Bellwright vereint Valheim, Manor Lords und Rimworld auf vielversprechende Weise
Aufbauspiele noch und nöcher.
Es ist ein harter Start, den man in Bellwright hinlegt. Die ersten zwei, drei Stunden beschleicht einen das leise Gefühl, das Spiel respektiere die Zeit des Spielers nicht, vieles kommt einem träge und wie Arbeit vor. Die Heranführung an dieses Abenteuer ist geprägt von dezent fummeliger Bedienung, Verklickern beim Aufheben der vielen verstreuten Ressourcen und einer Ahnungslosigkeit, wo und wie man am besten beginnen soll, seine ersten Zelte - und es sind buchstäblich Zelte - aufzuschlagen.
Dann wiederum ist diese Beschwerlichkeit auf dem Weg, der feindseligen Umgebung ein Stück Selbstbestimmung und Wohlstand abzutrotzen, dieser Sorte Spiel gewissermaßen inhärent. Weshalb sollte man sich auch sonst mühen, sich mit umliegenden Dörfern anzufreunden, Leute anzuheuern und nach und nach seine eigene Siedlung aus dem Boden zu stampfen?
Gemeinsam stark
In einem Spiel wie diesem, nicht zu knapp von Valheim oder Rimworld inspiriert, und das auch Fans der Warenkreisläufen eines Manor Lords gefallen dürfte, sind die Hilfe und das Wohlergehen, das man in einer virtuellen Gemeinschaft erfahren kann, der zentrale motivierende Faktor. Sobald man dann erste helfende Hände um sich schart, kommt einem alles sehr viel einfacher vor. Es wirkt befreiend, ermächtigend und zieht deshalb umso mehr in das Erlebnis, eine Rebellion gegen eine böse Königin anzustubsen. Bringt ihr also ein wenig Biss und Willen mit, im Early Access die Ecken und Kanten dieses Spiels ein wenig abzustoßen, seid ihr hier richtig.
Die Fundament bildet ein Survival-System, das an Valheim erinnert: Ihr verhungert zwar nicht, habt aber weniger Lebensenergie und Ausdauer, wenn der Magen leer ist. Ihr nehmt bis zu drei verschiedene Arten Essen zugleich zu euch und jede davon steigert eure Werte ein wenig, bis sie “verbraucht” ist und ihr nachspachteln müsst. Das Bauen von Gebäuden und Einrichtungen hingegen erinnert eher an The Forest, nur, dass es in der Bedienung noch ein wenig fummelig wirkt, denn wie gesagt, wollen Äste und Laub manuell und einzeln an der entsprechenden Stelle platziert werden.
Zügig versammelt man jedoch ein paar Leute um sich, alle mit eigenen Namen, Jobs und Werten, die euch bei allem Möglichen helfen können, was in der Praxis mit einem klugen Priorisierungssystem jetzt schon ausgezeichnet funktioniert. Legt zum Beispiel beschädigte Ausrüstung auf die Werkbank und euer Schmied kümmert sich darum. Auch größere Bauprojekte setzen sie nebenher für euch um. Es bleibt euch überlassen, ob ihr helfen wollt, das Zutatenkörbchen für die Reparaturen oder Baustellen zu füllen, oder ob ihr auch das Sammeln so einrichten wollt, dass ihr euch so gut wie gar nicht mehr selbst darum kümmern wollt. Auch wenn die NPCs aktuell noch häufig an Umgebungsgegenständen hängen bleiben, erledigen sie das insgesamt schon sehr ordentlich.
Dadurch, dass ihr viel Arbeit abgebt, könnt ihr Bellwright dann beinahe wie ein “normales” Action-RPG spielen, wenn ihr möchtet. Das Kampfsystem setzt nach Mount and Blade Art auf direktionale Hiebe und Blocks. Einmal angefangene Schläge zieht die Spielfigur immer durch und anfangs verliert man dadurch schon mal Geduld und schließlich Rhythmus. Ein wenig hüftsteif wirkt es also noch, aber es ist funktional und macht nach etwas Übung durchaus Spaß. Wenn eine Horde Banditen, deren Aggro man aus Versehen zog, schreiend den Hügel auf mein kleines Gefolge zurennt, versetzt mich das regelmäßig kurz in Panik. Zum Glück sind Bildschirmtode dennoch nicht allzu hartherzig gehandhabt. Zwar bleibt euer Inventar bei eurer Leiche, aber ausgerüstete Gegenstände behaltet ihr.
Die Angst vor dem ersten Pfeil
Auch die Lösung für Permadeath eurer Untergebenen findet einen schönen Mittelweg zwischen lax und bedrohlich: Wird jemand aus eurem Gefolge niedergestreckt, respawnt er schwer verletzt im Dorf. Erst, wenn er vor seiner Genesung noch einmal im Kampf fällt, ist er wirklich verloren. Dadurch, dass Siedlungen regelmäßig (und dankenswerterweise mit voriger Ansage) angegriffen werden, steht trotzdem regelmäßig einiges auf dem Spiel. Allein, dass man den Zustand seiner Leute im Blick behalten muss, bringt eine nette zusätzliche Ebene ins Erlebnis ein. Hat man viele Verwundete, versucht man, besonders diese zu schützen, denn jeder NPC ist eine wertvolle, wichtige Ergänzung für das Dorf.
Das erzeugte in meinen ersten Stunden einige magische Momente. Wenn sich der schnell eintretende Winter mit knurrenden Mägen und sachte herabrieselnden Schneeflocken bemerkbar macht, die die grünen Ebenen erst gräulich, dann weiß einfärbt, während man sich einem feindlichen Ansturm entgegensieht, trifft einen die Unbarmherzigkeit der Spielwelt mit maximaler Kälte. Die Angst vor dem ersten Pfeil, der ins Lager geflogen kommt, ist enorm und motivierte mich noch mehr zu dem nötigen Trotz, meine aufkeimende Rebellion gegen das, was kommt, zu stählen. Atmosphärisch ist das schon gut gemacht.
Vielleicht noch ein Wort zum Koop: Man kommt nur als Gast und neuer Charakter auf den Server eines Mitspielers. Die eigene Figur aus der Kampagne übernimmt man nicht, was für die Spielfiktion auch keinen Sinn ergeben würde. Zudem gibt es aktuell noch keine dedizierten Server. Ihr spielt also nur, wenn auch der Host das Spiel auf seinem Rechner laufen lässt. Dafür ist aber der wahnsinnig große Technologiebaum an den Spielstand des Gastgebers gebunden. Wer in seiner Welt noch nicht so weit ist, kann also trotzdem direkt auf ein paar coole Dinge zugreifen. Und für einnehmende Aufgabenteilung ist immer genug zu tun.
Technisch und visuell hat das Spiel viele gute Momente, aber auch ein paar, in denen es nicht so toll aussieht. Vor allem bei trübem Wetter (nicht bei Schnee, da sieht es toll aus), wirkt die Welt von Bellwright, mit all dem Platz, den sie für eure Kreationen lässt, nicht unbedingt wahnsinnig einladend. Auf der Kuppe eines Hügels bei Sonnenaufgang ins Tal zu blicken, vergeltet einem aber den einen oder anderen weniger hübschen Ausblick ziemlich effektiv. In Sachen Bugs machen sich vor allem Wegfindungsschwierigkeiten der NPCs bemerkbar. Dass Koop-Gäste physisch in der Welt stehen bleiben, wenn sie sich ausloggen, bereitete den KI-Kollegen nur noch mehr Probleme, als ich das Game eines Freundes direkt vor einem Arbeitstisch verließ, die für die KI nicht mehr nutzbar war. Auch ein paar Abstürze hatte ich zu beklagen. Insgesamt nichts, was für einen Early Access nicht auch zu erwarten war.
Die große Skepsis
Vielerorts sind die Leute misstrauisch, wenn es um das neue Spiel von Donkey Crew geht. Der letzte Titel der Breslauer hatte wahnsinniges Potenzial, wird nun aber zur Fertigstellung der Community übergeben, auf dass diese mithilfe der neuen Mod-Tools den Spaß im PvP-Aspekt finden möge, den Donkey Crew nicht freizulegen vermochte. Dieses Problem wird das allein auf Solo und Koop ausgelegte Bellwright unter Garantie nicht haben, sodass sich das Team voll und ganz auf sein Talent konzentrieren kann: Spielerisch ebenso spannende wie ambitionierte Titel rund ums Bauen und Kämpfen auf die Beine zu stellen. Bellwright könnte wirklich gut werden.