strichmännchen trennen? Check! Und selbst die exzellente, treibend-geheimnisvolle Musik düdelt feinsinnig, aber auch ein bisschen retroartig schraddelig aus den Lautsprechern. Nicht ganz Paula, aber zumindest periodengerecht.

Ich meine, hört mal! Einfach wow (Bossmusik):

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Das Konzept von Loop Hero an sich ist gar nicht so einfach erklärt. Fangen wir vielleicht bei den simplen Dingen an. Das Böse hat die Welt vernichtet und es ist buchstäblich nichts mehr da, das Reich eine finstere Einöde. Auch der Held muss auch seine Erinnerungen erstmal neu sortieren. Surreal-metaphysisch ist das Ganze, wie man hier gewissermaßen im Nichts wieder ins Leben finden soll. Auf die Essenz runtergekocht, ist es ein Roguelike, das wie so viele seiner Art in der letzten Zeit darauf basiert, mit jedem Run etwas Fortschritt mitzunehmen.

Ein Run startet immer im Lager und läuft dann entlang eines zufällig generierten Rundkurses, bis man wieder am Lager ankommt. Das wäre der "Loop" aus dem Titel. Laufen und Kämpfen erledigt euer Streiter von selbst. Währenddessen ticken die Sekunden, Minuten und Stunden eines virtuellen Tages runter. Auf jeder Kachel des Weges passiert in gewissen zeitlichen Abständen etwas - zum Beispiel spawnt auf dem normalen Weg täglich mit fünfprozentiger Wahrscheinlichkeit ein Slime. Euer Job ist es nun, das Abenteuer zu gestalten - und das wachsende Arsenal des Helden so zu kuratieren, dass am Ende im besten Fall der Boss gelegt wird.

Jede Karte will sorgfältig platziert sein - auch, weil es viele Wechselwirkungen gibt, die nicht nur positiv für euch ausfallen.

Ihr haut also erste Slimes um, die wiederum Waffen und Ausrüstung, aber auch Karten aus eurem Deck droppen. Die Karten sind allerdings keine Fähigkeiten, sondern weitere Kacheln, die wiederum das Spielfeld verändern und sich dabei gegenseitig beeinflussen. Drapiert am Horizont ein Feld Felsen, verlängert dies eure Lebensleiste um 2HP. Für jeden benachbarten Felsen setzt es zwei weitere HP. Ein Berg spendet 5HP und jede angrenzende Gesteinsformation weitere fünf. Kombiniert neun Felsen oder Berge und ihr erzeugt einen Gipfel, der wieder nettere Boni liefert - aber auch das Risiko mitbringt, eine Harpie zu spawnen, die sich als Gegner auf dem Loop niederlässt.

Und so geht das immer weiter und immer wieder rum: Ihr platziert Wiesen, die pro Feld täglich zwei HP heilen, Sümpfe, die Monster verschlingen, wenn sie weniger als 15 Prozent Lebensenergie haben, aber auch selbst ein paar Bestien spawnen oder euch festsetzen können. Dazu kommen Vampiranwesen und Friedhöfe und jeder Gegner spuckt Loot anderer Güte und Eigenschaften aus. Nach und nach erdenkt ihr Kartenformationen, aus denen ihr den meisten Profit schlagt - mehr Feind, mehr Ehr! - und modelt ständig an eurer Ausrüstung herum.

Neue Gegner haben häufig einen Dialog mit euch, der die Rahmenhandlung ausschmückt.

Für die mittlere bis späte Phase eines Runs, wenn sich viele Monstrositäten auf einzelnen Kacheln tummeln, setzt ihr auf Massenschaden, Vampirismus und Konter, während sich allmählich das Spielfeld und damit auch die Bossleiste füllt, die die Ankunft des Obermotzes einläutet, wenn sie einmal voll ist. Je nach Gegend sammelt ihr unterwegs auch entsprechende Ressourcen, angefangen bei Stein und Holz bis zu Nahrung und allerlei magisches Zeugs. Damit könnt ihr bei der Rückkehr in euer Lager nach einem Lauf Upgrades kaufen.

Von Mumm und Torheit

Auf dem Weg zum Boss macht das Spiel eine interessante Risiko-Belohnungsrechnung auf: Geht man den Endgegner für besonders lukrative Ressourcen an oder steht es in Frage, ob man ihn überhaupt knackt? Falls nicht, verliert man 70 Prozent aller gesammelten Ressourcen. Sollte man also den Rückzug zum Lager antreten, um die Beute in Upgrades zu investieren? Aber schafft man diesen einen Loop überhaupt noch bis zum rettenden Lagerfeuer, oder muss man fliehen - und wiederum einen empfindlichen Teil seines Raubzuges liegenlassen?

Ist man erst einmal drin in Loop Hero, beginnt man wie von selbst, mit neuen Loadouts und Kartenkombinationen zu experimentieren, bekommt hier und da mal eine neue Karte für sein Zwölferdeck, das man je nach Zweck zusammenstellt - Farming-Runs lohnen sich zum Beispiel auch mit weniger Karten, wenn ihr nur die richtige Auswahl mitnehmt.

Looten, planen, umdisponieren - ihr müsst flexibel sein in Loot Hero, bekanntlich eine Stärke von Leuten jenseits der 40...

Im (vorläufigen) Resultat wirkt Loop Hero wie eine seltsame, aber erfrischende Mischung aus phasenweisem relaxtem Spielenlassen und kopfknackender Kartenstrategie, die maximale Initiative und Entscheidungsfreude verlangt - denn euer Loot-Inventar ist stark beschränkt und ihr müsst ständig aussortieren. Die Ästhetik holt diesen alten Amiganer hier vollkommen ab und wenn ich gerade nicht spiele, träume ich vom nächsten Lauf. Das hat man nicht alle Tage. Die ersten gut sechs Stunden hiermit waren jedenfalls eine schiere Freude und ich bin entzückt, mich noch tiefer hineinstürzen zu dürfen.

Loop Hero erscheint am 4. März auf Steam und kostet gerade keine 13 Euro. Auch eine Demo gibt es hier, die ich euch wärmstens ans Herz lege.


  • Entwickler / Publisher: Four Quarters / Devolver
  • Plattformen: PC
  • Release-Datum: 4. März
  • Sprache: Englisch
  • Preis: ca. 15 Euro, keine Mikrotransaktionen

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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Loop Hero

PC, Nintendo Switch

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